Alte Liturgie am Passionssonntag
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- 17. März 2018
Da der Passionssonntag das Eingangstor zur Leidenszeit des Herrn bildet und seine Liturgie seit alters her einige Besonderheiten aufweist, gibt es für diesen Sonntag bei den Liturgikern des hohen Mittelalters ausführlichere Beschreibungen als sonst üblich. Aus dem 5. Buch des Liber de Divinis Officiis des Rupert von Deutz (um 1070-1129) wissen wir daher, daß das Proprium dieses Sonntages fast auf den Punkt genau ebenso aussah wie nach dem Missale Romanum von 1962, das heute für die Feier der hl. Messe im überlieferten Ritus verbindlich ist. Natürlich wissen so etwas auch die Religionspädagogen und Liturgiewissenschaftler, die gerne vom im 16. Jahrhundert entstandenen Ritus von Trient faseln. Sie geben sich dadurch als Ideologen oder Propagandisten zu erkennen, denen es um Wissen und Wissenschaft zuletzt geht.
Rupert von Deutz nennt für den Introitus den Psalm 42, der damals möglicherweise noch ganz gesungen wurde – heute sind nur noch die Verse 1 und 2 vorgeschrieben. Das Evangelium war damals die Stelle aus dem 8. Kapitel des hl Johannes, nach der Jesus die Anhänger der Pharisäer durch seinen Anspruch, die Verkörperung der Wahrheit zu sein, so reizte, daß „sie Steine auf, um nach ihm zu werfen. Jesus aber verbarg sich und ging weg aus dem Tempel“. Eben diese Stelle (Joh. 8, 46-59), die Auskunft darüber gibt, warum sich die Wut dieser herrschenden Fraktion der Juden gegen Jesus richtete, wird heute noch in der überlieferten Liturgie gelesen.
Die Epistel läßt sich anhand des von Rupert als Kernsatz zitierten Verses ebenso genau bestimmten: „Der Apostel sagt: ‚Christus ist gekommen als der Hohepriester der künfigen Güter und durch das erhabene und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist, in das Heiligtum hineingegangen‘“ Das stammt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Hebräer (9,11), dessen Abschnitte 11-15 die Lesung im überlieferten Missale bilden. Sogar das Graduale, von dem Rupert nur einen Vers angibt, stimmt offenbar mit dem aus dem „tridentinischen“ Messbuch überein: „O Herr, errette mich von meinen Feinden, lehr Deinen Willen mich vollbringen. (Psalm 42, 9 und 10). Ebenso der Traktus „Sie feindeten gar oft mich an von Jugend auf...“ aus dem Psalm 128 1-4. Die gleiche Übereinstimmung gilt für Offertorium und Communio. Nicht erwähnt sind bei Rupert Secreta und Postcommunio, die zwar ebenfalls zu den seit früher Zeit gebräuchlichen Gebeten der hl. Messe gehören, aber nach Ort und Zeit flexibler gehandhabt wurden.
Dafür ist noch eine bemerkenswerte Übereinstimmung im Bereich der Rubriken zu erwähnen. Die Ferialtage vom Passionssonntag bis zum Gründonnerstag weisen als Besonderheit auf, daß im Staffelgebet der am Passionssonntag zum Introitus gebetete Psalm Judica entfällt und zum Gebetsasbschluß in Messe und Stundengebet nicht das sonst übliche Gloria Patri gebetet wird. Auch diese Regelung wird bereits bei Rupert von Deutz als „bei einigen Gemeinschaften gebräuchlich“ erwähnt und in den Grundtenor des „er verbarg sich und ging weg aus dem Tempel“ eingeordnet:
Denn dieser Vesikel, wiewohl er nur kurz ist, stellt in besonderem Maße einen ausdrücklichen und der heiligen Dreifaltigkeit eigentümlichen Lobpreis dar und weist so durch sein Verstummen auf die Verlassenheit und das Verstummen unseres Hauptes hin, das nicht mehr öffentlich umhergeht.