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Radikale Antwort auf den Säkularismus

Bild: Emanuele Capoferri via New Liturgical MovementEiner der Redner auf der Konferenz 10 Jahre Summorum Pontificum in der vergangenen Woche (s. auch hier) in Rom war Erzbischof Guido Pozzo, Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei. Sein Vortrag ist am vergangenen Donnerstag in englischer Übersetzung vollständig auf New Liturgical Movement veröffentlicht worden. Wir bringen daraus einen zusamenfassenden Überblick mit einigen besonders aussagekräftigen Passagen als Zitate.

Zu Beginn seines Vortrags brachte der Erzbischof einen Rückblick auf die Entwicklung der vergangenen 10 Jahre in Zahlen. Danach gab es 2007 in Frankreich 104 regelmäßige Sonntagsmessen in der überlieferten Liturgie, heute sind es 221 allein im Bereich der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Rechnet man – wie der Erzbischof es tat – auch die der Piusbruderschaft dazu, sind es 430. In den Vereinigten Staaten waren es 2007 230 Messen, heute sind es 480 – und dabei sind die bei der Piusbruderschaft und in den in USA relativ zahlreichen „unabhängigen Gemeinden“ nicht mitgezählt. In anderen Ländern sind die Zahlen deutlich geringer, der prozentuale Anstieg aber durchaus vergleichbar. In Deutschland zählt der Erzbischof heute 54 Sonntagsmessen gegenüber 35 im Jahr 2007, in England sind es 40 gegenüber 18 und in Italien 56 gegenüber 30. Der prozentual größte Anstieg bei niedriger Ausgangsbasis entfällt auf Polen, wo die Zahl der Messorte von 5 auf 40 angestiegen ist.

Gegenüber der großen Zahl regulärer Gemeinden sind das nach wie vor bescheidene Werte. Zur Erklärung verwies Erzbischof Pozzo darauf, daß es in vielen Bistümern keine für die Zelebration der überlieferten Liturgie geeigneten Priester gibt und daß nach wie vor ideologische Vorbehalte gegen die Umsetzung von Summorum Pontificum stark sind. Dem von vielen Bischöfen gebrachten Argument, die Tradis schlössen sich in ihren Zirkeln gegen das Leben der Ortskirche ab, das wolle man nicht noch durch eigene Messen fördern, setzt Pozzo die Ermahnung entgegen, Leben und Gottesdienst der Ortskirche entsprechend dem allgemeinen Recht der Kirche zu gestalten. Ebenso kritisierte er, daß in den meisten Priesterseminaren die überlieferte Liturgie nicht oder so gut wie nicht vorkommt.

Als besondere Stärke der Gruppierungen, die die überlieferte Liturgie feiern, hob Erzbischof Pozzo die Tatsache hervor, daß diesen Gruppen viele jüngere Leute und Kinder angehören: Von Nostalgie könne gar keine Rede sein.

Diese Leute orientieren sich nicht an der Vergangenheit, sondern sie bringen ihren Willen zum Ausdruck, ihr geistiges Leben an etwas Überzeitliches zu binden, an den Schatz der Gnade, wie er im liturgischen Erbe der Tradition enthalten ist. Und weil dieses Erbe überzeitlich ist, auch in seiner liturgischen Form, gehört es stets zur Gegenwart.“

Als eine weitere Stärke benannte der Erzbischof die hohe Zahl der Priesterberufungen in den Instituten, die seiner Kommission unterstellt sind.

In unerwarteter Ausführlichkeit ging Erzbischof Pozzo auf die Hintergründe der Auseinandersetzungen ein, die um das rechte Verständnis und die Umsetzung von Summorum Pontificum geführt werden. Er sagte:

Das sollte uns keinesfalls überraschen, denn diese Probleme sind Teil eines größeren Zusammenhangs und betreffen das allgemeine Verständnis des zweiten Vatikanischen Konzils, wie es sich durch die Aufnahme und Anwendung der Lehren des Konzils und der Weise seiner Wahrnehmung ausgebreitet hat. Diese allgemeine Verständnis basiert auf einem Bruch und einer Abwendung von der Tradition sowie von der Integrität und Fülle des Katholischen Glaubens, wie er durch das beständige Lehramt überliefert worden ist. Andererseits müssen wir anerkennen, daß in den Jahren seit dem Erlass von Summorum Pontificum viele Schwierigkeiten überwunden wurden und es auf Seiten der Bischöfe und des Klerus im Allgemeinen eine günstigere Einstellung gegenüber denen gibt, die die außerordentliche Form der Römischen Liturgie bevorzugen.“

Nach einem Bekenntnis zur „gegenseitigen Bereicherung“ beider Formen des römischen Ritus, in die die reformierte Liturgie das Verständnis für eine „berechtigte theologische und liturgische Entwicklung in Kontinuität und Treue zur Tradition“ einbringen könne, stellte Erzbischof Pozzo die Frage, wie es denn dazu kommen konnte, daß die von Papst Paul VI. doch „in Kontinuität mit der Tradition angeordnete“ liturgische Reform diese Erwartungen nicht erfüllt hat:

Wir können und müssen uns fragen: Was sind die Ursachen dieser Verdunkelung des Sakralen, die die Liturgie der Kirche nach der Reform überwältigt hat und die viele Katholiken dazu trieb, die Antwort auf das ununterdrückbare Verlangen des Menschen nach Gott und dem Geheimnis anderweitig außerhalb der Kirche zu suchen?

Die Antwort darauf erfolgt in indirekter Form nach einem Zitat aus dem Begleitbrief Papst Benedikts zu Summorum Pontificum, in dem der damalige Papst seine Hoffnung aussprache, daß die Zelebration der überlieferten Liturgie helfen könne, den reformierten Ritus sakraler zu zelebrieren.

Hier sind wir beim Kernpunkt der Diskussionen über die traditionelle und die reformierte Liturgie. Die Wiedereinsetzung des Vetus Ordo, sein großes Potential sollte darin gesehen werden, daß er ein Gegenmittel bietet zu der willkürlichen Kreativität in der Liturgie, die das Mysterium austreibt und zu den beunruhigenden Tendenzen, die das Wesen der Eucharistie als Opfer im Namen eines falschen Begriffs von Verständlichkeit und Zugänglichkeit des Sakraments zurückdrängen.

Auf der anderen Seite ist es ebenso wichtig, sicherzustellen, daß die überlieferte Liturgie nicht als Ein Element der Irritation oder als Bedrohung der Einheit der Kirche erscheint, sondern als ein Geschenk im Dienste des Aufbaus des Leibes Christi. Das kostbare Erbe der überlieferten Liturgie darf daher nicht allein an der Vergangenheit festgemacht werden, sondern muß auch der Gegenwart und der Zukunft zugänglich sein. … Damit ist auch nicht ausgeschlossen, daß es zukünftig zu einer Konvergenz in einer einzigen Form kommen könnte. Das würde dann jedoch Ergebnis eines Wachstumsprozesses innerhalb der Kirche und keine bürokratische oder juristische Anordnung von oben sein.“

Zum Abschluss befasst sich Erzbischof Pozzo mit der populären Gegenüberstellung von vor- und nachkonziliar, die er im Sinne einer „Hermeneutik der Kontinuität und Reform“ für unangebracht erklärt. Dabei besteht er darauf, daß das Liturgieverständnis der Kirche sich nach dem 2. vatikanischen Konzil in keiner Weise geändert habe und daß die Liturgie, so wie es auch der Katechiumus von 1992 (in Nr. 1069) aussagt, niemals das Tun einer konkret versammelten Gemeinde, sondern immer das Werk des in seiner Kirche wirkenden einzigen Hohenpriesters Christus ist.

Die Liturgie nach dem überlieferten Ritus gemahnt uns, durch das Schweigen, durch die vielfachen Kniebeugen, durch ihre Ehrfurcht an die unendliche Entfernung, die zwischen Himmel und Erde liegt. Sie erinnert uns darn, daß unser Horizont nicht der der Erde, sondern der des Himmels ist, daß nichts möglich ist ohne das Opfer Christi, und daß das übernatürliche Leben ein Mysterium ist. Das bedeutet nicht, den überlieferten -Ritus in eine Konkurrenz zum reformierten Missale zu bringen. Es geht eher darum, zu verstehen, daß die wiederhergestellte Freiheit zur Feier nach den alten Büchern eine weitere Barriere gegen den Vormarsch des Säkularismus darstellt und gegen einen Begriff von Gesellschaft, der die Gemeinschaft überhöht und die Wirklichkeit des ganzen Christus, Haupt und Leib, unkenntlich macht. Daher können wir sagen, daß der alte römische Ritus eine radikale Antwort auf die Herausforderungen der Säkularisierung und des Laizismus, auf den anti-christlichen und soziologischen Humanismus unserer Zeit darstellt.“

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