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Liturgie des Quatembersamstags im Advent

Bild: Fresko der Priszilaa-Katakomba, gemeinfreiIn der überlieferten Liturgie sind die Messen der Quatembertage im Advent durch einen außergewöhnlichen Reichtum an Lesungen und Gesängen gekennzeichnet – insbesondere der Quatembersamstag. Während der Mittwoch neben dem Evangelium nur zwei Lesungen hat, sind für diesen Samstag sogar 6 zusätzliche Lesungen vorgesehen. Mit einer Ausnahme sind diese adventlichen Lesungen alle dem Propheten Isaias entnommen – dem großen Künder des kommenden Messias aus der Zeit des 8. Jahrhunderts vor Christi Geburt. Dazu kommt dann am Samstag die Lesung aus der 2. Epistel des hl. Paulus an die Thessalonicher, in der der Apostel die Gemeinde auf die 2. Wiederkunft des Herrn vorbereitet. Zwischen diesen Lesungen erfolgen Psalmengesänge (Graduale) und Fürbitten-ähnliche Orationen, wie am Karfreitag, sie werden auch wie dort mit dem Oremus – flectamus genua – levate eingeleitet.

Diese Leseordnung ist uralt und wurde so oder ähnlich bis zur Liturgiereform in allen Gemeinschaften der lateinischen Kirche praktiziert. Sie findet sich mit geringen Abweichungen bereits im zweiten Buch von Ruperts von Deutz’ De Divinis Officiis aus der Zeit um 1100, und sie ist, wie im folgenden zu zeigen ist, Ausdruck eines Selbstverständnisses der Kirche, das weit in ihre vorchristliche Vorgeschichte zurückreicht. Vielleicht war sie deshalb den Reformen, die doch behaupteten, den Reichtum der Schrift tiefer erschließen wollen, unerträglich.

Die Messe des Quatembersamstages im Advent ist von allen Adventsmessen diejenige, die Israels Erwartung des Herrn als Erlöser am stärksten zum Ausdruck bringt. Sie ist am tiefsten von allen Liturgien in der Tradition des auserwählten Volkes verankert. Gleichzeitig macht die Auswahl aus den Prophetien des Isaias schon von der ersten Lesung an deutlich, daß der Messias zwar aus dem Volk Israel hervorgeht, sein Erlösungswerk jedoch allen Menschen auf der ganzen Erde zugute kommen soll: Alle, die ihm folgen, werden zu den neuen Auserwählten, dem neuen Israel, gehören:

Ja, erkennen werden die Ägypter (= Heiden) den Herrn an diesem Tag und ihn Ehren mit Opfern und Gaben. Gelübde werden sie dem Herrn ablegen und erfüllen. So wird der Herr Ägypten mit Unglück schlagen und dann heilen. Sie werden sich zum Herrn bekehren, und versöhnen wird sich mit ihnen und sie Heilen der Herr unser Gott. (I. Lesung, Is. 19)

Hier geht es weiter Auch die zweite Lesung hat die ganze gefallene Schöpfung im Blick:

Freuen wird sich die öde, unwegsame Wüste, und blühen wie eine Lilie. Sie wird sprossen und grünen und frohlocken in Freude und Jubel... Sie werden schauen die Herrlichkeit des Herrn und die Schönheit unseres Gottes. (Is. 35)

Die dritte Lesung spricht dann das Volk Israels direkt an:

Steige auf einen hohen Berg, der du die Freudenbotschaft bringst für Sion, erhebe mit Macht deine Stimme, der du die frohe Botschaft bringst (evangelizas) für Jerusalem: rufe laut und fürchte nichts! Sag den Städten Judas: Seht, da ist euer Gott! Seht Gott der Herr kommt mit Macht, und sein Arm wird herrschen. (Is. 40)

Die 4. Lesung bringt die Perikope aus Isaias, in der der Herr den Heidenkönig Kyros zu seinem Werkzeug erklärt:

Du sollst wissen, daß ich Gott bin, der dich bei deinem Namen ruft, der Gott Israels. Um meines Knechtes Jakob und um Israels, meines Auserwählten willen, rief ich dich bei deinem Namen, ich habe dich angezogen, noch ehe du mich kanntest. Ich bin der Herr, und keiner sonst ist es. (Is. 45)

Der Perserkönig Kyros war es, der nach seinem Sieg über Babylon der dort festgehaltenen Oberschicht der Juden im 6. Jahrhundert die Rückkehr in ihr Land erlaubte und deshalb in den danach entstandenen Schriften des alten Testaments die höchste Wertschätzung erfährt – höher, als sie jedem anderen Nicht-Juden entgegen gebracht wurde und vielleicht schon eine Vorausschau darauf, daß das Heil zwar zu den Juden kommen soll, jedoch nicht auf sie beschränkt bleiben wird. In einzelnen Glaubensrichtungen des späten vorchristlichen Judentums, soweit diese sich aus nicht-kanonischen Schriften der Apokryphen erschließen lassen, erscheint Kyros sogar als ein wiedergeborener Melchisedech und eine Vorgestalt des Messias. Das sind bemerkenswerte Indizien dafür daß sich das in Israel weit verbreitete (und später wieder befestigende) Exklusivitätsdenken in den vorchristlichen Jahrhunderten für ein Fenster der Gelegenheit zu öffnen begonnen hatte: Der Messias kommt für alle.

Mit der 5. Lesung wendet sich die Liturgie von den Prophezeiungen ab und dem Thema der Priesterweihen zu: Vor der Weihe der Subdiakone wird als Lesung der Abschnitt aus dem Propheten Daniel vorgetragen, der vom Martyrium der drei Jünglinge im Feuerofen berichtet: Ihre Standhaftigkeit soll den nun zu Subdiakonen zu Weihenden und damit in den Klerus aufzunehmenden Männern Vorbild sein. Man kann wohl annehmen, daß der so begründete Vortrag dieser Perikope den Anstoß dafür gab, das Gedenken der Drei in der Zeit der Winterquatember zu feiern – am 17. 12. , also in diesem Jahr gerade am Samstag der Winterquatember.

Als Hymnus singt die Kirche nach der überlieferten Liturgie zwischen den Lesungen V und VI die Einleitung des „Lobgesangs der drei Jünglinge“ aus dem dritten Kapitel des Buches Daniel und unterstreicht damit auf eindrucksvolle Weise ihr Bekenntnis zu dem Einen Gott, der sich dem Volk Israel als Jahweh offenbarte und mit der Menschwerdung seines Sohnes als Messias seine dreifaltige Natur enthüllte. Nicht im Bruch mit der vorherigen Offenbarung, sondern in deren Entfaltung:

Gepriesen bist Du, Herr, Gott unserer Väter – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen ist der Name Deiner Herrlichkeit, der Heilige – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen bist du in dem Heiligen Tempel Deiner Herrlichkeit - Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen bist Du auf dem heiligen Thron Deines Königtums – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen bist Du ob des Zepters Deiner Gottheit – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen bist Du der Du thronest über den Cherubim, Du, dessen Blick alle Tiefern ergründet – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Gepriesen bist Du, daherfahrend auf Sturmesflügeln und Meereswogen – Ja, lobwürdig und glorreich in Ewigkeit.

Preisen sollen Dich all Deine Engel und Heiligen - Ja , sie sollen Dich loben und verherrlichen in Ewigkeit.

Preisen sollen Dich Himmel, Erde und Meer samt all ihren Wesen - Ja , sie sollen Dich loben und verherrlichen in Ewigkeit.

Dieser Lobgesang wurde höchst wahrscheinlich bereits im zweiten Tempel von Jerusalem liturgisch vorgetragen. Die Kirche singt ihn weiter in der überlieferten Liturgie zur Weiheliturgie an allen vier Quatembersamstagen. Aus der reformierten Liturgie Pauls VI. ist er gänzlich verschwunden – als ob dieses starke Zeugnis einer die Jahrtausende überspannenden Kontinuität der modernen Kirche peinlich wäre.

Die 6. Lesung, die Epistel, zitiert aus dem 2. Brief des hl. Paulus an die Thessalonicher die Passage, in der er die Gläubigen zur Standhaftigkeit in den Bedrängnissen vor der in naher Zukunft erwarteten Wiederkunft des Herrn ermahnt. Damit sind die anschließend zu Diakonen zu weihenden jungen Männer ebenso angesprochen wie der Advent als Vorbereitung auf die zweite Wiederkunft.

Nur durch den Gesang eines Tractus von der Diakonenweihe getrennt, erfolgt die Weihe der Priester. Der Tractus ist aus Psalm 79 genommen und hat es hinsichtlich der Betonung von Kontinuität ebenfalls in sich:

Hab acht, Du Hirte Israels, der Du gleich einem Schäflein Joseph weidest. Der Du thronst über den Cherubim, erscheine vor Ephraim, Benjamin und Manasse. Biete Deine Macht auf, o Herr, und komm, uns zu erlösen.

Daran anschließend als 7. Lesung und Evangelium der feierliche Bericht des hl. Lukas von der Berufung des Vorläufers Johannes. Auch diese Lesung richtet sich damit sowohl an die neu Geweihten, denen sie ihre übernommenen Aufgaben vor Augen stellt, als auch an die ganze Gemeinschaft der Gläubigen:

(…) Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade. Jedes Tal soll ausgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, was uneben, soll ebener Weg werden! Und alles Fleisch wird schauen Gottes Heil.

Diese Perikope ist auch im Novus Ordo dem Advent nicht verlorengegangen - sie wird nun freilich ohne den ursprünglichen Zusammenhang am 2. Adventssonntag vorgetragen.

Wer Ohren hat, zu hören, der vernimmt in diesen Worten den Nachklang des ebenfalls bei Lukas aufgezeichneten „Benedictus“, des Lobgesanges Zacharias’ bei der Geburt seines Sohnes Johannes. Dieser Hymnus – der fester Bestandteil des Morgengebetes im Offizium der Kirche ist – hat in der überlieferten Messliturgie wahrscheinlich eben deshalb keinen Platz gefunden. Zumindest die an der Messe teilnehmenden Kleriker hatten ihn noch von der morgendlichen Laudes her im Ohr, und auch beim frommen Volk gehörte das Benedictus zu den Standardgebeten.

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