Quatembersamstag ist Weihetag
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- 23. September 2016
Die Quatembertage tragen einen dreifachen Charakter, der sich mit drei historischen Schichten erklären läßt. Die älteste Schicht ist die des Charakters der wöchentlichen Fasttage am Mittwoch und am Freitag, die aus der jüdischen Herkunft der Kirche überkommen sind. Der Samstag als Fasttag kam später hinzu, um zu betonen, daß nun der Sonntag und nicht mehr der Sabbat als „Tag des auferstandenen Herrn“ gefeiert werde. Die zweite Schicht ist die der jahreszeitlichen Dankfeste, die zum Teil ebenfalls bereits im Judentum angelegt sind und später dann in der römischen Kirche in Übereinstimmung mit den Festen der Getreideernte, der Weinlese und des Abschlusses der Weinkelter nach dem Sonnenkalender gebracht wurden. Dieses Zusammentreffen von Fastentagen und Erntedankfesten bewirkt den etwas widersprüchlichen Ton vieler Gebete des Propriums dieser Tage, in denen Aufrufe zu Buße und Fasten sowie die Feier des Erntesegens manchmal unvermittelt nebeneinander zu stehen scheinen. Die theologische Vermittlung erfolgte nach Ildefons Schuster dadurch, daß die Festmähler des Erntedanks – ohne sie prinzipielle abzulehnen oder gar abzuschaffen – als Vorschau auf das ewige Festmahl im himmlischen Jerusalem interpretiert wurden, für das man sich durch einen gottgefälligen Lebenswandel in aufrichtiger Bußgesinnung vorbereiten wollte.
Tatsächlich erhielt das Fasten an den Vierteljahrestagen sogar einen besonderen Stellenwert, und – ebenfalls nach Schuster – war das der Grund dafür, daß die Erteilung der heiligen Weihen, die stets auf ein gemeinsames Fasten von Gemeinde und Kandidaten folgte, sich mit den Quatembersamstagen verband, an denen sie heute noch nach den Messformularen des überlieferten Ritus vorgesehen ist. Das wäre dann die dritte und jüngste Schicht.
Seit dem frühen Mittelalter finden diese Weihen am Quatembersamstag statt. Dieser etwas befremdliche Zeitpunkt ist allerdings nicht der ursprüngliche. In Rom wurde bis ins 8. oder 9. Jahrhundert an Samstagen keine hl. Messe gefeiert; der Samstag war der Tag der Vorbereitung auf den Sonntag, und er wurde vom Klerus unter Beteiligung des Volkes durch eine Vigilfeier vorbereitet, die bis in den frühen Sonntagmorgen andauerte. Die zum Abschluß dieser Vigil gefeierte hl. Messe und die in deren Rahmen erteilten Weihen war also die ursprüngliche Sonntagsmesse – erst später ‚rutschte‘ sie immer weiter nach vorne und wurde damit zur Liturgie des Samstags.
Hintergründe und Ablauf der Weihen am Quatembersamstag hat der spätere Erzbischof von Mailand und Kardinal Ildefons Schuster in seinem Liber Sacramentorum ausführlich dargestellt:
Die hl. Weihen waren nach römischer Auffassung ein Ausfluß jener Vollgewalt, die Jesus dem hl. Petrus übertragen hatte, eine Anteilnahme an seiner Machtbefugnis. Darum wurde der hl. Ritus an Petri Grabe gefeiert und empfingen Priester und Leviten ihre Stolen, die Abzeichen ihrer Würde, vom Grabe des ersten Stellvertreters Christi, wie heute noch die Erzbischöfe ihre Pallien. Im Missale sind die einstigen Weihetage noch kenntlich durch den Vermerk: ad S. Petrum.
Leo fügt (…) zur herkömmlichen Überlieferung ein neues Element hinzu: die nächtliche Vigil. Sie bestand im Gebetsgottesdienst und der Opferfeier. Im 2. Jahrhundert wurde die Vigil in jeder Nacht vom Samstag auf den Sonntag gefeiert, war jedoch nur in der Osternacht für alle Christen strenges Gebot.
An den Sonntagen nach den Quatembertagen wurde es wegen der hl. Weihen ähnlich gehalten. Handelte es sich doch um ein Ereignis, das nicht bloß den Bischof, sondern das ganze Volk anging: Man wollte vom Herrn gute und eifrige Diener des Heiligtums erbitten. Da Jesus gesagt hatte: „bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende", so unterbrach das gläubige Volk am Samstagabend das Fasten nicht, wie am vorausgehenden Mittwoch und Freitag, sondern setzte es fort bis zum anderen Morgen. In großen Scharen strömte es zur vatikanischen Basilika, um dort der Erteilung der hl. Weihen am Apostelgrabe beizuwohnen.
Die ganze tausendköpfige glaubensbegeisterte Menge, die vereint mit dem Papste und dem Klerus fastete und betete, glich in dieser nächtlichen Versammlung einem großen geistigen Heerlager - praesidia militiae christianae.
Kehren wir aber zum Texte des hl. Leo zurück: „Am Mittwoch und Freitag wollen wir also fasten." Nach uralter Überlieferung wurde in Rom, zum Unterschiede vom Orient und Mailand, das Fasten durch eine Stationsmesse geheiligt - sanetificate ieiunium. Am Quatembermittwoch fand der Gottesdienst stets in Groß St. Marien statt, um die Weihekandidaten dem Schutze der Gottesmutter zu empfehlen; die Proklus von Konstantinopel genannt hatte „Tempel, in welchem Gott Priester geworden".
Zu Beginn der Messe erhielten die Weihekandidaten einen bevorzugten Platz, wo sie allem Volke sichtbar waren. Sie wurden nun zuerst dem Volke vorgestellt. Ein Notar bestieg den Ambo, verlas ihre Namen und forderte dann die Gläubigen auf, allenfalls Einspruch gegen die Ordinanden zu erheben. „Domino Deo Salvatore nostro Jesu Christo, elegimus in ordine diaconi (vel presbyteri) N. N. de titulo N. Si quis habet aliquid contra hos viros, pro Deo et propter Deum cum fiducia exeat, et dicat. Verumtamen memor sit communionis sacrae."1) Die Gläubigen mußten ihre Aussagen durch den Empfang der hl. Kommunion bekräftigen. Wenn nichts vorgebracht würde, mußten die Erwählten noch eidlich erklären, in ihrem Vorleben nie eine von den schweren Sünden begangen zu haben, die nach den altkirchlichen Bestimmungen auch nach der sakramentalen Lossprechung auf immer vom Altardienste ausschlossen.
Der gleiche Ritus wiederholte sich am darauffolgenden Freitag im Apostoleion, das Papst Julius I. und der Feldherr Narses nach dem Vorbilde der Apostelkirche in Konstantinopel erbaut hatten. In der Kirche ruhten die Gebeine der Apostel Philippus und Jakobus. Da aber die Basilika allen zwölf Aposteln geweiht war, so wurde sie für die überaus wichtige Feier vor den hl. Weihen ausgewählt, um die Kandidaten jenen anzuempfehlen, deren Stelle auf Erden sie einnehmen und deren Werk sie fortsetzen sollten. Nach Beendigung der Opferfeier bei Sonnenuntergang - an den Fasttagen war der Stationsgottesdienst stets am Abend, wie heute noch bei den Orientalen an einigen Tagen - durfte ein jeder noch eine Mahlzeit einnehmen. Am folgenden Tage aber wurde das Weihefasten so streng von allen beobachtet, daß selbst am Morgen keine Opferfeier stattfand; es endete erst am Sonntagmorgen nach den hl. Weihen.
Die Vigil in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag erinnert an jene Nacht, die Jesus vor der Apostelwahl betend auf einem Berge verbrachte. Die alten Christen hatten eine große Vorliebe für das nächtliche Gebet, von dem im Evangelium so oft die Rede ist. Als ein Schatz war es den Aposteln vom Herrn anvertraut worden, und so hatten sie es den Kirchen überliefert. Nach dem Berichte des hl. Lukas erhoben sich Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi um Mitternacht zum Gotteslobe, das auch die Mitgefangenen vernahmen. Auf dies Ereignis aus der Apostelgeschichte spielt der Hymnus der Mittwochsmatutin an:
Mentes manusque tollimus,
propheta sicut noctibus
nobis gerendum oraecipit
Paulusque gestis censuit.Das liturgische Gebet in der Nacht war seit dem 2. Jahrhundert allgemein unter den Gläubigen in Übung, namentlich vor dem Sonntagsopfer und vor den Martyrerfesten. Es wurde entweder Pannychis oder Vigilia genannt. Unsere heutige Vigil hat einen ganz anderen Sinn und deckt sich eher mit dem, was die Griechen als proeortia oder Vorfeier bezeichnen.
Die Vigil, welche der Weihespendung größeren Glanz verlieh, bestand aus einer Reihe von Schriftlesungen, zuweilen zwölf oder vierundzwanzig, die griechisch und lateinisch vorgetragen wurden. Seit dem 7. Jahrhundert sind sie auf sieben beschränkt. Zwischen den einzelnen Lesungen wurden Responsorien gesungen und der Bischof betete im Namen des Volkes die Kollekten. Auf diese Weise floß der größte Teil der Nacht dahin. Mit beginnender Dämmerung ließ der Papst die dichtgedrängte Schar der Gläubigen singend in St. Peter zurück, und begab sich in die nahe Rotunde St. Andreas, um hier die Priester- und Diakonatsweihe vorzunehmen. Eine Weihe in einem eigenen Oratorium mag auf den ersten Blick befremden; doch war ein solcher Brauch durchaus keine Ausnahme in der alten Liturgie. Auch Taufe und Firmung wurden in zwei von der Kirche abgesonderten Kapellen, dem Baptisterium und Konsignatorium, gespendet. Dem Volke war der Zutritt verwehrt; es blieb in der Kirche und sang die Litanei. Ähnlich war es bei den hl. Weihen.
In alter Zeit war das römische Volk ebenso wie heute unruhig und zum Reden geneigt. Um jede Unordnung bei der Spendung der hl. Sakramente zu verhindern, wandten die Väter ein Radikalmittel an. Sie hielten das „Volk Gottes", das aber trotzdem immer Volk blieb, von dem Raume fern, wo die Sakramente gespendet wurden.
Im Mittelalter fand man noch einen weiteren Grund für die Spendung der hl. Weihen außerhalb der großen Apostelkirche. Man glaubte, nur die Weihe des Papstes dürfe am Altare des hl. Petrus stattfinden, da er allein vom Apostel die Vollgewalt erbe. Die übrigen Weihen aber müßten in der Nähe des Apostelgrabes vorgenommen werden, jedoch nicht über dem Grabe selber. Mit dieser Unterscheidung wollte man hervorheben, daß die bl. Diener des Altars nur mittelbar, d. h. durch den Papst, einen Teil jener Gewalt erhielten, welche dem Apostelfürsten verliehen worden war.
Die Geschichte der hl. Weihen im christlichen Altertum ist überaus lehrreich. Zeigt sie uns doch, welche Bedeutung damals dem Fasten, der Vigil und der Stimme des Volkes beigemessen wurde.
Den Bischöfen Lukaniens schärfte Papst Gelasius I. besonders ein, daß die hl. Weihen nur an den festgesetzten Zeiten erteilt werden dürften: an den Sonntagen nach den drei Quatemberfasten und am 2. und 5. Fastensonntage. Man hielt sich also damals noch sehr streng an den alten Brauch, wie an eine apostolische Überlieferung, und nahm das Sakrament der Handauflegung nur an einem geheiligten Tage, wie es der Sonntag war, vor, während die ganze Gemeinde fastete und betete.
Ildefons Schuster, Liber Sacramentorum, Bd. 7, S. 22-25