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Der Alte Bund lebt in der alten Liturgie

Bild: Schnorr von Carolsfeld, aus der 'Großen Katholischen Bilderbibel'; eigene AufnahmeDie drängenden Notwendigkeiten, sich der im aktuellen Pontifikat zum Programm gemachten Zerstörung der liturgischen Tradition der Kirche zu widersetzen, dürfen und können uns nicht davon abhalten, die Schätze dieser Tradition auch zu genießen und wie die vorhergehenden Generationen zum Heil der Seelen zu nutzen. Das in der vergangenen Woche gefeierte Fest der „Reinigung Mariens“, populär „Mariä Lichtmeß“, gibt dazu ganz besonderen Anlaß, der weit über den in der neuzeitlichen Theologie und Liturgie der Kirche betonten Charakter eines Marienfestes hinausgeht.

Eigentliche Mittelpunkt dieses Festes ist nicht der Reinigungsritus - der in dieser Form und Tiefe auch gar nicht ins Christentum übernommen worden ist - sondern die liebevolle Begegnung zwischen dem zum Sterben müden Frommen des Alten und dem soeben als Mensch erschienenen Heiland des Neuen Bundes auf den Stufen des Tempels. Die nach dem mosaischen Gesetz erforderliche Reinigungszeremonie der Mutter samt dem rituellen „Freikauf“ des Erstgeborenen durch ein blutiges Opfer werden hier ein letztes Mal verbindlich praktiziert.

Wenn die an diesem Tag verlesene Perikope aus dem Lukasevangelium die Begegnung des greisen Simeon mit dem Kinde Jesus ins Zentrum stellt, ist das von höchster symbolischer Aussagekraft: Nun lässest Du Herr, Deinen uralten Knecht, Stamm und Volk Israel, wie Du vorhergesagt hast, in Frieden gehen, denn meine Augen haben das neue Heil gesehen, das Du für alle Völker der Welt vorgesehen hast. Der Fortgang des Liedes läßt erkennen, daß diese Begegnung zwar für den Verlust der einzigartigen Stellung des auserwählten Volkes steht, nicht jedoch für seine Verwerfung: Der neue Bund ist das Licht zur Erleuchtung aller Völker – und bleibender Ruhm für Sein Volk Israel.

Die überlieferte Liturgie hat diese Verquickung des neuen Bundes mit dem alten in den fünf Weiheorationen für die Kerzenweihe zum Ausdruck gebracht, von denen jede einen zentralen Gedanken aus den fünf Büchern Moses aufgreift. Gregory Dipippo hat das in einem gestern auf New Liturgical Movement erschienenen Artikel sehr schön dargestellt – wir bringen eine Übersetzung:

Es beginnt ein langes ZitatDas erste Gebet beginnt entsprechend dem Buch Genesis mit einem Hinweis auf die Erschaffung der Welt mit den Worten „Herr, der Du alle Dinge aus dem Nichts erschaffen hast“. Das erklärt auch den Hinweis, daß die Kerzen für den Gebrauch durch den Menschen und das Wohlergehen von Körper und Geist „sei es zu Lande oder auf der See“ bestimmt sind , denn der Schöpfungsbericht des Mose beinhaltet auch die Scheidung des Landes von den Wassern und die Erschaffung des Menschen als „lebendige Seele“ (Gen. 2, 7). Das erste ist das einzige der fünf Segensgebete, das auch Maria, die neue Eva erwähnt; zusätzlich bittet es um die Fürsprache „aller Deiner Heiligen“ – vielleicht in Blick auf die Heiligen Patriarchen des Alten Testaments. Der letzte Teil bittet, daß Gott „allen barmherzig sei, die zu Dir rufen und die Du durch das kostbare Blut Deines Sohnes erlöst hast – eine Anspielung auf das Blut des gerechten Abel, das zu Gott von der Erde aufschreit.

Das zweite Gebet, das dem Buch Exodus entspricht, enthält die Aussage, daß die Gläubigen geweihte Kerzen erhalten haben, um damit „dem Namen Gottes Ehre zu erweisen“. Das bezieht sich auf den Gesang des Moses in Kapitel 15, wie er allen Christen aus den Prophetien der Ostervigil bekannt ist: „Laßt uns lobsingen dem Herrn, denn er ist hoch verherrlicht. … Der Herr ist mir Stärke und Stolz, und er ist mir zur Rettung geworden, er ist mein Gott, und ich will ihm lobsingen, der Gott meines Vaters, den ich preise. Der Herr ist ein Gott des Krieges, Allmächtiger ist sein Name. (Exodus 14, 24 – 15, 1, gefolgt vom Tractus aus Kapitel 15, 1-2, die zur Pfingstvigil gesungen werden.

Das dritte Segensgebet entspricht dem Buch Leviticus und bittet darum, daß die Gläubigen „frei von der Blindheit aller Übel seien, so daß wir fähig werden, die dinge zu sehen, die Dir gefallen und uns zum Heil nützlich sind.“ Das bezieht sich auf die von der Kirche gemachte Unterscheidung zwischen den für alle Zeit gültigen Vorgaben des Moralgesetzes, wie es in Leviticus enthalten ist, und auf das Gesetz allgemein und dessen rituellle Vorschriften, an die sie nicht länger gebunden ist. (…)

Das vierte Gebet beginnt mit einem Bezug auf Gottes Auftrag an Moses (Buch Numeri), Öl für die Lampen zu bereiten, die vor ihm im Zelt des Bundes brennen. In der lateinischen Übersetzung der Bibel vom Heiligen Hieronymus wird das in Exodus drei mal mit dem hier gebrauchten Verb „concinnare – zubereiten“ erwähnt, dann noch zwei mal ebenso im vierten Buch Numeri. Die Bitte, daß „das Licht Deines Geistes in unserem Herzen niemals erlösche“ bezieht sich möglicherweise darauf, daß Moses wie in Kapitel 11 beschrieben seinen „Geist“ mit den 70 Ältesten Israels geteilt hat.

Das fünfte Gebet schließlich, das dem Buch Deuteronomium entspricht, bittet darum, daß wir „vom Heiligen Geist erleuchtet und belehrt“ werden. Das bezieht sich auf das Lied des Mose in Kapitel 32, das mit den Worten beginnt: Meine Rede rinne zusammen gleich dem Regen … ich will den Namen des Herrn anrufen und unseren Gott verherrlichen. In der Ostervigil werden diese Worte im Traktus nach der elften Prophetie gesungen, und die Kirche drückt in dem diesem folgenden Gebet aus, daß es „Gottes Wille war, das Volk durch das Singen dieses heiligen Liedes zu belehren. Das Gebet schließt mit der Bitte, daß wir „Gott wahrhaft erkennen und gläubig lieben“ – das bezieht sich auf die Worte von Deuteronomium 6,5: „Du sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“. Dieses Gebot kommt in dieser Form sonst an keiner anderen Stelle des Gesetzes Moses vor, aber es wird natürlich vom Herrn selbst (nach Matth. 22, 37) selbst als das erste und größte aller Gebote bekräftigt."

Soweit Dipippo. Ein derart enges Interpretationsgeflecht der Gebete zur Kerzenweihe von Mariä Lichtmess mit zentralen Texten des Alten Testaments ist uns bisher noch nicht begegnet. Es klingt jedoch in vielem plausibel und würde auf jeden Fall erklären, warum dieser Ritus von den Liturgiereformen bis auf einen kümmerlichen Rest „abgeschafft“ worden ist: Der in Schrift und Tradition begründete Gedanke, daß die Kirche das „neue Israel“ ist, das an die Stelle des vormaligen auserwählten Volkes tritt – wohlgemerkt, ohne dieses zu verwerfen oder dessen Angehörige damit auszuschließen – ist der auf Gefälligkeit gegenüber den Zeitrgeistern programmierten neuen Theologie unerträglich. Lieber verwerfen sie das ganze Alte Testament wie im späten ersten Jahrhundert der Irrlehrer Markion oder als neuester einer ganzen Reihe von Nachplapperern 2013 der Berliner (postprotestantische) Theologieprofessor Slenczka (hier eine kritische Besprechung, ebenfalls protestantisch). Und was die post-, neo-, oder sonstwas-protestantischen Theologen können – das können römische Theologiereformer schon lange.

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