Zum Fest Mariä Empfängnis
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- 08. Dezember 2016
Der heutige Festtag von der unbefleckten Empfängnis Mariens verbindet sich auf eigentümliche Weise mit dem Denken des großen Lehrers Thomas von Aquin: Im 13. Jahrhundert war die Frage, ob Maria zur Vorbereitung ihrer Aufgabe als menschliche Mutter des Göttlichen Erlösers von der Empfängnis an frei von der Erbsünde war, in den gelehrten Kreisen der Westkirche noch heftig umstritten. Zusammen mit so illustren Gestalten wie dem glühenden Marienverehrer Bernard von Clairveaux und Albertus Magnus von Köln, seinem Lehrer, gehörte auch Thomas zu denen, die diesen durch logische Überlegungen gewonnenen Glaubenssatz ablehnten. Die Diskussion der damit verbundenen Fragen sollte noch Jahrhunderte andauern; sie wurde erst 1854 mit der feierlichen Erklärung des Dogmas durch Papst Pius IX. endgültig entschieden.
Von Interesse ist dabei aus unserer Perspektive eine der wesentlichen Überlegungen, auf die sich Thomas für seinen ablehnenden Standpunkt stützte. Die liturgische Tradition der Kirche hatte für ihn so großes Gewicht, daß er die Bedeutung und Verbindlichkeit von Glaubensaussagen unter anderem daran festmachte, ob die Kirche zu dem jeweiligen Gegenstand ein Fest feiere. Das war hinsichtlich der Unbefleckten Empfängnis in der Westkirche im Gegensatz zum Osten, wo das Fest bis ins 7. Jahrhundert zurückreicht, nur sehr vereinzelt der Fall. In Rom wurde es erst 1477 eingeführt und dann noch viel später 1708 für die ganze Kirche vorgeschrieben. Man kann hieran unter anderem sehen, wie viel Zeit sich die Kirche nimmt, um zu Gegenständen, die weder in der hl. Schrift noch in der Tradition eindeutig bestimmt sind, eine Aussage zu entwickeln.
Heute liegt die Provakation dieses Festtages weniger in dem, was er über die allerseligste Gottesmutter aussagt, sondern darin, was diese Aussage für alle anderen Menschen bedeutet: Wir alle sind von der Empfängnis, von Grund an, durch ererbte Schuld von Gott getrennt, nicht fähig, das volle Ausmaß seiner Gnade zu empfangen und von daher weder würdig noch im Stande, ihn wahrhaft in uns aufzunehmen. Nicht in unmittelbar sinnfälliger Form wie bei der Gottesmutterschaft Mariens, aber auch nicht in der nur dem Glauben zugänglichen Form der Eucharistie. Erst die Taufe, die Vergebung bereuter Sünden in der Lossprechung schafft die dafür notwendigen Voraussetzungen. Von uns aus, aus eigener Kraft, sind wir dazu nicht fähig.
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Die Bildunterschrift bezieht sich auf einen Strophenanfang des Liedes "Sagt an, wer ist doch diese..." von Johannes Khuen (1638) in der Fassung von G.M.Dreves aus dem 19. Jh. Den vollständigen Text nebst höchst lehrreichen Anmerkungen zur entstellten Form des Liedes im neuen Gotteslob bietet Anmerkungen donec venias.