Bereichsnavigation Themen:

„Summorum Pontificum“ vor dem Ende?

Bild: www.roma-antiqua.deDie früher katholische, heute mehr dem „Eine-Welt-Kult“ folgende französische Publikation „LaCroix“ hat zum Jahrestag von Summorum-Pontificum einen Artikel veröffentlicht, in dem sie darüber spekuliert, der Papst erwäge die Abschaffung der darin getroffenen Regelungen zur Freigabe der überlieferten Liturgie. Daß LaCroix sich das wünscht, und daß dieser Wunsch von starken Kräften im Weltepiskopat und auch im Umfeld von Franziskus geteilt wird, steht außer Zweifel. Entsprechende Gerüchte kursieren in Rom schon seit längerem – bisher waren sie jedoch stets mit der Einschränkung verbunden, ein derartiger Schritt sei erst mit dem Ableben von Franziskus‘ Vorgänger Benedikt zu erwarten, weil Franziskus das offene Abrücken von Benedikt scheue. Zumal Liturgisches eher am Rande seiner Interessen steht.

Die neue Version des Gerüchtes verbindet nun diesen angeblich geplanten Schritt mit der – ebenfalls noch im Gerüchtestadium stehenden – Wiedereingliederung der Piusbruderschaft. Diese Wiedereingliederung soll, wie es weitgehend glaubwürdig heißt, im Rahmen der Errichtung einer Personalprälatur erfolgen – und diese Personalprälatur werde – da beginnt das neueste Gerücht – in Zukunft als einzige Einrichtung der Kirche berechtigt sein, die Liturgie nach den Büchern von 1962 zu feiern. Die bisher im Rahmen von Ecclesia Dei operierenden voll mit Rom verbundenen Gemeinschaften des alten Ritus müssten sich dieser Prälatur anschließen – oder sich zumindest bereit erklären, auch Pfarrseelsorge im Novus Ordo zu übernehmen. Dabei sollen sie an die am jeweiligen Einsatzort geltenden Gebräuche gebunden sein, Handkommunion und Messdienerinnen inklusive.

Von dieser Stelle an werden die ohnehin reichlich wolkigen Gerüchte noch nebulöser. Das betrifft sowohl das künftige Schicksal der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften als auch die Rechtstellung des katholischen Klerus insgesamt. Nach „Summorum Pontificum“ haben sämtliche Priester der lateinischen Kirche das Recht, auf eigenen Wunsch oder auf Verlangen von Gläubigen und ohne weitere Erlaubnis gemäß der überlieferten Liturgie zu zelebrieren, da diese ein wertvoller Bestandteil des Erbes der ganzen Kirche darstellt. In einigen Varianten des Gerücht heißt es nun, diese Rechtslage solle gänzlich revidiert werden. Die Praktizierung der alten Liturgie führe zu Spaltungen in den Gemeinden und müsse deshalb für den allgemeinen Bereich der Kirche tatsächlich verboten werden. Nach anderen Überlegungen sollen Priester in Sonderfällen, in denen das „aus pastoralen Gründen“ geboten erscheint, mit einer besonderen bischöflichen Beauftragung oder Erlaubnis die alte Liturgie in der vom Ortsbischof angeordneten Form feiern dürfen.

Hinsichtlich der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, die alle als „Gesellschaften Päpstlichen Rechts“ verfaßt sind, gehen die Spekulationen in zwei Richtungen. Die eine erwartet die Auflösung dieser Gemeinschaften, verbunden mit der Empfehlung an ihre Angehörigen, sich entweder dem Diözesanklerus oder einer mit der Personalprälatur gleichgesetzten Piusbruderschaft anzuschließen. Die andere Richtung erwartet, daß eine künftige Personalprälatur nur das Dach für mehrere Orden und Gemeinschaften des alten Ritus bilden solle, innerhalb derer die „Traditionalisten“ dann ihrem Schicksal weitgehend selbst überlassen blieben – soweit sie den Mopdernisten nicht in die Quere kommen. Die Piusbruderschaft hätte in beiden Fällen die Vormachtanstellung in dieser Struktur – genau darin sehen die Befürworter dieser Variante das Lockmittel, das der FSSPX eine derartige Lösung schmackhaft machen soll.

Abgesehen davon, daß durchaus ungewiß ist, ob die Piusbruderschaft diesen Köder schluckt: Unter normalen Bedingungen wäre offensichtlich, daß alle diese Varianten so große theologische und rechtliche Probleme aufwerfen, daß eine Realisierung nicht in Frage käme. In einem Pontifikat, in dem theologische und rechtliche Aspekte gegenüber machtpolitischen bestenfalls sekundär sind, sieht das anders aus. Da werden solche Dinge per Diktat entschieden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Kardinal Müller kurz vor seiner Entlassung noch einmal versuchte, die Rückkehr der Piusbruderschaft von bestimmten theologischen Klärungen (von denen man inhaltlich halten mag, was man wolle) abhängig zu machen. Es ist auch bekannt geworden, daß er die Deutsche Bischofskonferenz darin bestärkt hat, keinen Gebrauch von der päpstlichen Erlaubnis zu machen, Trauungen vor Priestern der Bruderschaft zu ermöglichen. Ob Müller hier aus Gegnerschaft zur Bruderschaft oder Abneigung gegen spontane und nicht zu Ende gedachte „ordres de mufti“ gehandelt hat, bleibt unklar. In jedem Fall könnten solche Franziskus lästigen Querschüsse mit ein Motiv für seine Entlassung gewesen sein.

Der neue Vorsitzende der Glaubenskongregation wird weder willens noch im Stande sein, Franziskus daran zu hindern, der Piusbruderschaft eine Personalprälatur anzubieten. Eine vermeintlich „pragmatische“ Lösung, die sich über die theologischen und rechtlichen Probleme hinwegsetzt, würde allerdings nichts daran ändern, daß jede Lösung, die die überlieferte Liturgie alleine auf diese „Institutionalisierte Piusbruderschaft“ begrenzen wollte, zahllose praktische Fragen hervorrufen müsste. Was wird aus den in der angelsächsischen Welt zahlreichen Gemeinden, deren Seelsorge ganz bewuißt Ecclesia-Dei-Gemeinschaften übertragen worden ist? Soll es eine Doppelstruktur nach Art von Rituskirchen geben? Also ein Nebeneinander von modernem und überliefertem Ritus in unterschiedlichen Jurisdiktionen – so wie das z.B. überall da der Fall ist, wo Ostkirchen ihre eigene Struktur neben der römischen Diözesangliederung haben?

Bei den Ostkirchen gibt es strenge Regelungen der Zugehörigkeit, die sich zumeist an der Taufe orientieren. Wie sollen künftig Katholiken, die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhalten wollen, der Personalprälatur zugeordnet werden?  Eine solche Prälatur führt keine Personenregister, weil sie strenggenommen keine Laien als Mitglieder hat. Und warum spricht überhaupt niemand von einer „Personaladministration“ nach dem Vorbild von Campos oder einem „Personalordinariat“ nach dem Vorbild von „Anglicanorum Coetibus“ – diese haben nämlich ihre eigenen Personenregister, Mitgliederverzeichnisse und Zugehörigkeitsregelungen. Wie könnte man Mitglied einer Gemeinde der Prälatur werden? Wie sähe es mit der Finanzierung aus? Wären die Gläubigen, die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhalten, doppelt abgabenpflichtig – einmal über die Wohngemeinde, und dann dort, wo sie die „seelsorgerlichen Dienstleistungen“ der Prälatur in Anspruch nehmen? Wie würde sich ganz generell das Verhältnis zu den Ortsbischöfen gestalten? Wäre Errichtung oder Fortexistenz von Niederlassung von einer Genehmigung des Ortsordinarius abhängig? Viele Fragen - keine Antworten.

Jeder Versuch, die überlieferte Liturgie aus der „normalen“ Seelsorge völlig herauszuhalten und den Gläubigen den Zugang zu erschweren oder ganz zu verwehren, um die Tradition in einer eigenen Struktur quasi unter Quarantäne zu stellen, würde Spaltungen hervorrufen, denen gegenüber bisherige Reibereien zwischen Anhängern der Überlieferung und Vertretern der Reformkirche wie ein Kinderspiel anmuten. Aber vielleicht ist genau das die Absicht.

Zusätzliche Informationen