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Bedeutungsschwere Details

In seinem neuesten Positionspapier zu Grundsatzfragen der überlieferten Liturgie, das soeben auf Rorate Caeli veröffentlicht wurde, macht Joseph Shaw von Una Voce International den Friedenskuss aus dem feierlichen Hochamt zum Thema. Er benennt zwei historische Wurzeln des Ritus, der zunächst aus einem Austausch zeremonieller Küsse sowohl zwischen den Klerikern im Allerheiligsten als auch unter den Gläubigen bestand: Eine römisch/nordafrikanische Form, bei der die Zustimmung der versammelten Gemeinde zu der Handlung am Altar und der Teilhabe der Gläubigen daran im Vordergrund steht, und eine gallisch/germanische, die den Ausdruck der Achtung und Liebe der Gemeindemitglieder untereinander betont – beides freilich ohne die jeweils andere Sichtweise auszuschließen. Soweit etwa der Stand bis zum 6.-7. Jahrhundert.

Im Zuge der folgenden Jahrhunderte entwickelte sich Verständnis und Deutung des Rituals weiter: Der wahre Friede ist etwas, das die Menschen nicht von sich aus bewerkstelligen können, sondern das nur gelingen kann, wenn es von Gott ausgeht. Zum Ausdruck dessen war im 10. Jahrhundert eine Form voll ausgebildet, bei der der Zelebrant zunächst den Altar, das Sinnbild für Christus, küsste und den so vom Altar empfangenen Frieden im Gruß an die Mitzelebranten und von dort aus an die versammelten Gläubigen weitergab.

Aus praktischen Gründen ging diese Weitergabe an die Mitfeiernden im römischen Ritus später als Vollzug verloren, die Bedeutung selbst blieb jedoch bewahrt. Shaw schreibt dazu:

Diese Entwicklung ist ein Beispiel für ein in der Liturgiegeschichte sehr verbreitetes Doppelphänomen: Riten und Zeremonien werden einerseits auf das symbolische Minimum reduziert, während andererseits Riten, an denen die Gläubigen ursprünglich beteiligt waren, nun stellvertretend für diese allein von den Klerikern ausgeführt werden. Vielfach wurde darin eine bedauernswerte Entwicklung gesehen, aber Papst Pius XII hat uns (in Mediator Dei) daran erinnert, daß archaische Liturgische Formen nicht notwendigerweise den Vorzug vor später entwickelten verdienen, stand doch auch diese Entwicklung unter dem Einfluss der Vorsehung.

Im römischen Ritus sind häufig archaische Zeremonien in verkürzter oder sogar nur rudimentärer Form erhalten, die dennoch klarer Ausdruck der ursprünglichen Bedeutung sind und uns an die Altertümlichkeit des Ritus erinnern. Diese komprimierten Bedeutungen solcher Riten sind ein Bollwerk gegen jede Banalisierung, selbst kleinste Elemente der außerordentlichen Form sind, wie die Details jedes großen Kunstwerks, voll von Bedeutung.“

Mit der behaupteten Rückkehr zu einer ursprünglichen Form hat der Novus Ordo nicht nur diese Bedeutungsfülle verloren, sondern auch eine so längst überwundene im wahren Sinne des Wortes primitive Bedeutung wieder in den Vordergrund gerückt: Nun sieht es so aus, als ob der Friede das Werk der Versammelten sei.

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