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Populus sion, Ecce, Dominus veniet

Der zweite Sonntag des Kirchenjahres ist ganz der Erinnerung an die Wurzeln der Kirche im Volk der Juden und dessen Hoffen auf den Messias bestimmt. Aus dieser wohl sehr alten Widmung leitet sich auch die erst später erfolgte Wahl der Kirche zum heiligen Kreuz in Jerusalem als römische Stationskirche ab. Diese Kirche war nicht nur dem Kreuz von Jerusalem, von dem ein Teil dort aufbewahrt wurde, geweiht. Die fromme und dem Ausmaß nach vielleicht übertriebene, in der Sache jedoch durchaus glaubhafte Überlieferung weiß, daß der Boden dieser Kirche mit Erde aus Jerusalem bedeckt war, den Kaiserin Helena in drei Schiffsladungen aus Jerusalem habe heranbringen lassen. Hier, in der ehemaligen Festhalle des sessorianischen Palastes, war Jerusalem. Und von dort her ergab sich – insbesondere zum Ausdruck gebracht im Offizium der Terz in der Predigt des. hl. Papstes Gregor – nicht nur der Blick auf die Herkunft Christi und seiner Kirche, sondern auch auf die erste Vollendung der Ankunft am Kreuz von Golgatha.

Im Proprium der Messe steht das Gedenken an die Herkunft ganz im Vordergrund. Der Christus ist der Gesalbte, auf den die Hoffnung des Volkes seit mehr als einem Jahrtausend gerichtet ist – und erst und nur in ihm findet dieses Volk, seither grenzenlos erweitert um die Hinzugekommenen aus allen Heidenvölkern der Erde, seine Erfüllung. Im Introitus mit den Worten des Propheten Isajas:

Volk von Sion, siehe der Herr wird kommen, die Heiden zu erlösen; und der Herr wird hören lassen sein majestätisches Wort zur Freude eures Herzens.

In der Messerklärung des Rupert von Deutz, dem sehr daran gelegen ist, „den harmonischen Zusammenklang eines jeden Offiziums gleich wie den Bau eines jeden Körpers genau zu erforschen“ (Liber 3,3), wird das Proprium des zweiten Adventssonntags folgendermaßen zusammengefasst:

Der Hauptinhalt also dieses Offiziums ist, daß das in der Fremde lebende Jerusalem, das heißt die gegenwärtige Kirche, die Verbannung dieses Lebens in der geduldigsten Hoffnung erträgt , und wenn sie nach der Vorankündigung des schon genannten Evangeliums den Untergang der Welt als nahe bevorstehend erkannt hat, soll sie ihr Haupt erhaben (vgl. Lk 21,28) und der Ermahnung der Communio entsprechend ‚aufstehen und in die Höhe steigen‘ (vgl Bar. 5,5) – das Irdische verschmähend und das Himmlische liebend, wie die Oration bittet, die zur Postcommunio gesprochen wird – und ‚soll schauen die Freude, die von ihrem Gott kommt‘ (vgl. Bar 4.36) und wie beim sich nahenden Sommer (vgl. Mt 24,32) die Wolken ihrer Trauer vertreiben, weil ‚die Tage des Lebens im Glanz der ewigen Sonne erstrahlen‘.“

An der von Rupert gegebenen Beschreibung und Ausdeutung des Propriums zum zweiten Adventssonntag ist neben dem Inhalt auch bemerkenswert, wie sehr dieses Offizium auch dem bis 1970 alleine vorgeschriebenen Formular entspricht – an die 500 Jahre vor Trient. Einzige größere Abweichung ist das Evangelium. Hier war die von Rupert im 12. Jahrhundert angeführte Perikope vom Weltuntergang nach Lukas 21 inzwischen auf den 1. Adventssonntag vorgezogen worden, während der zweiter Adventssonntag ab der Zeit um Trient hier die Perikope von der Frage Johannes des Täufers „Bist Du es, der da kommen soll“ (Mt 11) hat. Sie wird bei Rupert erst für den 3. Adventssonntag genannt.

Eine solche wie auch immer zustande gekommene „Verschiebung“ des Sonntagsevangeliums im Lauf des Mittelalters ist auch zu anderen Gelegenheiten zu beobachten. Sie ist – wie hier auch – wegen des überwölbenden Gesamtzusammenhanges im Kirchenjahr vielfach unproblematisch. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen sie den „harmonischen Zusammenklang“ des Offiziums beeinträchtigt.

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