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Schönheit und Stärke der Liturgie

Kopie des Genter Altarbildes der Brüder van Eyck im Berliner Bode Museum, eig. Aufnahme.Vielleicht kommt es ja von dem „Dienst“ im Wort Gottesdienst, vielleicht auch von dem zentralen Gedanken des Opfers, daß der Aspekt der Schönheit der Liturgie in unseren Gottesdiensten allzuoft an den Rand geschoben oder ganz verdrängt wird. Und das nicht nur im Novus Ordo, dessen mißverstandene „edle Schlichtheit“ viel zur Säkularisierung der Kirche und ihres geistigen Lebens beigetragen hat. Auch in Gemeinden der Tradition steht die Betonung der Schönheit der Liturgie gelegentlich unter dem Verdacht, Ausdruck überkommener Prachtentfaltung fürstbischöflicher Zeiten zu sein, der nicht mehr in die Gegenwart passt.

Zur Abwehr solcher Tendenzen kann die Tradition sich zumindest auf das seit 1500 Jahren gebrauchte Kanongebet „Unde et memores“ stützen, das in drei Begriffen beschreibt, worum es bei der Messfeier der Diener, aber auch des heiligen Volkes Gottes geht: Um das Gedächtnis des heilbringenden Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen Himmelfahrt Christi, der nun auf ewig zur Rechten des Vaters sitzt und im Glanz des himmlischen Jerusalem die Hochzeitsfeier mit seiner Kirche begeht. Einen Abglanz dieser Feier hat der Seher der Apokalypse eindrucksvoll beschrieben, und Künstler wie die Brüder van Eyck haben in ihrem Genter Altarbild versucht, einen Abglanz dieses Abglanzes wiederzugeben. Wer glaubt, dem Wesen dieser Feier mit der geschäftigen Nüchternheit einer Gemeindeversammlung, in einer aufgegebenen Fabrikhalle oder im nachempfundenen Elend einer Favela am besten gerecht werden zu können, hat einige wichtige Dinge nicht verstanden.

Auch ein Begriff von der überlieferten Liturgie, der diese am liebsten auf die „stille Messe“ reduzieren wollte, hätte Wesentliches nicht verstanden. Hier geht es weiter Zwar hat jede hl.Messe im Rahmen der „Heilsökonomie“ den gleichen Stellenwert, aber ihre Fähigkeit, Herz und Verstand der Menschen anzusprechen und aufnahmebereit zu machen für die göttliche Gnade, ist in den verschiedenen Formen ebenfalls verschieden. Die stille Messe kann vor allem die ansprechen, die bereits eine Ahnung vom Geheimnis des Messopfers und dem darin stattfindenden „wunderbaren Tausch“ erworben haben, den die Liturgie in vielen Texten anspricht – am deutlichsten vielleicht in der Oration „O admirabile commercium“ von der 2. Vesper zum Fest der Beschneidung des Herrn.

Wer noch nicht so weit ist oder dem, was die Messfeier bedeutet, völlig fremd gegenübersteht, ist auf äußere Hilfen angewiesen, auf Bilder, Msuik und auf Zeremonien, die ihm eine Ahnung davon vermitteln, daß es bei dieser Feier nicht nur um etwas Wichtiges geht, sondern um das, was im Zentrum des Lebens und der Hoffnungen der Menschen steht, die zu dieser Feier versammelt sind. Daß sich dort der Himmel und die Erde berühren.

Deshalb ist die Grundform des lateinischen Ritus auch nicht die „stille Messe“, wie man das bei einem oberflächlichen Blick ins Missale Pius V. vermuten könnte, sondern das levitierte Hochamt – und das wiederum ist, wenn der Ausdruck gestattet ist, eine „Schrumpfform“ des Pontifikalamts. Die ältere Kirche kannte nicht ein Pfarreienwesen, wie sich das im Ausgang des Mittelalters in der Fläche ausbreitete, und die „gottesdienstliche Grundversorgung“ der Gläubigen erfolgte nach anderen Maßstäben und in anderen Strukturen als wir das seit einigen Jahrhunderten für selbstverständlich halten. Zentrum des kirchlichen Lebens waren die Bischofssitze, die Abteien und die Städte mit Klöstern, Chorherrenstiften und angeschlossenen Chorschulen. Dort gab es an gut ausgebildeten (und meist auch frommen) Klerikern keinen Mangel, und zumindest die Sonntagsgottesdienste wurden in der Vollform des Ritus begangen. Das war oft nicht nur das sog. „Drei-Herren-Amt“ des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sondern eine an entsprechenden Passagen aus der Geheimen Offenbarung orientierte im guten Sinne „theatralische“ Zelebration – in Lyon z.B. mit (zusätzlich zum Erzbischof) 6 konzelebrierenden Priestern, 7 Diakonen und ebenso vielen Subdiakonen und Akolythen.

Als die Gesandten des Großfürsten Wladimir im 10 Jahrhundert Byzanz besuchten und die göttliche Liturgie in der Hagia Sophia erlebten, berichteten sie bei der Rückkehr, sie hätten nicht mehr gewußt, ob sie sich noch auf der Erde oder schon im Himmel befänden – und genau so sollte (und soll auch heute noch) die Liturgie wirken, nicht als einziges, aber als eines ihrer Ziele. In Rom, das damals eher dunkle Zeiten durchlebte (im 10. Jahrhundert gab es 27. Päpste), hätten sie das vermutlich nicht so erleben können, eher schon an einem der Bischofssitze Norditaliens oder in einer Abtei in Burgund.

Es ist nicht zu bestreiten, daß in dieser Zeit – bei Griechen ebenso wie bei Lateinern – auch viele weltliche Elemente in den Ritus einwanderten und nicht alle so „zur höheren Ehre Gottes“ transformiert wurden, wie das wünschenswert erscheinen mag. In einer historischen Epoche, in der – zumindest im Weltbild – der Gegensatz zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft sowie dem Königtum Christi nicht so unversöhnlich war wie heute, konnte das kaum anders sein. Heute ermöglicht oder erleichtert es gerade die historische Prägung der liturgischer Formen der überlieferten Liturgie, die darin ausgedrückte Hinwendung zur Übernatur wahrzunehmen und den Blick auf die Sphäre des Göttlichen zu richten. Das ist jedenfalls leichter, als den Jesuiten in Rollkragenpullover und Schnürsenkelstola, der im Ring eines Stuhlkreises an einem kaum wahrnehmbaren Altärchen mit seinem japanischen Teegeschirr „zelebriert“, von einem x-beliebigen Coach einer x-beliebigen Therapierunde zu unterscheiden. Nicht in der Optik, nicht in den vorgetragenen Texten.

Die äußeren Umstände vieler traditionsorientierter Gemeinden und natürlich der Priestermangel sind einer vermehrten Zelebration in einer der Vollformen des lateinischen Ritus nicht günstig. Trotzdem ist es ein lohnendes Ziel, genau das ins Auge zu fassen. Die Teilnahme an einer solchen Liturgie eröffnet den Einzelnen neue Wahrnehmungen und Einsichten. Sie konfrontiert „Anfänger“ oder gar „Fremde“ mit einer geistigen Welt, deren Vorhandensein sie bisher bestenfalls geahnt haben, und sie verlangt den Gemeinden eine Kraftanstrengung ab, die eine schlaffe Konsumentenhaltung, wie sie sich hier und da im 2. Jahrzehnt von Summorum Pontificum einzustellen scheint, gar nicht erst aufkommen läßt.

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