Ordo Missae V: Credo in Unum Deum
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- 10. Oktober 2020
Wie das Gloria ist das Glaubensbekenntnis erst relativ spät in den Ordo der hl. Messe des römischen Ritus aufgenommen worden - wie es heißt auf Drängen von Kaiser Heinrich II., der bei einem Besuch in Rom 1014 das ihm aus fränkischem Brauch vertraute Glaubensbekenntnis in den Messen des Papstes vermißte. Zur Erklärung soll man ihm damals gesagt haben, anders als die Kirchen an den Rändern sei die Kirche Roms niemals von Irrlehren betroffen gewesen, so daß es einen besonderen Glaubensbekenntnisses nicht bedurft habe...
Wahrscheinlicher erscheint uns freilich eine andere Erklärung: Die römische Messliturgie – auch die zuweilen sehr reichhaltige Liturgie des päpstlichen Hofes – ist wie alle Kapitelsliturgien in enger Verbindung mit dem Stundengebet zu sehen. Und im römischen Stundengebet, das mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis beginnt, steht am Morgen jeden Tages seit alters her vor der Prim noch einmal das große Glaubensbekenntnis, das sehr umfangreiche „Quicumque Vult“, das auf den hl. Athanasius zurückgeführt wird. Von daher war es durchaus verständlich, daß das Glaubensbekenntnis in der Messfeier nicht noch ein weiteres Mal wiederholt wurde und sich tatsächlich auch nach der kaiserlichen Intervention nicht auf alle Messen ausbreitete, sondern auf die feierlichen Messen an Sonntagen und hohen Festen beschränkt blieb.
Während im Stundengebet meistens das athanasische Glaubensbekenntnis gebetet wurde, verwandt die Kirche in ihrer Taufliturgie seit frühester Zeit vorzugsweise das ihr mit der östlichen Tradition gemeinsame nikäno-konstantinopolische Bekenntnis, und in dieser Form wurde es wohl auch im 11. Jahrhundert in den Ordo Missae übernommen. Im Novus Ordo kann statt dessen auch das kürzere wohl auf gallo-römische Wurzeln zurückgehende apostolische Glaubensbekenntnis verwandt werden.
Ein Vergleich dieser drei Formen hinsichtlich ihres Umfangs beziehungsweise vermeintlicher Auslassungen ist müßig: Alle drei sind vollgültiger Ausdruck des katholischen Glaubens, und etwaige Unterschiede erklären sich aus der konkreten Situation ihrer historischen Entstehung bzw. Verwendung. Das athanasische Glaubensbekenntnis wird allgemein auf eine lehrbuchhafte und besonders um Vollständigkeit bemühte Tradition des Mönchtums zurückgeführt, das nikäno-konstantinopolische ist geprägt von den dogmatischen Auseinandersetzungen um die Trinität, die ihrerseits in der apostolischen Form aus dem Westen weniger prominenten Ausdruck gefunden haben. Soweit die Ausbreitung des Credo in der hl. Messe historisch faßbar ist, erfolgte sie tatsächlich in der nikäno-konstantinopolischen Form und primär in den Gebieten, in denen die dogmatischen Auseinandersetzungen besonders heftig waren.
Die Funktion des Credo gleich in welcher der kanonischen Formen ist stets die, den im vorangehenden feierlichen Vortrag des Evangeliums verkündeten Glauben durch das Bekenntnis der Gemeinde zu der von der Kirche vorgegebenen Interpretation der hl. Schrift zu bekräftigen. Stärker als das Gloria, das vom Zelebranten ausgeht und zunächst wohl nur von diesem bzw. der Schola vorgetragen wurde, ist das Credo, nachdem es vom Priester angestimmt worden ist, Gesang der ganzen Gemeinde – so die übereinstimmende Angabe in Meßerklärungen und Verordnungen des 9. Jahrhundert.
Zusammen bilden Gloria und Credo, die in der ältesten Ordnung des römischen Ritus noch nicht vorgesehen waren, eine überaus passende Klammer um den Lesungsteil – ein gutes Beispiel dafür, was „organische Entwicklung“ hervorbringen kann, wenn sie nicht per Komitee und von oben herab verordnet wird, sondern aus der gottesdienstlichen Praxis glaubenstreuer Gemeinden und Zelebranten hervorgeht.