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Summorum Pontificum - Sieben Jahre Rechtskraft

Von Clemens Victor Oldendorf

Es ist eine schöne Fügung, dass in diesem Jahr das Fest Kreuzerhöhung auf einen Sonntag fällt, denn der 14. September 2014 markiert den siebten Jahrestag, seitdem das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. Rechtskraft erlangt hat. Damit bestimmte er den römisch-tridentinischen Ritus nach den Büchern seiner letzten vorkonziliaren editio typica von 1962 kirchenrechtlich zum "außerordentlichen Usus des einen Römischen Ritus", als dessen "ordentlicher Usus" seither die nachkonziliar neu geordnete Römische Liturgie gilt.

Freude

Zuallererst empfinden wir daher am heutigen Tag Freude darüber, dass mit Summorum Pontificum prinzipiell die überlieferte Römische Liturgie sozusagen wieder grundsätzlich barrierefrei zugänglich ist, während sie von 1970 an praktisch nicht erlaubt zu sein schien und auch die Indulte von 1984 und 1988 die Überwindung großer Hindernisse und Einschränkungen voraussetzten, wollte man als Priester die liturgischen Bücher von 1962 verwenden oder als Gläubiger an gottesdienstlichen Feiern nach diesen Büchern teilnehmen. Erschwerend kam hinzu, dass 1988 die Bischöfe "eingeladen" werden mussten, die Möglichkeit, das Indult zu gewähren "weit und großzügig" anzuwenden. Eine solche "Einladung" zeigt aber nur an, dass die Bischöfe dies von sich aus und aus eigenem Antrieb in der Zeit zwischen 1984 und 1988 weithin nicht getan hatten. Auch nach 1988 blieb diese Großzügigkeit die Ausnahme, die liturgische Frage in diesem sensiblen Punkt doch dem Gutdünken und freien Ermessen der Bischöfe gänzlich überlassen. Sie waren eben nur eingeladen, nicht aufgefordert oder verpflichtet.

Wohl auch deshalb stellt das aktuell gültige Motu Proprio aus 2007 keine solche Bedingung mehr auf. Jeder Priester des Römischen Ritus, der nicht anderweitig rechtlich daran gehindert ist, der den außerordentlichen Usus beherrscht und in lateinischer Sprache zelebriert, kann, ohne dass eigens eine Zustimmung oder vorhergehende Erlaubnis seines Ortsordinarius oder Ordensoberen erforderlich wäre, frei entscheiden, entweder nach dem Messbuch Pauls VI. oder demjenigen Johannes' XXIII. zu zelebrieren. Gleiches gilt für die Sakramentenspendung und die Sakramentalien.

Dank

Viele Gläubige und Priester, die vorher die überlieferte Liturgie gar nicht kannten oder vielleicht nur aus eigener blasser Erinnerung oder aus Erzählungen wussten, dass es einmal so etwas wie die "Alte Messe" gegeben hatte, konnten sie dank Benedikt XVI. kennenlernen und erleben und sie als einen echten Schatz der Kirche für sich entdecken. Dies wäre so ohne Summorum Pontificum sicher nicht möglich gewesen, wofür wir Benedikt XVI. bleibende Dankbarkeit schulden.

Grenzen

Mit dem Pontifikat Papst Benedikts verbanden viele Hoffnungen auf eine Reform der Liturgiereform Pauls VI., und Ratzinger hatte schon als Theologe und Kardinal Anlass zu solchen Hoffnungen gegeben. Sogar der Brief an die Bischöfe, der den Gesetzestext des Motu Proprio begleitete, schien des Papstes eigene Hoffnung auszudrücken, es möge zu einer wechselseitigen Befruchtung beider Usus des Römischen Ritus kommen und eine verbindende Sphäre und Atmosphäre der Theozentrik und Sakralität zwischen beiden Feiergestalten des Gottesdienstes entstehenlassen.

Nüchtern betrachtet, konnte und kann man diesen Effekt nur sehr begrenzt feststellen, und in acht Jahren Ratzingerpontifikat ist es rechtlich und verbindlich fassbar nicht zu einer Reform der Reform gekommen. Im Klima des gegenwärtigen Pontifikats ist sie nicht zu erwarten, und selbst das Vorbild der Ars celebrandi, das gegeben zu haben man Benedikt XVI. nicht absprechen kann, besteht nicht fort. Ja, die Erinnerung daran wirkt bereits wieder wie weggewischt.

Kirchenrecht

Kanonistisch birgt die Zuordnung von "ordentlich" und "außerordentlich" zu den beiden Usus zwei Probleme. Erstens ist das als "außerordentlich" definierte stets die Ausnahme von der Regel, das "ordentliche" die Norm. Wer diese Zuordnung akzeptiert, der muss sich die Frage gefallenlassen, wie es denn sein kann, dass es Gläubige oder Gruppen von Gläubigen und Priestern in der Kirche gibt, die ausschließlich das Außerordentliche praktizieren. Sogar, es nur überwiegend zu praktizieren, ist kirchenrechtlich eine Anomalie. Daraus folgt, dass niemand, der sich auf Summorum Pontificum stützt, prinzipiell ausschließen kann, auch im Usus ordinarius zu zelebrieren oder daran teilzunehmen. Und wenn man dazu angehalten wird, es praktisch zu tun, hat man grundsätzlich keinerlei Argument, dieser Aufforderung nicht zu folgen.

Außerdem: Wenn es eine wechselseitige Befruchtung gibt oder sogar wieder eine gemeinsame Form des Römischen Ritus geben sollte oder würde, müsste diese eher dadurch gewonnen werden, dass der außerordentliche dem ordentlichen Usus angenähert wird als umgekehrt.

Motu proprio und Reform der Reform

Wer die Zuordnung von ordentlich und außerordentlich im Motu Proprio also beispielsweise in der Hoffnung "geschluckt hat", der Ritus Pauls VI. solle so einer Reform der Reform zugänglicher gemacht werden, muss diese Zustimmung überdenken, wenn eine solche Reform offensichtlich ausbleibt.

Diejenigen, die die Liturgiereform Pauls VI. wegen dogmatischer Defizite, die sie sehen (wohlgemerkt spreche ich nicht von Defekten!), kritisieren und verweigern sowie deswegen deren Rechtmäßigkeit und rechtliche Verbindlichkeit bestreiten, müssten sich unter den gegebenen Umständen wohl irgendwann fragen, ob sie angesichts der Tatsache, dass die editio typica von 1962 durch Summorum Pontificum gleichsam als "außerordentliche Form" vereinnahmt worden ist, mittel- und langfristig nicht konsequenter handeln, wenn sie wieder zum Missale Romanum von 1954 oder 1958 zurückkehren. Nicht, weil gilt: "je älter, desto besser", nicht aus Willkür oder Eigenmächtigkeit, sondern ausschließlich aus diesen nüchtern kanonistischen Erwägungen heraus.

Ausblick

Heute überwiegen Freude und Dankbarkeit, aber die Grenzen sollten uns bewusst sein, denn nur so ergibt sich ein realistisches Gesamtbild. Dazu gehört auch die Vermutung, dass viele von denen, die erst durch Summorum Pontificum zur alten Liturgie fanden oder die Mängel des Novus Ordo Missiae bereits dann nicht mehr sehen, wenn sie vom lateinischen Sprachgewand umhüllt, vom Brokat überlagert und von Weihrauchschwaden verborgen sind, auch sehr schnell nicht mehr für die liturgische und dogmatische Tradition einstehen, sobald das zu tun wieder unbequemer werden sollte oder sie dadurch scheinbar nicht mehr aufseiten des Heiligen Vaters stehen.


Die wesentlichen Dokumente zur rechtlichen und theologischen Stellung der überlieferten Liturgie in der Kirche von heute finden Sie hier auf Summorum Pontificum: Das Motu Proprio; der Begleitbrief an die Bischöfe, die Instruktion Universæ Ecclesiæ.

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