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Die planeta plicata - eine Verlustanzeige

Bis zum Beginn der liturgischen Neuerungen im Jahr 1950 trugen Diakon und Subdiacon beim feierlichen Hochamt der Bußzeiten – also auch im Advent, nicht die übliche Dalmatik/Tunika, sondern eine reduzierte Form der eigentlich dem Priester vorbehaltenen Casel bzw. Planeta: Die planeta plicata. Davon gab es zwei Varianten: Die Glockenkasel („gotisch“) wurde ursprünglich wohl nur gerafft und zu einer Schärpe zusammengebunden über der linken Schulter getragen. Daraus entwickelte sich späte die vereinfachte Form der „breiten Stola“. Die Barockkasel („Baßgeige“) wurde verkürzt – entweder tatsächlich, indem man vorne ein Stück abschnitt, oder zeitweilig, indem man den vorderen Teil hochfaltete. In modernerer Zeit wurde auch die mit beginn des 20. Jh. wiederbelebte Glockenkasel in dieser Weise vorne verkürzt. Reich bebilderte Abhandlungen dazu findet sich in New Liturgical Movement von 2009 und (in Italienisch) auf Muniat intrantes, von wo wir auch unsere Abbildung haben.

Die Verwendung der planeta plicata geht weit zurück bis in die früheste in liturgischen Büchern fassbare Zeit, erste Hinweise finden sich bereits bei Amalar von Metz im frühen 9. Jahrhundert. Bei Rupert von Deutz im 12. und Durandus im 13. Jahrhundert erscheint der Brauch bereits voll ausgebildet.

Bei Rupert findet sich auch der Versuch einer Deutung:

Von jetzt an bis zur heiligen Nacht der Geburt des Herrn zeigen sich der Diakon und der Subdiakon in weniger festlichen Gewändern. Denn weder legt der Diakon die Dalmatika noch der Subdiakon die Tunika an. Der Subdiakon stellt gleichsam das Gesetz dar, dem vor der Menschwerdung des Herrn der Schmuck des Evangeliums noch fehlte, der Diakon gleichsam das Evangelium selbst", dessen Glanz in seiner ganzen Fülle vor dem Offenbar-werden der Geheimnisse der Geburt, des Leidens, der Auferstehung und der Himmelfahrt des Herrn noch nicht hatte erscheinen können. Denn nicht deren Gegenwart, sondern deren Erwartung stellt diese Zeit zeichenhaft dar, weswegen sie auch, wie gesagt worden ist, Zeit der Ankunft des Herrn genannt wird. Unterdessen aber tragen der Diakon und der Subdiakon die Kasel, die das Gewand des Priesters ist, wie wir gesagt haben, als wir über dessen Kleidung sprachen."

Dies darf niemanden beunruhigen. Sie tragen nämlich die Kasel nicht in der Weise, daß sie in ihr die Epistel und das Evangelium vortragen oder ministrieren, sondern legen sie ab, wenn sie vortragen oder ministrieren müssen. Damit geben sie deutlich zu verstehen, daß die Kasel nicht ihr Gewand ist und sie es wegen ihres Weihegrades auch nicht als das ihnen zustehende, sondern aus Ehrfurcht vor dem Sonntag oder einem Fest als das für sie angemessene betrachten, um sich über die als dürftig und unschicklich empfundene Entbehrung (sc. der Dalmatika und der Tunika) zu trösten. (Übersetzung der Fontes Christiani)

Der letzte Satz weist wohl auch über die geistliche Ausdeutung des Sachverhalts auf eine überaus profane Erklärung dieses Brauches hin: Die Albe war stets nur ein Untergewand – außer Haus trug man dazu in antiker Zeit die Toga, die in der Nachantike durch die casula abgelöst wurde. Sie war bis ins 6. Jahrhundert nicht nur dem Klerus vorbehalten – zum geistlichen Gewand wurde sie erst, als die Weltleute sich im frühen Mittelalter nach germanisch-fränkischer Sitte in Wams und Hose zu kleiden begannen. Für den Gottesdienst galt dies freilich nach wie vor als unangebracht – doch allein im Untergewand am Altar zu stehen, mochte nicht nur als unschicklich erscheinen. Zu den Gottesdienstzeiten, zumal zur Advents- und Fastenzeit, war es wohl oft auch einfach zu kalt dazu. Der Text von Rupert läßt jedenfalls ebenso gut die Übersetzung zu: Um die Entbehrung zu lindern, den Mangel auszugleichen.

Doch das war im 12. Jh. Im 20. Jh., dem Zeitalter der Kirchenheizung war nicht nur der Sinn für die spirituelle Erklärung des alten Brauchs verloren gegangen – alles abschaffen, was sich nicht von alleine versteht, wurde zur gerne aufgegriffenen Devise. Und so ist inzwischen nicht nur das levitierte Hochamt, sondern auch der Subdiakon aus der Liturgie verschwunden. Von der planeta plicata ganz zu schweigen.

Die Frage, ob das dort, wo überhaupt noch levitierte Hochämter gefeiert werden, ein Verlust ist, ist nicht leicht zu beantworten. Ihren ursprünglichen Zweck – die ministri auch ohne ihr eigentliches liturgisches Gewand vor dem Frieren zu bewahren, hat die verkürzte Casel weitgehend verloren, und ihre geistliche Bedeutung erschließt sich nur noch nach ausführlicher Erklärung. Moderne Rationalität kann damit in der Tat wenig anfangen. Und genau das zeigt den Verlust an, der sich mit der Abschaffung dieses Teils des Paramentenfundus verbindet: Nicht alles muß dem unterworfen sein, was sich zu einer bestimmten Zeit als „modene Rationalität“ ausgibt, und im Gottesdienst gilt das mehr als anderswo.

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