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Erfindung gegen Tradition

Mit dem heute vor 50 Jahren erlassenen Motu Proprio „Sacrum Diaconatus ordinem“ vom 18. Juni 1967 hat Papst Paul VI. den ständigen Diakonat in der lateinischen Kirche (wieder) eingeführt. Fr. Hunwicke hat dazu im vergangenen Monat einiges an Material und Überlegungen zusammengetragen, die hier in den Grundzügen wiedergegeben werden sollen.

In der Hauptsache und für viele überraschend: Der altkirchliche Diakonat war kein selbständiges Amt im Sinne der Fürsorge für die Armen, Kranken und Bedürftigen im Sinne von Diakonie, wie es in der protestantischen Tradition und in Anlehnung daran auch in weiten Teilen der katholischen Kirche heute verstanden wird. Tatsächlich war der Diakonat ein dem Bischof zugeordnetes Dienstamt mit Schwerpunkt im liturgischen Bereich, also bei der Spendung der hl. Kommunion und in der Predigt. Allerdings gehörte es auch zu seinen Aufgaben, dem Bischof die Gemeindemitglieder zu benennen, die besonderer Fürsorge bedurften – diese Fürsorge selbst oblag dann wiederum dem Bischof.

Mit dieser Interpretation, die sich auf Arbeiten des Liturgiehistorikers John Collins stützt, steht Fr. Hunwicke nicht nur quer zum aktuellen Verständnis, sondern auch zu Passagen in der Apostelgeschichte (Kap. 5 und 6), die den Fürsorge-Aspekt in den Vordergrund zu stellen scheint. Dem stellt Hunwicke den Bezug auf die alten Weihegebet des Diakonats entgegen, in dem es in der Weihepräfation heißt: „Du hast zur Ehre Deines Namens ein dreifach gegliedertes Amt zu Deinem Dienste eingerichtet. Als Diener Deines Zeltes hast Du die Söhne Levis auserwählt und gabst ihnen Deinen Segen zum ewigen Erbe. Herr, schaue nun mit Wohlgefallen und diese Deine Diener, die wir nun zum Amte des Diakons bestimmen um an Deinem heiligen Altare zu dienen.“ Daraus ergibt sich: Die Diakone sind die christlichen Leviten, sie haben den Auftrag, dem Hohen Priester – also dem Bischof – zu dienen, so wie die Leviten im Judentum den Opferpriestern des Tempels dienten.

Hunwicke bzw. sein Gewährsmann Collins untermauern diese Ansicht mit einem Hinweis auf den 1. Klemensbrief, der ebenso wie die Apostelgeschichte in den 70er Jahren des 1. Jahrhunderts entstanden ist und wo in den Kapiteln 40-44 eine explizite Gleichsetzung der dreifachen Dienstämter der Kirche mit denen des Tempels vorgenommen wird. Offenbar geht also das Weihegebet bis auf diese aller früheste Zeit der Kirche zurück. Tatsächlich – so Collins/Hunwicke – war dieses Verständnis des Diakonenamtes trotz der anders klingenden Ausführungen in der Apostelgeschichte in den frühen Jahrhunderten (zumindest in den aus dieser Zeit erhaltenen Texten) konkurrenzlos.

Unter Berufung auf den bedeutenden anglikanischen Liturgiewissenschaftler Dom Gregory Dix (1901-1952) geht er dann sogar noch einen Schritt weiter: Die Feststellung eines Kanons „neutestamentlicher Schriften“ erfolgte erst im 3. und 4. Jahrhundert. Bis dahin war eine auf die Klemensbriefe gegründete Tradition genau so gewichtig und in der Praxis wirkmächtiger als eine (im übrigen für die frühe Zeit nicht belegte) Berufung auf die Apostelgeschichte: Die geheiligte Tradition der Kirche war schon immer größer als der Umfang des neuen Testaments, und sie bewahrt in einigen liturgischen Texten Elemente, die vor die Kanonisierung des neuen Testamentes zurückreichten. Erst in jüngeren Schichten der Weihegebete tauchen Bezüge zu den Diakonoi der Apostelgeschichte und insbesondere zum hl. Stephanus auf – doch nicht wegen der Fürsorge für die Armen, sondern wegen des keuschen Lebenswandels. Erst in der nachkonziliaren Fassung des Novus Ordo wurde diese Bezüge dann auch in die Weihegebete aufgenommen. Das erfolgte nicht nur ohne jede Berufung auf eine – in dieser Sache auch gar nicht vorhandene – ältere Form, sondern auch entgegen den Aussagen des Katechismus, der in Abschnitt 1541 den Bezug auf das Aaronitische Priestertum des alten Testaments herstellt und in Abschnitt 1569 davon spricht, daß die Diakone dem Bischof zugeordnet sind.

Nicht ohne Genugtuung stellt der aus der anglikanischen Tradition kommende Fr. Hunwicke fest, daß die Weihegebete des Prayer Book Ordinal die ursprüngliche Gewichtung nach dem Wortlaut der römischen Tradition beibehalten haben: „Es kommt dem Amt des Diakons zu, in der Kirche, der er zugewiesen wird, dem Priester beim Gottesdienst zur Hand zu gehen, insbesondere bei der Spendung der heiligen Kommunion“.

Hier die Links zu dem in 5 einzelnen Beiträgen veröffentlichten Artikel von Fr. Hunwicke: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5.

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