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Vorsicht vor „pastoralen Anpassungen“

Bild: New Liturgical MovementWie im Mai hier berichtet, zelebrierte in diesem Jahr Kardinal Robert Sarah das feierliche Pontifikalamt zum Abschluß der Wallfahrt der Tradition von Paris nach Chartres. Wer unseren Bericht gelesen oder den langen Film aufmerksam angesehen hat, ist möglicherweise darüber gestolpert, daß „die Lesungen nach der in Frankreich vielfach gebräuchlichen Weise zum Volk hin und direkt in französischer Sprache vorgetragen“ wurden. Eine andere Abweichung von der nach dem Zeremoniale der Bischöfe für 1962 vorgeschriebenen Form wäre darin zu sehen, daß der Kardinal bereits in den Messgewändern einzog und auch auf den Gebrauch der Pontifikalhandschuhe verzichtete.

Peter Kwasniewski hat dazu gestern auf New Liturgical Movement einen ernsten Aufruf an alle traditionsfreundlichen Priester und Bischöfe veröffentlicht, auf „pastorale Anpassungen“ in der Feier der Liturgie zu verzichten. Besonderen Anstoß nimmt er an der Verlesung von Epistel und Evangelium, die jeweils ad populum und in der Volkssprache erfolgte. Zu Recht zitiert er die Ausführungsbestimmungen Universae Ecclesia zu Summorum Pontificum, die in Abschnitt 26 festlegen, daß der unmittelbare Vortrag allein in der Volkssprache nur in stillen Messen zulässig ist. Daran schließt er an:

Diese Verletzung der Rubriken war zweifellos als „pastorale Anpassung“ intendiert. Dennoch ist sie ein gutes Beispiel für Praktiken, die wir auf jeden Fall vermeiden sollten. Viele der schlimmsten Verirrungen und Entstellungen in den 60er Jahren, als die überlieferte Liturgie so schrecklich gefoltert und zerrissen wurde, und das darauf folgende neue Missale Paul des VI. hatten ihre Ursprünge exakt in solchen gut gemeinten „pastoralen Erwägungen“.

Mindestens ebenso wichtig wie dieser Hinweis auf die rechtliche Situation erscheint Kwasniewskis Darstellung des theologischen und spirituellen Hintergrundes der unterschiedlichen Lesungspraktiken in der überlieferten und in der reformierten Liturgie. Er schreibt dazu:

Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied im Verständnis der Lesungen zwischen der Theologie des überlieferten Ritus und der des modernen Ritus Pauls VI. Die Lesungen bei der hl. Messe haben nicht nur den Charakter einer Unterweisung oder eines Lehrvortrags. Sie sind integrales Element des einheitlichen Verehrungsaktes, der Gott im heiligen Messopfer dargebracht wird. Die Zelebranten tragen das Wort Gottes in Anwesenheit seines Urhebers als Teil der logike latreia, der gebührenden Verehrung, vor, die wir unserem Schöpfer und Erlöser schulden. Diese Worte sind eine Vergegenwärtigung des Bundes mit Gott, eine Repräsentation ihrer Bedeutung in dem sakramentalen Zusammenhang, für den sie bestimmt sind und eine dankbare und demütige Rezitation vor dem Angesicht Gottes jener Wahrheiten, die er zu uns gesprochen hat, und der Verheißungen, die er uns gemacht hat – nachgerade eine in Worte gefasste Form des Weihrauchs, zu dem wir unsere Worte nach seinem Gebot mit dem Offertoriumsgesang erheben: Ich sinne nach über Deine Gebote, die mir stets teuer sind, und ich erhebe meine Hände zu Deinem Befehl, der mit lieb ist.

Die gesungen vorgetragene lateinische Lesung ist in erster Linie Ausdruck der anbetenden Liebe zu Gott und erst danach die Weitergabe von Wissen und Weisung an sein Volk. Die Form, in der das geschieht, sollte dieser Priorität gerecht werden. In der überlieferten Liturgie kommt Gott immer und überall die erste Stelle zu. Nichtsd geschieht „nur“ für das Volk. Die hl. Kommunion, die doch so unverkennbar zum Wohle des Volkes Gottes bestimmt ist, wird in anbetender Haltung, mit Fürsorge und Liebe, verehrt. Sie wird ausschließlich von gesalbten Händen auf die Zunge der niederknieenden Gläubigen ausgeteilt, mit einer schützenden Patene oder einem Tuch zum Schutz. So richten sich alle Augen auf den Herrn, und räumen ihm den ersten Platz zu, wie es ihm zukommt – und genauso sollten wir es auch mit dem Vortrag des göttlichen Wortes halten, in dem wir eine symbolische Repräsentanz des Wortes Gottes, der Dritten Person, erblicken, das unsere Seelen nährt und bereitet zur Vorbereitung auf die Teilnahme am Tisch des allerheiligsten Sakraments.

Das ist eine völlig zutreffende und wunderbar formulierte Aussage zu dem, worum es beim Vortrag der Lesungen in der heiligen Liturgie wirklich geht. Und dennoch zögern wir etwas, uns vorbehaltlos dem Urteil Kwasniewskis anzuschließen, der im Vortrag dieser Lesungen in der Volkssprache den Rationalismus und Utilitarismus der Synode von Pistoia am Werk sieht und das in Chartre – wie vielerorts in Frankreich – praktizierte Verfahren in schroffen Worten als „Mißbrauch“ ablehnt.

Die in Chartres durch Youtube weltweit sichtbar gemachte Fehlentwicklung – darin, daß es sich um eine solche handelt, stimmen wir Kwasniewski gerne zu – ist schließlich nicht im Mai 2018 vom Himmel gefallen, sondern hat eine über viele Jahrzehnte zurückreichende Vorgeschichte. Zu dieser Vorgeschichte gehören nicht nur der „Geist von Pistoia“ und dessen Nachfahre im „Geist des Konzils“, sondern auch ein zwei Jahrzehnte lang praktizierter Schlingerkurs der Kommission Ecclesia Dei. Sie hatte es den ihrer Leitung anvertrauten Priestern und Gemeinden, die den alten Ritus praktizierten, erlaubt und teilweise sogar nahegelegt, solche lokal oft schon seit Jahrzehnten praktizierten „Modernisierungsformen“ zu verwenden. Ob aus echtem „pastoralem Impetus“, oder um eine Angleichung der beiden Riten in die Wege zu leiten, bleibt ungewiss. Erst seit dem Erlass von Summorum Pontificum vor 11 Jahren gilt der begrüßenswerte Grundsatz, keinerlei Mischformen zu praktizieren. Ihn tatsächlich und überall zur Geltung zu bringen, wird wohl noch eine Weile dauern.

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