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Die Vigil zu Allerheiligen

Bild Ausschnitt aus einer russischen IkoneDie Nacht auf dem 1. November, gehört heute in allen „fortschrittlichen westlichen Ländern“ dem Hexenspuk von Halloween, der zwar nicht ganz so ernst gemeint ist wie die kommerzialisierte Ausbeutung dieses „Festtages“ mit Kinderparties und schrottigen Kostümen, aber mancherorts doch seltsame esoterische Sumpffblüten treibt. Es ist allgemein bekannt, daß Halloween eine neuheidnische Umdeutung des „All Hallows Even“, des Abends vor Allerheiligen ist. Und dieser Abend war, wie der Vorabend bzw. der ganze Tag vor vielen großen Festen, seit dem Hohen Mittelalter, Vigiltag – Tag der Vorbereitung auf das bevorstehende Fest. Diese Vigiltage waren mit einem strengen Fastengebot belegt, und an ihrem Abend fand das Abendgebet der Kirche zumindest an Bischofskirchen und in Klöstern in besonders feierlicher Form statt, um die Domherren, die klösterliche Gemeinschaft oder auch die ganze Stadtgemeinde auf den kommenden Festtag einzustimmen. Wie so vieles ist diese Vigil längst aus dem liturgischen Leben der Kirche verschwunden. Wer weiß, vielleicht ist auch erst dadurch die Leerstelle entstanden, in der sich seit einigen Jahrzehnten Halloween mit zunehmender Aggressivität breit macht.

Diese Leerstelle hat sich allerdings nicht wie so viele andere erst mit der Liturgiereform von 1979 geöffnet, sie geht bereits auf die liturgischen Reformen im Pontifikat von Papst Pius XII. zurück. Hauptstück dieser Reform war die Neuordnung der Oster- und Karwochenliturgie des Jahres 1955, die nicht nur einige im Lauf der Jahrhunderte eingerissenen Bequemlichkeiten und Mißbräuche beseitigt, sondern auch einige höchst kritikwürdige „Modernisiserungen im Geist der Pastoral“ mit sich gebracht hatte. Quasi als Nachtrag zu dieser Reform wurde durch das Dekret „Cum Nostra“ ab 1956 auch eine erste Reform der Rubriken des Breviers und des Missales angeordnet, die mit bedeutenden Eingriffen in das Kalendarium verbunden war. In diesem Zusammenhang wurde die im Lauf der Jahrhunderte tatsächlich über Gebühr erhöhte Zahl der Vigiltage drastisch reduziert, und dabei wurde auch die Vigil des Allerheiligentages abgeschafft.

Damit wurde auch das Messformular der Allerheiligenvigil überflüssig, das in seinen Gebeten und Lesungen den Weg zur Heiligkeit, dessen Anstrengungen wie auch den schließlichen Lohn, vor Augen stellt. Wie so oft in der überlieferten Liturgie gelingt es der Oratio des Tagesgebetes, das, worum es geht, in einem kurzen Satz prägnant zur Sprache zu bringen:

Herr unser Gott, laß Deine Gnade in noch reicherer Fülle auf uns herabkommen und laß uns durch ein heiliges Leben jenen in die ewige Freude nachfolgen, zu deren glorreichem Fest wir die Vorfeier begehen.

Ein leichter Weg ist diese Nachfolge nicht, macht die Communio im Zitat aus dem Buch der Weisheit des Alten Testamentes deutlich:

Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand; der Bösen Folterwerkzeug kann sie nicht erreichen; Sterbende waren sie dem Auge der Toren: Sie aber weilen im Frieden.

Immerhin: Der gleiche Text ist noch im Offertorium des Allerheiligentages erhalten geblieben.

Die Postcommunio zieht dann, wie man das oft in dem von überaus lebenspraktischen Lateinern ersonnenen Gebeten der tradierten Liturgie beobachten kann, die konkrete Nutzanwendung aus der heiligen Feier:

Herr, wir haben die freudvollen Geheimnisse der ersehnten Festfeier vollzogen und bitten Dich nun, laß jene, zu deren Andenken sie dargebracht werden, mit ihren Gebeten uns zur Hilfe kommen.

Dem Glanz der triumphierenden Kirche gehen die Mühen der streitenden und für die Meisten wohl auch die Schmerzen der leidenden Kirche voraus. Mit der Vigil zum Allerheiligenfest ist eine Gelegenheit verloren gegangen, diesen Zusammenhang ins Gedächtnis zu rufen.

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