Theologie der Barmherzigkeit
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- 10. März 2016
Das zensierte Evangelium III.
Der Mittwoch der Woche nach dem ersten Fastensonntag bietet ein besonders irritierendes Beispiel für die Redaktionswillkür der Autoren des neuen Missales. Traditionell ist dieser Mittwoch Quatembertag – was unter anderem dazu geführt hat, daß sich in der überlieferten Liturgie für diesen Tag ein alter Perikopenbestand erhalten hat mit zwei Lesungen aus dem alten Testament vor dem Evangelium. Nun hat die neue Ordnung die Quatember zwar nicht offiziell abgeschafft – sie sind aber weitgehend „vergessen“ worden, und so findet auch die Quatember der ersten Fastenwoche im neuen deutschen Missale, so wie es der Schott anbietet, keine Erwähnung mehr. Wie die anderen Wochentage hat der „neue“ Mittwoch der ersten Fastenwoche nur noch eine Lesung – allerdings keine der beiden traditionellen. Dabei hat insbesondere die erste Lesung dieses Tages ganz besonderes Gewicht: Sie enthält aus dem 2. Buch Moses/Exodus (24, 12-18) den Bericht von der Übergabe der Gebote an Moses auf dem Sinai.
Möglicherweise war das den Verfassern des Missales zu vorkonziliar-autoritär. Die Perikope wurde komplett aus dem Missale verbannt und für diesen Mittwoch durch eine andere Episode ebenfalls aus dem Buch Exodus(32, 7-14) ersetzt, in der berichtet wird, wie sich Gott durch die Fürsprache des Moses dazu bewegen läßt, von der Bestrafung des abtrünnig gewordenen Volkes Israel abzusehen. Vers 14: „Da ließ sich der Herr das Böse gereuen, das er seinem Volk angedroht hatte.“ Man geht wohl nicht fehl, in dieseer Ersetzung eine Auswirkung (und gleichzeitig eine der Wurzeln) der neuen „Theologie der Barmherzigkeit“ zu erkennen.
Nicht uninteressant und in diesem Zusamenhang überaus passend ist auch, daß der vom Schott gebotene Text hier mit dem „gereuen“ der Lutherbibel folgt und nicht der traditionellen katholischen Lesart des Verses, die Allioli entsprechend Septuaginta/Vulgata wie folgt wiedergibt: „Und der Herr war versöhnet, daß er das Übel nicht thäte, so er wider sein Volk geredet hatte.“ Das ist mehr als nur ein Unterschied in der Formulierung.
Zum Abschluss auch hier wieder die aus dem Missale getilgte Perikope in der Übersetzung Alliolis:
Der Herr aber sprach zu Moses: Steig herauf zu mir auf den Berg, und bleib daselbst; ich will dir steinerne Tafeln geben, und das Gesetz, und die Gebote, die ich geschrieben, daß du sie lehrest. Da machte sich Moses auf, und Josue, sein Diener, und Moses stieg auf den Berg Gottes, und sprach zu den Ältesten: Wartet hier, bis wir zurückkommen zu euch. Ihr habet Aaron und Hur bei euch; wenn ein Streit unter Euch vorfällt, so bringet ihn an sie. Und da Moses hinaufgestiegen war, bedeckte eine Wolke den Berg. Und die Herrlichkeit des Herrn wohnte auf Sinai, und bedeckte ihn mit einer Wolke sechs Tage; aber am siebten Tag rief er ihn aus der Finsternis. Und das Aussehen der Herrlichkeit des Herrn war wie brennendes Feuer auf der Spitze des Berges vor dem Angesicht der Söhne Israels. Und Moses trat mitten in den Nebel, und stieg auf den Berg; und er war daselbst 40 Tage und 40 Nächte.