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Neues im Alten Testament

Bild: Eigene AufnahmeAm heutigen Mittwoch beginnen die Quatembertage der Fastenzeit – zum Thema Quatember hatten wir bereits öfter geschrieben, siehe hier. Liturgisch sind die Quatembertage, insbesondere jeweils der Samstag, gekennzeichnet durch eine größere Zahl von bis zu fünf Lesungen, die großenteils aus dem alten Testament entnommen sind. Das Programm dieser Lesungen mit einem starken Akzent auf Umkehr und Buße kann bis auf die Zeit vor Gregor dem Großen zurückgeführt werden.

Schwerpunktthema des Quatembersamstags in der Fastenzeit ist die in zwei Lesungen eingeschärfte Aufforderung, die Gebote und Satzungen des Herrn einzuhalten, dem folgen zwei weitere Lesungen, die den daraus für das Volk Israel und das seit dem Wirken des Erlösers auf die ganze Welt ausgeweitete Gottesvolk hervorgehenden Segen beschreiben. Besonderes Interesse verdient dabei die III. Lesung mit dem Gebet des Nehemia aus dem 1. Kapitel im II. Buch der Makkabäer, Verse 24 – 27. Historisches Setting dieses Gebetes ist die Wieder-Inbesitznahme des Tempelberges durch die Juden nach der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft.

Schon die Quelle dieses Berichtes bezeichnet eine Besonderheit. Die Rückkehr der Juden nach Jerusalem ist ein Ereignis des 5. Jahrhunderts und wird im alten Testament in einiger Ausführlichkeit in den Büchern Esdras behandelt. Besondere Aufmerksamkeit finden der Wiederaufbau der Stadtmauern und die Geldsammlung für die Wiedererrichtung des Tempels. Auch die Wiederaufnahme der regelmäßigen Feste und die feierliche Verpflichtung des Volkes auf die Einhaltung des Gesetzes werden ausführlich geschildert. Diese Schriften oder ihre Quellen sind also zeitnah zu den historischen Ereignissen – aber während die feierliche Einweihung der Stadtmauern groß dargestellt ist, ist von einer zeremoniellen Neuweihe („Reinigung“) des Tempels nicht die Rede

Diese Lücke schließt das II. Buch der Makkabäer.

Hier geht es weiter Die Bücher der Makkabäer sind, wie der Name schon andeutet, wesentlich später entstanden – im ersten oder zweiten Jahrhundert vor Christus. Und nur Makkabäer I ist allgemein als Bestandteil der Heiligen Schrift anerkannt. Makkabäer II wird zwar von der Kirche seit der frühesten Zeit dem Kanon zugerechnet, von den Masoreten und in deren Gefolge auch von Luther und der protestantischen Bibelauslegung jedoch als „apokryph“ betrachtet. Diese Zurückhaltung hat ihre Gründe, und einige davon kann man beim Lesen des Gebetes erkennen, das Nehemia anläßlich der Wiederaufnahme des Opferdienstes im Tempel gesprochen haben soll.

Hier der Text nach der Vulgate und (in Klammern) vervollständigt um die nicht in der Lesung enthaltenen Verse 28 und 29:

Herr und Gott, Schöpfer aller Dinge, Du Furchtbarer und Starker, Gerechter und Barmherziger. Du bist allein der gute König, Du allein der Vortreffliche, Du allein der Gerechte und Allmächtige und Ewige. Du befreiest Israel von allem Übel. Du hast die Väter auserwählt und sie geheiligt: Nimm an das Opfer für Dein ganzes Volk Israel, schirme Dein Eigentum und heilige es, damit die Heiden wissen, daß Du unser Gott bist. (Bestrafe unsere Unterdrücker, die uns in ihrem Übermuth mißhandeln, und befestige Dein Volk an Deinem heiligen Ort, wie es Moses gesagt.)“

Dieser Lobgesang auf den Gott Israels hat eine völlig andere Tonalität als die meisten anderen aus dem Alten Bund überlieferten Gebete. In seinem Zentrum steht nicht wie sonst – gerade auch bei dem Nehemia zugeschriebenen Gebet für die Rückkehr aus dem Exil in Esdras I-1, 5ff – der Bund als Vertragsschluss, als gegenseitige Verpflichtung zwischen Gott und seinem Volk, sondern das freie Gnadenhandeln Gottes an seinem auserwählten Volk. Dieser Gedanke blickt schon weit voraus in das Gottesverständnis des des neuen Bundes, so wie auch der Wortlaut mit den Anrufungen Gottes und dem Lob „solus praestans, solus iustus, et omnipotens et aeternus“ einen Vorausklang der altchristlichen Lobgesänge des Gloria und des Te Deum erahnen läßt.

Nicht nur an dieser Stelle gibt das II. Buch der Makabäer einen Einblick in die vom Geist geführte Entwicklung des Volkes Israel, die schließlich einen nicht unwesentlichen Teil seiner Angehörigen dazu befähigen sollte, die Vollendung der Offenbarung in seinem Messias Jesus aus dem Stamme Davids zu erkennen und anzunehmen. Und es ist zutiefst zu bedauern, daß diese wahrhafte Perle aus dem Schatz der alten Liturgie bei den Modernisierungen des 20. Jahrhunderts, die doch die Schätze der Bibel weiter erschließen sollten, verloren gegangen ist. Oder wollte man sie bewußt verstecken?Neues im Alten Testamens

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