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Das Osterwunder dauert an

Gemälde von Caravaggio, um 1602. Aufnahme: WikimediaDer weiße Sonntag ist – auch wenn die Kleider der heute in vielen Gemeinden zur Erstkommunion gehenden Mädchen anderes vermuten lassen – keinesfalls der Sonntag der weißen Gewänder, sondern der Tag, zu dem die weißen Taufkleider der in der Osternacht zu Kindern Gottes gewordenen Täuflinge wieder abgelegt wurden. Das eigentliche Osterfest endete mit der Vesper des Samstags. Der Blick auf das, was in liturgischen Dingen ins Auge sticht, ist also durchaus zeit- und kulturbestimmt – ob das schon Grund genug ist, den „Weißen Sonntag“ samt seiner Positionierung als „Erster Sonntag nach Ostern“ per Reform einzuebnen und abzuschaffen, steht auf einem anderen Blatt.

Nicht abgeschafft wurde im Trubel der Reformjahre von 1953 bis 1969 übrigens das Evangelium des 1. Sonntags nach Ostern, es ist auch heute noch in allen drei Lesejahren die Perikope aus dem Johannesevangelium (20, 19-31) mit dem nachösterlichen Bericht, der verdeutlicht, daß das eigentliche Ostern keinesfalls zu Ende ist sondern wirkt und besteht bis zum Ende der Zeit.

Der gelehrte Benediktiner und spätere Kardinal Ildefons Schuster beschreibt diesen Zusammenhang in seinem Liber Sacramentorum (Bd. IV., S. 105/6) so:

Das Evangelium berichtet zwei Erschei­nungen des Herrn. Die erste fand statt am Abend des Oster­festes, und dabei setzte Jesus das Sakrament der Buße ein; bei der zweiten, 8 Tage später, zeigte er Thomas seine Wund­male. Es hat eine tiefe Bedeutung, daß die Vollmacht der Sündenvergebung den Aposteln am Auferstehungstage selbst übertragen wurde. An diesem Tage der Freude und des Tri­umphes ziemte es sich wohl, daß die göttliche Barmherzigkeit jenes Sakrament einsetzte, welches von der Erde Trauer und Kummer verscheuchen und die Sünder zu neuem Leben er­wecken sollte. Zur Erinnerung daran empfangen die Gläu­bigen auch heute noch die sakramentale Lossprechung, bevor sie zum Ostersakramente hinzutreten. Und unsere Volks­sprache, die so ausdrucksvoll und bewußt katholisch ist, nennt den Empfang beider Sakramente zur Osterzeit „Ostern halten“. In so inniger Beziehung steht also die Auferstehung des Herrn mit der Aussöhnung der Sünder im Sakramente. In alter Zeit fand bekanntlich die Wiederaufnahme der öffent­lichen Sünder am Gründonnerstag und Karfreitag statt.

Durch die zweite Erscheinung bekehrte Jesus den Apostel Thomas von seinem Unglauben. Ehe der Apostel glauben wollte, verlangte er, den Herrn mit seinen Händen zu berühren. Gott ließ dies zu als Heilmittel für den Unglauben aller kom­menden Geschlechter. Die Auferstehung des Herrn ist also über allen Zweifel erhaben, denn der Herr wurde nach seiner Auferstehung gesehen und sogar betastet von Personen, die keineswegs leichtgläubig waren.“

Die Secret führt diesen Gedanken der Fortdauer von Ostern in den Sakramenten der Kirche und über die Zeit hinaus weiter aus:

Der Herr nehme die Opfergaben seiner froh­lockenden Kirche gnädig an; uns aber sei die Osterfreude ein Unterpfand für die unvergängliche Freude im Himmel.“

Dazu noch einmal Ildefons Schuster:

Heilige Freude ist ein besonderes Merkmal des Christen­tums. Sie entspringt aus den reichen Schätzen der Glaubens­und Sittenlehren des Evangeliums, aus den Sakramenten, der heiligmachenden Gnade und aus der ganzen Erziehung, welche unsere hl. Mutter, die Kirche, uns zuteil werden läßt. Wer außerhalb der Kirche steht, kann sich an diesem Quell inner­lichster geistlicher Freude nicht laben, denn dieser erfrischt nur die Seelen, die und soweit sie am Geiste der Kirche teil­nehmen. „Mehr Freude“ soll daher unser Losungswort sein im Kreuzzuge gegen die düstere Sentimentalität, die sich auch in die Frömmigkeit der Gläubigen einzuschleichen sucht. Um aber das Vollmaß der Freude zu genießen, müssen wir die Christen wieder an die wahre Quelle führen, und dies ist die Frömmigkeit der katholischen Kirche.“

Es gehört zur besonderen Tragik der liturgischen Entwicklung des 20. Jahrhunderts, daß die überlieferte Liturgie – und damit auch das so tief gehende Werk Schusters – wenig mehr als 20 Jahre nach dessen Entstehung als „überlebt“ abgetan worden sind. Die Folgen werden erst heute ein ihem ganzen Ausmaß sichtbar, wo der „Weiße Sonntag“ für viele Kinder und ihre Familien der letzte Sonntag überhaupt ist, an dem sie einen Gottesdienst besuchen.

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