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Das heilige Kreuz

Nachtrag zum Fest Kreuzerhöhung

Bild Wikimedia commons / TschaenskyDie Instrumenta Passionis, die Werkzeuge der Erlösung, haben den frommen Sinn des Mittelalters in einem heute schwer nachvollziehbaren Umfang beschäftigt. Kreuz und Gral (Abendmahlsbecher), Lanze des Longinus und Dornenkrone, Schweisstuch der Veronika und die Nägel der Kreuzigung waren nicht nur Gegenstand andächtiger Betrachtung, sondern auch frommer Legenden und weniger frommer Ritterromane. Die Reliquien der Lanze des Longinus bei den Reichskleinodien des Römisch-Deutschen Kaisers und der Dornenkrone in der Sainte Chapelle in Paris waren Kristallisationspunkte der Reichsidee und des Königtums von Gottes Gnaden für die Zeit vor dem modernen Volksstaat, für die allein die Rede vom „christlichen Abendland“ einen Sinn haben kann.

Im Mittelpunkt der Legenden steht natürlich das Kreuz der Erlösung selbst, über das neben mehr oder weniger vertrauenswürdigen historischen Berichten zahllose Legenden in Umlauf waren. Legenden, denen es darum ging, das kosmische Geschehen von Sündenfall und Erlösung der menschlichen Natur in eine fassbare Gestalt zu bringen. In der Legenda Aurea des Bischofs Jacopo de Vorigine sind einige davon – untersich durchaus nicht widerspruchsfrei, aber doch stets in Parallelität zu Grundüberzeugungen des Glaubens – in einer auch heute noch leicht begreifbaren Form überliefert.

Gemeinsamer Zug vieler Legenden ist, daß das Holz der Erlösung in einen ganz konkreten Zusammenhang mit Adam und dem Sündenfall gebracht wird. Anscheinend gab es sogar eine Version, die das Kreuz direkt aus dem Holz des Baumes der Erkenntnis aus dem Schöpfungsbericht gemacht sehen wollte. Eine Version, die sich Jacopo ausdrücklich nicht zu eigen macht. Er verwendet zwei leicht unterschiedliche Versionen, die darin übereinstimmen, daß Adams Sohn Seth auf der Suche nach einem Heilmittel für seinen zum Tode erkrankten Vater von einem Engel des Paradieses einen Zweig oder Samen erhalten habe, aus dem ein Baum erwachsen werde, an dessen Frucht Adam genesen werde. Nun starb Adam freilich im Alter von 990 Jahren – aber der Baum wuchs prächtig in die Höhe. Einige Legenden wollen wissen, Salomon habe ihn für den Bau seines Tempels verwenden wollen, dem habe sich der Baum aber entzogen: mal war der daraus gefertigte Balken zu kurz, mal zu lang für den vorgesehenen Zweck. Andere berichten von einem Traum der Königin von Saba, die Salomo gewarnt habe, der Baum werde Unglück für das Königtum Israel bringen. Darum wurde – hier stimmen beide wieder beinahe überein – wurde das Holz in einen See geworfen oder in der Erde vergraben. Es kam erst nach 5000 Jahren auf wunderbare Weise wieder zum Vorschein, gerade als es für die Kreuzigung Christi gebraucht wurde. Beides erzählt Jacopo mit einiger Distanz.

Jacopos eigene Ansicht können wir eher in der Einleitung seines – im übrigen durchaus legendenhaften – Berichtes zur Kreuzerhöhung vorfinden, dem er eine Betrachtung voranstellt, die das Wesen der allegorischen Glaubenserklärung des Mittelalters ins beste Licht rücken kann:

Dies Fest heißt die Erhöhung des heiligen Kreuzes, weil auf diesen Tag der christliche Glaube und das heilige Kreuz am höchsten erhöht sind worden. Wir sollen aber merken, daß vor der Passion des Herrn das Holz des Kreuzes ein schmählich Holz war, denn es ward von geringem Holze bereitet, ein unfruchtbar Holz, denn alles, was man um den Berg Calvariae pflanzte, trug keine Frucht; es war unedel, denn die Räuber wurden daran erhenkt; es war ein Holz der Finsternis, denn es war finster ohn alle Zier; es war ein tödlich Holz, denn die Menschen litten daran den Tod; es war ein stinkend Holz, denn es war unter Leichen gepflanzt. Nach der Passion des Herrn aber ward es vielfältig erhöht, und die Schmach ward gewandelt in Köstlichkeit. Davon spricht Sanct Andreas „Gegrüßet seist du köstlich Kreuz“. Die Unfruchtbarkeit ward zur Fruchtbarkeit; davon heißt es im Hohen Liede „Ich werde auf die Palme steigen und ihre Frucht pflücken“ (Cant. 7,8). Die Unedelkeit ward zur Herrlichkeit; davon spricht Augustinus „Das Kreuz, das zuvor war die Pein der Schächer, damit werden nun gezieret die Stirnen der Kaiser. Die Finsternis ward zur Klarheit; davon spricht Chrysostomus „Das Kreuz und die Wundmale Christi werden am Tag des Gerichts heller leuchten denn die Strahlen der Sonne“. Der Tod ward zum ewigen Leben; davon singen wir „Wie davon der Tod kam, so ist davon auch kommen das Leben. Der Gestank ward gewandelt in lieblichen Duft; davon heißt es im Hohen Liede: „Da der König auf seinem Bette lag, gab meine Narde ihren Durft“ (Cant 1,11). Das ist das heilige Kreuz.

Das mag nicht der heute gängigen Denk- und Redeweise entsprechen. Es ist aber nicht irrational, und es ist erst recht nicht gegen den Glauben.

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