„Hunc praeclarum calicem“
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- 25. Oktober 2018
Das Wandlungsgebet des römischen Canons enthält kurz vor den Wandlungsworten über den Kelch ein ungewöhnliches Demonstrativpronomen: „Simili modo postquam cenatum est accipiens et hunc praeclarum calicem in sanctas et venerabiles manus suas....In gleicher Weise nahm Er nach dem Mahle auch diesen wunderbaren Kelch in Seine heiligen und ehrwürdigen Hände...“ Zum Verständnis bietet sich eine Erklärung an, nach dem dieser Kelch immer und zu jeder Zeit ebenso der gleiche ist, wie das verwandelte Blut des Herrn immer und zu jeder das gleiche ist. Ein Problem muß daraus nicht entstehen – und dennoch bleibt es auffällig, daß das demonstrative hunc beim vorangehenden Gebet über das Brot, wo es nach dem gleichen Gedanken ebenfalls seinen Platz haben könnte, nicht gesprochen wird.
Ein Artikel von Michael Hesemann zur Geschichte des in der Kathedrale von Valencia aufbewahrten „Santo Caliz“ bietet dazu noch einen anderen Erklärungsansatz. Der Santo Caliz bzw. dessen obere Achatschale ist nach verbreiteter Ansicht tatsächlich der Kelch, den Jesus beim letzten Abendmahl im Obergemach zu Jerusalem in seinen heiligen und ehrwürdigen Händen hielt – der Heilige Gral des Mittelalters. Naturwissenschaftliche und kunsthistorische Untersuchungen des 20. Jahhrunderts sprechen nicht dagegen: Die Achatschale stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum und wird um die Zeit von Christi Geburt datiert.
Einen zweifelsfreien Provenienzbericht dazu gibt es freilich nicht, die spanische Überlieferung reicht nicht vor das 7. Jahrhundert zurück, für die Zeit davor gibt es nur Legenden: Petrus habe die wertvolle Reliquie nach Rom gebracht, und in der Christenverfolgung des 3. Jahrhunderts sei sie vom Diakon Laurentius des Papstes Sixtus II. In dessen iberische Heimat in Sicherheit gebracht worden. Bis zu dieser Zeit jedoch, so Hesemann, könne die Achatschale – der Fuß aus Onyx und die goldenen Verbindungsglieder kamen erst später dazu – sehr wohl der Zelebrationskelch der Päpste gewesen sein – das demonstrative „hunc“ des römischen Kanons bekäme damit eine zunächst ganz und gar wörtliche Bedeutung. Die Nachfolger des Petrus hätten zu ihrer Messfeier den selben Kelch benutzt wie einst Christus selbst.
Indirekt wäre das, wenn nicht eine Bestätigung, so doch ein zusätzliches Argument für das hohe Alter der zentralen Gebetestexte des römischen Kanons. Die drei modernen Hochgebete enthalten übrigens das „hunc“ nicht – sie sind eben nicht nur modern, sondern neigen auch auf vielfältige Weise zum Modernismus.
Die Kirche hat die Überlieferung, die im Santo Caliz den Kelch des Abendmahls sieht, nie bestätigt – wie könnte sie das. Sie widerspricht ihr aber auch nicht, ganz im Gegenteil. Als Spanien 1959 die 1700-Jahr-Feier der Ankunft der Reliquie auf ihrem Boden beging, zeichnete Papst Johannes XXIII. den Festtag mit einem besonderen Ablaß aus. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben es sich bei ihren Besuchen in Valencia nicht nehmen lassen, auch ihrerseits als Nachfolger Petri den Santo Caliz zur Zelebration zu verwenden.
Regulär wird der Santo Caliz derzeit in einer eigenen Kapelle der Kathedrale von Valencia aufbewahrt. Zweimal im Jahr wird er zur feierlichen Zelebration von seinem prachtvoll verzierten goldenen Ständer geholt: Am Gründonnerstag und am Fest des heiligen Kelches, das dort am letzten Donnerstag im Oktober – also heute – gefeiert wird.