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Und jetzt Kardinal Burke

Bild: Wikimedia CommonsUnter dem Datum vom 22. 7. hat S.E. Raymond Kardinal Burke auf seiner eigenen Website eine ausführliche Stellungnahme zum Erlaß Traditionis Custodes von Papst Franziskus veröffentlicht, die auf Deutsch beim Beiboot Petri nachzulesen ist. Wer solche Texte lieber auf Papier liest, findet hier eine lesefreundliche Word-Datei zum Download.

Die Stellungnahme hat zwei Hauptteile, die einerseits die pastoralen und kirchenpolitischen Aspekte (1 - 14) und andererseits die juristische Bewertung (14 - 19) des Dokuments in den Mittelpunkt stellen. Sie ist im Ton respektvoll und gleichzeitig klar und entschieden - insbesondere in der Feststellung, daß der Papst nicht befugt ist, die überlieferte Liturgie als Form der Lex Orandi des römischen Ritus auszuschließen (Abs. 15 + 16). Hier unsere angekündigte geraffte Inhaltsangabe.

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In seiner Einleitung stellt der Kardinal auf Grund von inhaltlichen Unterschieden in der italienischen und der englischen Version zunächst die Frage nach einem authentischen Text (1).

In weiteren Abschnitten wendet er sich der von Franziskus gegebenen Begründung für sein hartes Eingreifen zu: Die Traditionalisten betrieben Kirchenspaltung. (2) Demgegenüber besteht der Kardinal unter Berufung auf seine praktischen Erfahrungen darauf, daß solche Positionen höchstens in kleinen und einflußschwachen Randbereichen der traditionsorientierten Gläubigen vertreten würden. (8, 9, 11). Soweit in dieser Hinsicht tatsächlich echte Mißstände existierten, seien diese individuell auf der jeweils betroffenen Ebene anzugehen und könnten nicht durch ein allgemeines Gesetz pauschal angegangen werden – erst recht nicht in dieser Härte: „Gerechtigkeit ist ist die mindeste und unentbehrliche Voraussetzung des Handelns in Nächstenliebe“. (12) Außerdem kritisiert S.E. Burke die Herausgabe des Edikts ohne vorherige Information und Konsultation der Bischöfe und ohne die übliche Einräumung einer Zeitspanne bis zum Inkrafttreten (3) sowie die rigorosen und unverhälnismäßigen Maßnahmen wie z.B. die Untersagung des überlieferten Ritus und Pfarrkirchen, die letztlich darauf abzielten, den Gebrauch der überlieferten Liturgie vollständig zu unterbinden (4, 5).

Mit besonderem Nachdruck kritisiert Burke die Berufung des Papstes auf jene mysteriöse „Umfrage bei den Bischöfen“, die offenbar nur einen ausgewählten Kreis erfaßt hatte, und verlangt die Offenlegung der wissenschaftliche Methode der Umfrage und ihrer Ergebnisse (6, 7). 

Hier geht es weiterMit dem 10. Punkt wendet sich Kardinal Burke gegen die von Franziskus präsentierte Nachzeichnung und Deutung der Vorgeschichte von Summorum Pontificum. Es sei sowohl Johannes Paul II. als auch Papst Benedikt nie alleine darum gegangen, der FSSPX ein Weg der Rückkehr zu eröffnen, sondern sie hätten stets auch im Auge gehabt, die Kontinuität der Kirche mit ihrer eigenen Vergangenheit zu erhalten und die Schätze der Tradition zu sichern.

Mit Abschnitt (13) wendet sich der Kardinal den pastoralen und psychologischen Aspekten und Erträgen der fortdauernden Feier der überlieferten Liturgie in der Gegenwart zu. Anhand eigener Erfahrungen beschreibt er die vielen guten Früchte, die die Praxis der älteren Form im Leben zahlreicher Gläubiger hervorgebracht hat und betont, daß die in dieser Liturgie verkörperte Spiritualität die Vergangenheit der Kirche und das Leben zahlreicher Heiliger zutiefst geprägt hat: „einge haben ihr Leben hingegeben, um eben diese Form der Heiligen Liturgie zu verteidigen“.

Mit dem das Vorherige zusammenfassenden Abschnitt (14) wendet sich der frühere Präfekt des höchsten Kirchengerichtes den rechtlichen Aspekten des päpstlichen Ediktes zu. Als ersten Punkt nimmt er die Feststellung des Papstes unter die Lupe, die Bücher des Novus Ordo stellten die „einzige Form“ der Lex credendi des römischen Ritus dar. Dem stellt er seine Feststellung entgegen: „ Der usus antiquior (UA) ist eine lebendige Form des römischen Ritus und hat nie aufgehört, es zu sein.“ Dabei hat derKardinal jedenfalls die gesamte faktische Fakten für sich – und befreit sich mit dem durchgängigen Gebrauch des Begriffs „unsus antiquior“ auch von der wenig glücklichen Terminologie von der „forma extraordinaria“.

Dieser UA ist als historisch gewachsene Gestalt der Liturgie seit der Zeit Gregors des Großen der Verfügungsgewalt jedes Papstes entzogen. Denn diese Gewalt ist nicht absolut und unterliegt zahlreichen Begrenzungen – nicht zuletzt durch die Tradition. (15) In diesem Zusammenhang bringt der Kardinal einen Aspekt ins Spiel, der so unseres Wissens noch nicht angesprochen worden ist: Es muß von einem theologischen Standpunkt aus daran erinnert werden, daß jede gültige Form der Zelebration des Sakramentes - durch die bloße Tatsache, daß sie ein Sakrament ist - als Akt des Gottesdienstes  und deshalb - auch als Glaubensbekenntnis - außerhalb jeder kirchlichen Gesetzgebung steht. (16) Hier geht es um eine objektive Realität, die jeder kirchlichen Autorität entzogen ist.

Nach diesem zentralen Argument wendet Kardinal Burke sich in den folgenden Abschnitten noch einigen weiteren Behauptungen zu, mit denen der Papst oder seine Berater versucht haben, ihre Position zu begründen. Er arbeitet in aller Deutlichkeit den Unterschied zwischen der Missale Reform von Papst Pius V. und Papst Paul VI. heraus: Im ersteren Fall wurde eine seit Jahrhunderten bestehende, aber vor allem durch den Angriff des Protestantismus verunklarte und zersplitterte Form wieder hergestellt – „der Ritus blieb gleich“.(18) Im zweiten Fall erfolgte ein radikaler Wandel von Formen, die nicht einfach äußerliche Zutaten sind, sondern „reicher Ausdruck der transzendenten Wirklichkeit“ (18). Dadurch hat sich diese Liturgie in der Praxis tatsächlich vielfach von der tatsächlichen Lehre des zweiten Vatikanums wegentwickelt, so daß alle Päpste seit 1969 auf Gegenmaßnahmen drangen.

Der letzte Abschnitt enthält dann eine weitere Rechtsauskunft, die bisher nirgendwo zu hören war, sie betrifft die rechtlichen Möglichkeiten der neu für die Priestergemeinschaften der alten Liturgie zuständig gemachten Kongregationen. Wörtlich stellt der Kardinal hier fest:  „Die Einhaltung des UA gehört zum Kern des Charismas dieser Institute und Gesellschaften. Während die Kongregation befugt ist, Fragen bezüglich des kanonischen Rechts für solche Institute und Gesellschaften zu beantworten, ist sie nicht befugt, ihr Charisma und ihre Verfassungen zu ändern, um die anscheinend gewünschte Abschaffung des UA in der Kirche zu beschleunigen.“ (19)

Mit dem letztzitierten Satz versucht der Kardinal nicht nur, den Ambitionen der mit Gegnern der überlieferten Liturgie besetzten neu zuständig gemachten Kurienbehörden einen Riegel vorzuschieben´. Mit der Rede von der „anscheinend gewünschten Abschaffung des UA“ unterstellt er dem Dekret und seinen Verfassern auch kaum verhüllt, mit Traditionis Custodes ein Ziel zu verfolgen, das er in den vorhergehenden Abschnitten als illegitim und die Amtsvollmacht des Papstes überschreitend dargestellt hat.

Welche Wirkung diese klaren und auch für Nichtjuristen nachvollziehbaren Ausführungen des Kirchenrechtlers Kardinal Burke in der gegenwärtigen Situation entfalten können, steht dahin. Es ist schon mehrfach deutlich geworden, daß Papst Franziskus sich über das traditionelle und sogar über selbst gesetztes Recht erhaben dünkt. Die durchaus zögerliche Aufnahme, die sein Edikt aber bei vielen, wenn nicht sogar den meisten, Bischöfen gefunden hat, läßt allerdings vermuten, daß sich selbst die Mehrzahl der Bischöfe, die die überlieferte Liturgie aus dem Leben der Kirche verbannen wollen, sich nicht jetzt und nicht unter diesen Bedingungen in eine Auseinandersetzung treiben lassen wollen, bei der sie gegenüber dem status quo wenig zu gewinnen haben.

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