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Missa in Tempore Mortalitatis

Bild: Aus dem genannten Beitrag auf www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2862333/Am 1. März begann in einem hierzulande weniger bekannten Kloster die alljährlich begangene Buß-Novene – tatsächlich dauert sie dort volle 14 Tage - zur Vergebung der Sünden und zur Abwendung der Sündenfolgen, unter denen die Menschheit stöhnt und leidet. Die Mönche gehen mit der Zeit: In diesem Jahr beten sie unter großer öffentlicher Anteilnahme für das Ende der Corona-Epidemie. Sechs mal im Laufe eines Tages versammeln sie sich zur Rezitation von Gesängen aus den heiligen Schriften; Höhepunkt des täglichen Gebetes ist eine nächtliche Lichter-Prozession, bei der die Mönche mit über 6 Meter langen Fackeln über die Außen-Empore ihrer Versammlungshalle ziehen.

Denkmalschutz und Feuerwehr betrachten die Zeremonie mit Argwohn: Die Halle in reiner Holzbauweise gehört zum weitläufigen Komplex eines Weltkulturerbes, das auf das 8. Jahrhundert zurückgeht. Sie ist Bestandteil des Todai-ji Tempels im japanischen Nara, der in einer anderen Halle die größte aus Metall gefertigte Buddha-Statue des Landes beherbergt. Bericht und Bilder zur Veranstaltung aus der japanischen Tagespresse hier in englischer Sprache.

Unterdessen überlegen katholische Bischöfe in aller Welt, ob Kirchen wegen Ansteckungsgefahr geschlossen oder zumindest Gottesdienste abgesagt werden sollen. (Hier ein Beispiel aus Italien). Dort hat sogar eine Stadtverwaltung – auf Anzeige besorgter Bürger – ein Strafverfahren gegen einen Priester eingeleitet, der es gewagt hat, Gläubige zu seiner Messfeier zuzulassen. Die Mundkommunion – die freilich in der Praxis außerhalb der traditionstreuen Gemeinden kaum noch vorkommt – ist in einigen Diözesen „sicherheitshalber“ untersagt worden – ein sowohl kirchenrechtlich als auch in Hinblick auf die Sinnhaftigkeit durchaus zweifelhafter Vorgang. All das ist übrigens durchaus keine Premiere: Als 1918 die sog. „Spanische Grippe“ nach Ende des 1. Weltkriegs Epidemien in vielen Ländern auslöste, wurden in amerikanischen Großstädten bereits ganz ähnliche Maßnahmen getroffen.

Hier geht es weiterDas war damals in gewissem Sinn eine revolutionäre Neuerung, für die es in den hoch verdichteten Städten mit niedrigen hygienischen Standards freilich auch gute Gründe gab. Anderswo – in Europa ebenso wie in den USA – versammelten sich die Menschen wie in den Jahrhunderten zuvor angesichts der Notlage zu Sühneandachten und Bittnovenen in ihren Kirchen, um Gottes Hilfe gegen die Seuche zu erflehen. Das Bewußtsein dafür, daß der Mensch nicht alleine Herr seines Schicksals ist, und daß er in all seinem Handeln gut beraten ist, auch eine höhere Macht in Rechnung zu stellen, war weit verbreitet. Tatsächlich gab es sogar Petitionen von Bürgern an ihre Regierungen, die darum baten, landesweite Buß- und Betwochen auszurufen.  Zeugnis einer Gedankenwelt, der man sich heute in den Ländern des ehemals christlichen Westens nur von Ferne zu nähern braucht, um Kopfschütteln und wütende Abwehr hervor zu rufen: Als der amerikanische Vizepräsident Pence ein Treffen von Fachleuten zur Besprechung von Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie mit einem kurzen Gebet einleitete (s. Bild oben), löste das im Internet Hohn und Spott aus, und „aufgeklärte Kreise“ beschuldigten ihn, als „christlicher Extremist“ vor lauter Frömmigkeit sachgerechte Maßnahmen zu sabotieren.

Katholiken, die an der überlieferten Lehre und Liturgie der Kirche festhalten, werden sich vor kurzschlüssigen Rückführungen der Seuche auf ein göttliches Strafgericht hüten – aber sie wissen auch, daß es letzten Endes der Herr ist, der die Geschicke der Erde und der Menschen bestimmt, und daß unsere an ihn gerichteten Bitten und Gebete nicht ohne Wirkung bleiben. Das überlieferte römische Messbuch in der Fassung von 1962 enthält denn auch wie viele seiner Vorgänger eine Votivmesse zur Abwehr ansteckender Krankheit. Im Missale Pauls VI. ist diese Messe offenbar nicht mehr enthalten – dennoch erscheinen ihr Texte auch heute noch überaus aktuell.

Im Introitus heißt es in Anlehnung an eine Stelle aus dem 2. Buch der Könige: O Herr, gedenke Deines Bundes und sprich zu dem Engel, der uns schlägt: Nunmehr mag ruhen deine Hand, das Land soll nicht veröden, noch sollst du töten jedes Lebewesen. Und das Tagesgebet enthält den gerade jetzt in der Fastenzeit überaus passenden Aufruf: O Gott, Du willst nicht den Tod des Sünders, sondern seine Buße; sieh gnädig auf das Volk, das zu Dir zurückkehrt, und da es Dir in Treue dient, so nimm voll Milde von ihm die Geißel Deines Zornes.

Ob die Gebete der Mönche von Nara „Spuren der Wahrheit“ ausdrücken, wie sie nach Lumen Gentium (16) auch in anderen Religionen vorkommen, ob sie auf dämonische Täuschung zurückgehen oder ob sie nur noch sinnentleerte Folklore sind – wer wollte und müsste das von hier aus entscheiden. Kein Katholik wird sie nachahmen wollen, denn daß die Missa in Tempore Mortalitis, wie sie im Messbuch der überlieferten Liturgie enthalten ist, nicht schwache Spur, sondern Ausdruck der Wahrheit selbst ist, steht außer Zweifel. Umso erstaunlicher, daß davon in dieser Zeit, in der die Angst vor dem Virus so viele Menschen und auch die Kirche so mächtig ergreift, praktisch nirgendwo die Rede ist.

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