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Die Liturgie aller Heiligen

Bild: Wikimedia, gemeinfreiDie liturgischen Texte des Festes Allerheiligen stehen ganz im Zeichen des Bildes, das die „Geheime Offenbarung“ des Johannes vom ewigen Gottesdienst der Engel und der Heiligen im himmlischen Jerusalem zeichnet. Einem Mönch des frühen 20. Jahrhunderts verdanken wir die folgende Schilderung dessen, wie sich diese Liturgie im Leben seines Klosters widerspiegelte:

Es beginnt ein langes ZitatKeine Vesper des ganzen Jahres machte auf mich einen so tiefen Eindruck als die zweite Vesper von Allerheiligen mit der sich anschließenden Totenvesper von Allerseelen. Da ward der Altar geziert mit den kunstvollen Reliquiarien. Die Heiligen selbst waren anwesend in ihren heiligen Gebeinen auf dem Altar, der da Christus bedeutet. Der Altar war in seine Festtagsgewänder gehüllt, in ein goldenes Antependium, in schneeweiße Linnen. Auf ihm brannten in sechs goldenen Leuchtern die sechs mächtigen Kerzen. Auf der Rückwand erglänzte das Lamm der geheimen Offenbarung. Am Thron saß als Stellvertreter des ewigen Vaters der Abt im golddurchwirkten Pluviale. Um ihn saßen „die Ältesten“ des Klosters in den weißen liturgischen Kleidern, während unten im Chor die vier Kantores den Vespergesang leiteten, gekleidet in prächtige Pluviale, und der Mönchschor einstimmte in die himmlischen Melodien. In der weiten Abteikirche stand oder saß „die Schar der Gläubigen, die niemand zählen konnte, aus allen Volksschichten“. Und über allem flötete und jauchzte und jubilierte die majestätische Orgel. Es war eine Stunde himmlischer Freude.

Kaum war das festliche „Benedicamus Domino“ verklungen, nahte sich der Rauchfaßträger mit acht Fackelträgern dem Altar. Die vier Kantores bestiegen den Altar und nahmen ehrfürchtig die Reliquien und verließen, beglkeitet von den flammenden Fackeln, die Kirche. Die Seeligen des Himmels zogen wieder heim in die himmlische Heimat, die sie nur auf einige Augenblicke verlassen hatten, um mit ihren Brüdern und Schwestern das Allerheiligenfest zu feiern. Der Hohepriester mit seinem vornehmen Dienst schloß sich dem Zug der heiligen Reliquien an. Symbolisch verließ auch Gottvater mit den Ältesten die Erde. Die ganze ehrwürdige Prozession war eingehüllt in den Weihrauchdurft, von dem der apokalyptische Seher schreibt, daß er sei „das Gebet der Heiligen“ (Geh. Offb. 5,8). Nur der Gottessohn blieb auf dem Altar in dem Kreuzbild. Die Lichter erlöschen. Die Orgel seufzt in klagenden Tönen. Schwarzgekleidete Mönche breiten einen schwarzen Teppich vor dem Altar aus. Gelbrote Kerzen flammen auf. Priester in schwarzen Rauchmänteln treten an den Altar und beginnen den Klagesgesang des Fegefeuers. „Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen“. Der Allerheiligenjubel ist verstummt, die armen Seelen klagen.“

Autor dieses Textes im expressionistischen Tonfall der 1920er Jahre ist kein anderer als Pius Parsch – einer der prominentesten Vertreter der klassischen „liturgischen Bewegung“, die von den Liturgiereformern der 50er und 60er Jahre mißbräuchlich als Vorläufer und Begründer ihres Zerstörungswerks in Anspruch genommen wird. Unser Zitat kommt aus dem 3. Band (S. 627) des Klosterneuburger Liturgiekalenders, der unter dem Titel „Das Jahr des Heils“ in über 10 Auflagen erschienen ist. Die Bände waren in den 20er und 30er Jahren ein beliebtes Geschenk zur Erstkommunion oder Firmung und sind im Antiquariatshandel immer wieder in guten Ausgaben zu günstigen Preisen zu bekommen.

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