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Ein Hochamt im Usus von Sarum

Bild: New Liturgical Movement http://www.newliturgicalmovement.org/2006/09/sarum-use-at-merton.htmlWährend die meisten im Netz verfügbaren vortridentinischen Messbücher im Rubrikenapparat römisch-knapp gehalten sind, gibt es vom Usus von Sarum wissenschaftliche Ausgaben des Ordinariums aus dem 19. Jahrhundert mit ausführlichen Rubriken, die ein lebendiges Bild vom Reichtum dieser Liturgie vermitteln. Wir beschreiben hier zunächst den äußeren Ablauf eines levitierten Hochamtes, wie es im ausgehenden Mittelalter in einer größeren Stifts- oder Abteikirche im Umfeld von Sallisbury gefeiert wurde. Unsere Quelle sind eine PDF-Reproversion von „The ancient liturgy of the Church of England, according tp the uses of Sarum, Bangor, York & Hereford and the modern Roman liturgy arranged in parallel culumns von Maskell, William, 1814?-1890  und eine leichter lesbare, leider mit vielen Lesefehlern durchsetzte HTML-Webversion.

Die Rubriken beschreiben eine typische Konventsmesse, die nahtlos in das vormittägliche Chorgebet einer Abtei oder eines Kanonikerstiftes eingebettet ist. D.h. das Hochamt schließt unmittelbar an die Sext an und wird seinerseits von der Non gefolgt. Je nach Personalbestand konnten während der ganzen Zeit auch noch „Privatmessen“ an den Nebenaltären stattfinden. Als Ort der Handlung ist hier ein langgestreckter Chorraum mit voll besetztem Chorgestühl auf beiden Seiten vorausgesetzt. Bei den Sängern des Chores ist wohl weniger an eine besondere Schola zu denken, sondern den Chor übernehmen die im Chorraum versammelten Mönche oder Chorherren des Konvents. Unsere Beschreibung gilt zunächst nur den äußeren Abläufen – auf die Gebete und ihre Übereinstimmungen bzw. Abweichungen zum allgemeinen römischen Ritus soll ein weiterer Beitrag eingehen.

Zum Anlegen der Gewänder betet der Zelebrant in der Sakristei den Hymnus „Veni Creator Spirutus“ und anschließend auf dem Weg zum Altar den Psalm Judica (42) und ein Ave Maria/Paternoster; der Chor singt unterdessen den Introitus. Dem Zelebranten gehen in der Prozession neben den Leviten auch noch Akolythen und Thurifere als „eigene Altardiener“ voraus, wie zur Unterscheidung von den bereits am Altar befindlichen Diensten der Sext angemerkt wird. Unmittelbar nach der Ankunft am Altar holt einer der Kerzenträger „Brot, Wein und Wasser“ für die Konsekration und ein anderer Wasserbecken und Tücher für die Händewaschung. Das dient, soweit ersichtlich, lediglich der Zurüstung des bis dahin allein zur Sext genutzten Altarraumes für die Messfeier und bedeutet nicht, daß auch die Gabenbereitung zeitlich vorgezogen wird, wie das in einigen Ordensriten der Fall ist.

Anschließend (oder auch während dessen) erfolgt eine sehr kurzes wechselseitiges Sündenbekenntnis mit dem jeweiligen Gebet um Vergebung, das von der dem Priester zukommenden Absolutionsformel abgeschlossen wird. Wenn ein Bischof anwesend ist, kommt es diesem zu, Konfiteor und Absolution zu sprechen, und zwar auch dann, wenn er nicht selbst die Messe zelebriert. Im Anschluß an Konfiteor und Absolution tauschen Zelebrant, Diakon und Subdiakon einen ersten Friedenskuss aus. Die Akolythen (ceroferarii) stellen ihre Kerzen an den Stufen des Altars ab, und der Priester steigt die Stufen zum Altar hinauf und betet das „Aufer an nobis...“. Er küsst den Altar und nach einem Kreuzzeichen/In nomine Patris erfolgt die erste Inzensierung des Altars mit ähnlichen Gebeten und Gesten wie im allgemeinen lateinischen Ritus. Danach stimmt der Zelebrant in der Mitte des Altars das Gloria an, das er mit dem Altardienst auf der rechten Seite des Altares still zu Ende betet. Wenn sie damit fertig sind, begeben er und der gesamte Altardienst – Kerzenträger und Weihrauch eingeschlossen – sich für den Fortgang des Glorias in Prozession zu den Sedilien.

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Erst nach dem Gloria wendet sich der Zelebrant zum ersten Mal mit einem Dominus vobiscum dem Volk zu – die Antwort kommt jedoch von den Klerikern des Chores. Danach wendet er sich wieder zum Altar und beginnt mit den Tagesgebeten, die durch Kommemorationen auch in größerer Zahl auftreten können – aber nicht mehr als sieben, wie ausdrücklich bestimmt wird. Die Rubriken geben hier und an anderen Stellen genau an, wo Diakon und Subdiakon währenddessen stehen sowie wann und wie sie sich verbeugen – von daher erscheint eine Rekonstruktion der äußeren Abläufe durchaus möglich.
Zu Beginn der letzten Oration begibt sich der Subdiakon „durch die Mitte des Chores“ zum Lesepult/oder Kanzel, das am anderen Ende des Chorgestühls an (oder auf) der Abgrenzung (Lettner=lectorium) zum öffentlichen Kirchenraum steht. In den Bußzeiten und an bestimmten Tagen wird es jedoch „von den Stufen des Chores“ (vor dem Lettner?) vorgetragen. Während er die Epistel vorträgt, kommen zwei in superpelliceum gewandete Chorknaben ebenfalls „zu den Stufen des Chores“, um dort das Graduale und je nachdem noch Alleluja, Tractus oder eine Sequenz zu singen.

Danach erfolgt der Vortrag des Evangeliums durch den Diakon mit Prozession, Kerzen und Weihrauch sowie Segnung durch den Priester ganz wie im allgemeinen römischen Ritus. Auch hier erfolgt der Vortrag von Lesepult/Kanzel an der Vorderseite des Chores aus. Das Evangeliar wird in Prozession zum Altar zurück gebracht, wo der Zelebrant die Seite mit der vorgetragenen Textstelle küsst und anschließend in der Mitte des Altares das Niceanische Glaubensbekenntnis anstimmt. Während des Gesangs des Credo wenden sich die Kleriker des Chores dem Altar zu und machen an vier Stellen eine Verbeugung: Beim Et incarnatus est, dann bei Et homo factus est und crucifixus etiam pro nobis und schließlich bei Et vitam venturi saeculi - keine Kniebeuge.

Mit einem Dominus Vobiscum beginnt dann die Opferung. Der Priester spricht das Offertorium, und der Diakon bringt den Kelch und die Patene mit dem Brot zum Altar. Die Darbietung der Gaben erfolgt wie im allgemeinen lateinischen Ritus und mit ähnlichen Gebeten getrennt für Wein und Brot, danach werden die Gaben inzensiert und anschließend (vom Thurifer) der Priester selbst und (von einem der Akolythen) die Kleriker im Chorgestühl. Es folgt an der rechten Seite des Altars die Händewaschung, die lediglich von einem kurzen Gebet ohne die Verse aus Psalm 25 (Lavabo inter innocentes...) begleitet wird. Das alles sieht sehr römisch aus, ist jedoch deutlich kürzer, es gibt auch keine besondere Anrufung des heiligen Geistes wie das vielfach als Epiklese gedeutete „Veni Sanctificator“. Beim „Orate Fratres“ ist (wie in zahlreichen anderen Lokalriten auch) eine weitere liturgiegeschichtlich interessante Abweichung gegenüber Rom feststellbar:

ORATE, fratres et sorores, pro me, ut meum pariterque vestrum acceptum sit Domino Deo nostro sacrificium. Das wird vom Zelebranten leise gesprochen, und die Antwort kommt „privatim“ von den Klerikern des Chores und nicht etwa vom Volk, das mit diesem Wortlaut in einer früheren Epoche direkt angesprochen gewesen sein mag.

Der Priester spricht dann still die Secret – oder mehrere, entsprechend der Zahl der Tagesgebete. Ganz ähnlich wie nach der römischen Gewohnheit erfolgt während dessen die Übergabe der Patene an den Subdiakon, die dieser bis zum Paternoster abseits des Altares verhüllt in Händen hält.

Nun beginnen die Präfation und das Hochgebet, das von minimalen Abweichungen abgesehen – darauf wird noch einzugehen sein – vollständig dem Canon Romanus entspricht, und zwar im Wortlaut ebenso wie in der Gestik. Interessant ist eine Rubrik zu den Wandlungsworten, die vorschreibt, daß diese „in einem Atemzug und in einheitlicher Tonlage“ zu sprechen seien. Also nicht als „Einsetzungsbericht“ zur Erbauung der Mitfeiernden, sondern als nachgerade instrumentale Wiedergabe dieser Worte im stellvertretenden Zwiegespräch des Erlösers mit dem himmlischen Vater.

Nach dem Kanon treten nach dem Agnus Dei und bei der Kommunion des Zelebranten wieder deutlichere Unterschiede zum römischen Gebrauch auf. Der (zweite!) Friedenskuß kommt nach dem Agnus Dei, erst danach erfolgt die Brotbrechung. Die Gebete vor der Kommunion sind zwar sinnähnlich, aber im Wortlaut und Tenor doch sehr verschieden – auch darauf wird noch einzugehen sein. Für den Umgang mit Kelch und Patene auf dem Altar machen die Rubriken detaillierte Vorgaben, die sich teilweise von den römischen unterscheiden. Im visuellen Ablauf der Zelebration sind diese Unterschiede allerdings kaum wahrnehmbar.

Ein spezieller Ort oder Zeitpunkt für die Kommunion der Gläubigen ist nicht vorgesehen. Sie findet wie bis weit in die Neuzeit hinein üblich außerhalb und neben der Messe statt – wenn sie während einer Konventsmesse überhaupt ausgeteilt wird. Unmittelbar nach seiner Kommunion schreitet der Zelebrant zur rechten Seite des Altars zur ersten Ablution der Finger über dem Kelch, es folgt eine zweite Spülung der Finger im Kelch, nach der der Priester den Inhalt austrinkt und schließlich eine dritte Händewaschung. Dann faltet der Diakon das Korporale zusammen und erhebt den Kelch zu den Lippen des Priesters, damit der auch letzte Reste austrinkt – eine besondere Reinigung/Trocknung mit einem Tuch ist anscheinend nicht vorgesehen.

Anschließend beten Priester und Leviten gemeinsam (?) die Communio. Nach dem zum Volk gesprochenen Dominus vobiscum folgt die Postcommunio – oder mehrere – und nach einem weiteren Dominus vobiscum verabschiedet der Diakon die Gläubigen mit Ite Missa est – zum Chor und Kirchenschiff – oder Benedicamus Domino bzw. Requiescant in Pace – zum Altar gewandt. Der Priester betet dann noch in der Mitte des Altars das „Placeat tibi“ und schließt die Messe mit dem Kreuzzeichen. Beim Auszug, der in der gleichen Ordnung erfolgt wie der Einzug, betet der Priester still den Prolog des Johannesevangeliums und dann in der Sakristei die vorgesehenen Gebete mit dem Lobgesang der Jünglinge im Feuerofen. Bereits während des Auszugs von Zelebrant und Altardienst nehmen die Kleriker im Chor mit der Non das Stundengebet wieder auf.

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Die drei Vortragekreuze, die auch auf dem einleitend gezeigten Bild zu sehen sind, gelten gemeinhin als besonderes Kennzeichen der Prozessionen im Usus von Sarum. Sie werden in den hier vorliegenden Rubriken allerdings - ebenso wie  andere Einzelheiten zum „niederen“ Altardienst - nicht erwähnt.

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