Ein „ausgefallener“ Sonntag
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- 16. März 2014
In der alten stadtrömischen Liturgie gab es für den zweiten Fastensonntag kein eigenes Messformular. Die Quatembertage im Frühling wurden stets mit großem Ernst und entsprechendem Aufwand gefeiert. Besonderes Gewicht kam dem Samstag zu – bis 1962 gab es an diesem Tag vier Lesungen. Die Vigil in der Nach des Quatembersamstag fand in St. Peter statt, und sie endete erst mit einer hl. Messe zu Sonnenaufgang. Nach vielstündigem Gottesdienst konnten sich dann alle erschöpft auf den Heimweg machen. Eine weitere Sonntagsmesse war nicht erforderlich, der zweite Fastensonntag wurde somit zum „ausgefallenen“ Sonntag: Dominica vacat.
Eine Vigil dieses Umfangs gab es freilich wohl nur in Rom selbst, vielleicht noch in einigen anderen Bischofsstädten. Anderswo konnte der Sonntag also nicht „ausfallen“, und für die Sonntagsmesse griff man auf passende Texte aus den vorhergehenden Tagen der ersten Fastenwoche zurück. In dieser Form wurde das Messformular später, als die nächtliche Vigil ihre Bedeutung verloren hatte, auch in der Stadt selbst für den Sonntag übernomen: Der Introitus Reminiscere, das Offertorium Meditabor in mandatis tuis und die Communio Intellige Clamorem meum vom Quatembermittwoch, das Evangelium der Verklärung auf Tabor vom Quatembersamstag. Die Epistel vom 2. Fastensonntag ist im Missale Pius V. zwar keinem der Quatembertage entnommen, sie fügt sich aber nahtlos in das vom Offertorium vorgegeben Thema Meditabor in mandatis tuis ein. Es ist die Passage aus dem Brief an die Thessalonicher von der gottgebotenen Heiligkeit der Ehe und Lauterkeit im Umgang mit den Brüdern.
Im Messbuch Pauls VI. ist nicht nur diese Epistel in allen drei Lesejahren verschwunden, auch die Erinnerung daran, daß dieser Sonntag ursprünglich wie eine Zusammenfassung der Quatembertage erschien, ist praktisch getilgt. Welche Auswirkungen das auf die Gestalt der Gregorianik im ohnehin praktisch ungenutzten Graduale Romanum von 1974 hatte, diskutiert und demonstriert an Tonbeispielen zum „erneuerten“ Introitus Tibi dixit der Gregorianik-Spezialist Fulvio Rampi auf Chiesa.espresso.repubblica.()
Als ob er das bevorstehende Zerstörungswerk vorausgeahnt hätte, beschließt Ildefons Schuster das Kapitel zum 2. Fastensonntag in seinem Liber Sacramentarum mit dieser Warnung:
Der Geist der Kirche schreckt, vor allem auf dem Gebiete der Liturgie, die für die Gläubigen Lehre und Licht sein soll, vor dem Neuen zurück, mag die Welt auch großen Gefallen am Neuen finden. Jede Art von Neuerung bringt einfache seelen in Verwirrung und erschüttert ihren Glauben, der auf dem Fundament der Väterlehre aufgebaut ist. Zu Gott beten mit den gleichen Worten wie die Väter, die nämlichen Gesänge singen, die sie in ihren Leiden und Kämpfen für die Kirche stärkten: das heißt wahrhaft eindringen in den Geistr ihres Betens, eins sein mit ihrem Hoffen und ihren Idealen.
Zitiert nach Ildefons Schuster, Liber Sacramentorum, Regensburg 1929, 3. Bd, S. 89