Statio in S. Giovanni in Laterano

Die Stationskirche des 1. Fastensonntags ist die päpstliche Erzbasilika des allerheiligsten Erlösers und der Heiligen Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist, Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises - so der volle Titel. Die Bestimmung dieser Kirche zur Statio verweist auf die Zeit, in der nicht der Aschermittwoch, sondern der erste Sonntag der Quadragesima den Beginn der großen Fastenzeit markierte.

Den Alten war durchaus gegenwärtig, daß Zahlen nicht alles und in vielem noch nicht einmal etwas wichtiges markieren - ihnen bereitete es keine Probleme, daß die Zählung  von 6 Wochen in keinem Fall 40 Tage ergibt - gleichgültig, ob man die Sonntage, die keine Fasttage sind, mitzählt oder nicht. Später, ab dem 5. Jahrhundert, wollte man es dann genauer haben und ermittelte den Mittwoch vor dem ersten Fastensonntag als den rechten Beginn des 40 tägigen Fastens. Noch später zählte man dann alles mögliche noch viel präziser und vergaß darüber den Gedanken des Fastens.

Alles spricht für die Annahme, daß die Tagesgebete  (Oratio und Secreta) der überlieferten Liturgie des 1. Fastensonntags bis in die Zeit vor dem 5. Jahrhundert zurückreichen. Die Secreta spricht ausdrücklich vom Eintritt in das 40-tägige Opfer. Aufschlußreich ist der Vergleich zwischen den Texten der 1500-jährigen Tradition und denen der „erneuerten“ Liturgie von 1970, die sich auch hier wieder nicht als „erneuert“, sondern als platt modernisiert erweist.

Die alte Oratio ist ein Musterbeispiel römischer Knappheit und Klarheit:

O Gott, Du läuterst Deine Kirche alljährlich durch vierzigtägiges Fasten; gewähre Deiner Familie, in guten Werken zu bestätigen, was sie durch Entsagung von Dir zu erlangen strebt.“

Das deutsche Missale gibt für alle drei Lesejahre den folgenden Text vor:

Allmächtiger Gott, Du schenkst uns die heiligen vierzig Tage als eine Zeit der Umkehr und Buße. Gib uns durch ihre Feier die Gnade, daß wir in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten und die Kraft seiner Erlösungstat durch ein Leben aus dem Glauben sichtbar machen.“

Ebenfalls nur noch als Pastoralschwurbel vom Feinsten kann man die deutsche Version des „Gabengebets“ bezeichnen:

Herr unser Gott, wir bringen Brot und Wein für das heilige Opfer, das wir zum Beginn dieser Fastenzeit feiern. Nimm mit diesen Gaben uns selbst an und vereine unsere Hingabe mit dem Opfer deines Sohnes.“

Die überlieferte Version der „oratio super oblata“ sagt demgegenüber glasklar, was Sache ist:

Zu Beginn der vierzigtägigen Fasten bringen wir feierlich das Opfer dar und bitten Dich, o Herr: möchten wir doch zugleich mit der Einschränkung der leiblichen Nahrung uns auch schädlicher Lüste enthalten.“

Ebenfalls wenig erfreulich verläuft der Vergleich zwischen den Texten, die alte und „erneuerte“ Liturgie für das Evangelieum bieten. Die Tradition liest Matthäus 4, 1-11 mit dem Bericht von Jesu Fasten in der Wüsten und den anschließenden drei Versuchungen durch den Teufel. Lesejahr A und C bringen diese Perikope nach Mathäus und Lukas, die bis in die Formulierungen übereinstimmen, allerdings eine unterschiedliche Reihenfolge der drei Versuchungen bieten. Damit kommt eine der Schwächen des Dreijahreszyklus in den Blick: Die Wiedererkennbarkeit wird gemindert. Das Lesejahr B bringt den Bericht von Jesu Fasten nach Markus, in dem es nur heißt, daß Jesus vom Satan in Versuchung geführt wurde. Hier fallen also wesentliche Inhalte und Gedanken unter den Tisch. Synoptische Vergleiche der Evangelien gehören ins Seminar - nicht in die Liturgie.

Schwer vorstellbar, daß die Väter des Konzils bei ihrer Aufforderung, die „Schatzkammer der Schrift weiter aufzutun“ (SC 51) eine Verarmung der Verkündigung im Sinn hatten, wie sie sich hier in Lesejahr B ergibt.