Im Widerspruch zum Kirchenrecht
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- 08. April 2017
Der an der römischen Rota tätige Kirchenrechtler und Theologe Markus Graulich hat bei der Podiumsdiskussion am letzten Tag der Liturgischen Tagung in Herzogenrath auf eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem geltenden Kirchenrecht und den von der deutschen Bischofskonferenz aufgestellten „Leitlinien“ zur Umsetzung von Summorum Pontificum hingewiesen. Demnach stehen diese kurz nach dem Inkrafttreten von Summorum Pontificum im Herbst 2007 erlassenen Richtlinien in einigen Punkten im Gegensatz zu der Rechtslage, wie sie in der Instruktion Universæ Ecclesiæ vom April 2011 festgelegt worden ist und damit auch in den Bistümern Deutschlands geltendes Recht ist. Die Vorgaben von Universæ Ecclesiæ kennen keine Begrenzung oder Qualifizierung des Teilnehmerkreises für alte Messen, sondern erlauben den Pfarrern die Zelebration im überlieferten Ritus auch dann, wenn eine größere Zahl von Messbesuchern keine Pfarrangehörigen sind. Die Deutsche Bischofskonferenz verlangt demgegenüber für diesen Fall, dass ein Antrag an den Diözesanbischof gestellt werden muss. „Diese Leitlinie geht klar über die Norm hinaus und stellt eine Bedingung auf, welche dem Gesetzestext nicht entspricht und daher keinen rechtlichen Bestand hat“ führte Prof. Graulich dazu aus.
Nun ist die Rechtslage das eine, die im Leben einer Pfarrei praktizierte und praktizierbare Realität das andere. Tatsächlich gibt es nach wie vor relativ wenige Pfarreien, in denen der Ortspfarrer oder ein von ihm dazu beauftragter Kaplan die überlieferte Messe zelebriert. Die in allen Diözesen durchgeführten oder gerade stattfindenden Strukturreformen mit komplizierten Zuständigkeitsregelungen und der damit verbundene Abbau der traditionellen Rechtsstellung der Pfarrer haben die Möglichkeiten der Pfarrer verringert, auf eigene Verantwortung Messen im traditionellen Ritus so in das Leben der Gemeinden zu integrieren, wie Summorum Pontificum das ursprünglich beabsichtigt hat. Der von traditionstreuen Laiengruppen geforderte und oft unter großen eigenen Anstrengungen organisierte Einsatz „pfarrfremder“ (was für eine Vorstellung!) Geistlicher wird vielerorts von den Bischöfen, deren Zustimmung in diesem Fall eingeholt werden muß, nach Kräften behindert.
Diesem in den meisten Diözesen herrschenden Geist der Abgrenzung von der historischen Gestalt der Kirche wird mit einem bloßen Verweis auf die geltende Rechtslage kaum umfassend beizukommen sein. Trotzdem empfiehlt es sich im Konfliktfall, die Instruktion von 2011 aufmerksam zu Rate zu ziehen, um sich Klarheit über die jeweils einzuhaltenden Rechte und Pflichten zu verschaffen und gegebenenfalls deren Umsetzung in Rom einklagen zu können.
Einen ausführlichen Bericht über die Posiumsdiskussion auf der Tagung in Herzogenrath hat Regina Einig in der Tagespost vom 3. April veröffentlicht.