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Der lebenswichtige Unterschied zwischen einer „erneuerten“ und einer „neuen“ Liturgie

11. Juli 2025

1 - Liturgie

Das Photo von der Messe in St. Joan of Arc in Minneapolis zeigt eine bunte Kollektion verbreiteter Mißbräuche: Die in wallende Gewänder gekleidete Möchtegern-Diakonin als Lektorin hat den Zelebranten an den Rand des Bildes gedrängt; der esstisch-artige Altar ist kaum größer als das Banner „All Are Welcome Here“ die jugendlichen Gottesdienstteilnehmer räkeln sich auf dem Boden; das Altarkreuz zeigt nur noch den Auferstandenen und nicht mehr das Kreuz selbst;  der hl. Josef erscheint als Kindsvater mit dem Jesuskind auf dem Arm ...

Am „Tag der Diakonin“ in St. Joan of Arc, Minneapolis. Suche die Fehler.

Am 9. Juli zitierten wir einige Passagen aus einem Artikel von Felix Neumann auf katholisch.de, dem wir entnahmen, daß zumindest in Teilen der Kir­che in Deutschland eine sachlichere Sicht auf die Liturgie­re­form und die Anhänger der überlieferten Form Raum greift. Wie kaum anders zu erwarten, hat es keinen vollen Tag gedauert, bis einer der Unglaubenswächter in der Redaktion den Abweichler streng ermahnt und auf die Einhaltung der Parteilinie verwiesen hat. Hier einige Abschnit­te aus dem Arti­kel von Björn Odendahl, die die ganze Faden­schei­nig­keit der „Argumente“ er­kennen lassen, die Vertreter dieser Richtung gegen die Verteidiger der Tradition vorzu­bringen haben – und wie weit sie sich damit bereits von der Lehre entfernt haben, die Christus seinen Aposteln und deren Nachfolgern anvertraut hat.

Es beginnt ein Zitat

Die "Alte Messe" (ist) nicht einfach Teil der liturgischen Vielfalt der Kirche oder eine kulturell bedingte und regional gefeierte Sonderform.

Hier stellt einer böswillig (oder schlicht aus Unbildung) die Dinge auf den Kopf: Die überlieferte Liturgie ist nicht irgendein Lokalritus, oder gar eine Sonderform für Zurückgebliebene. Sie ist – wie auch Konzil, Consilium und insbesondere Papst Paul als Promulgator anerkannt und betont haben, die Grundlage, auf der die neue Liturgie beruht – in allem und in all ihren Teilen.

Besonders aufschlußreich ist dazu die 1969 aufgrund der sog. Ottaviani-Intervention korrigierte „Institutio Generalis“ des neuen Missales, die ausdrücklich feststellt, daß die Eucharistie-Theologie des Konzils von Trient auch weiterhin volle Gültigkeit hat. Es trifft zwar zu, daß die modernistischen Theologen auf dem Konzil und später im Consilium alle Kraft aufwandten, um diese Theologie abzuschaffen, aber die Kirche hat das nicht übernommen. Die angeblich „neue Messopferlehre nach dem Konzil“ ist ein Hirnge­spienst größerer (wie Papst Franziskus oder Präfekt Fernández) oder kleinerer (wie Emil Josef Lengeling) oder ganz kleiner Luther-Nachplapperer wie Redaktionsleiter Odendahl von haeretisch.de.

Diese Kontinuität in der Lehre ist also unbestreitbar gegeben – wenn auch „nur“ im offiziellen Lehramt und nicht an den Lehrstühlen der Staatstheologie. Und wenn das so ist, dann muß sich nicht die überlieferte, die ursprüngliche Form der Liturgie vor der neuen Form rechtfertigen, sondern die Neuerung vor ihrem von Modernisten und ande­ren Häretikern verachteten und entstellten und Ursprung.

Doch weiter im Text vom inoffiziellen Portal der deutschen Bischöfe:

Es beginnt ein Zitat

Vielmehr ist die "Alte Messe" häufig die liturgische Ausdrucksform einer in­ner­kirchlichen Parallelgesellschaft.

Was der Begriff Parallelgesellschaft hier besagen soll, bleibt unerklärt, klingt aber irgend­wie bedrohlich. Im Kontext der zunehmenden Auflösung des sozialen Zusam­menhangs in der deutschen Gesellschaft der Gegenwart wird er meistens negativ gebraucht. Ande­rerseits gelten jedoch dem aktuellen Zeitgeist Begriffe wie Eigenständigkeit, Unabhän­gig­keit, Individualität, Selbstbewusstsein und andere „Parallel-Erscheinungen“, die diese Auflösung vorantrieben, als Werte, deren Nebeneinander, (selbst wenn es sich oft kon­fliktreich gestaltet) als Vielfalt und Diversity geradezu Verfassungsrang genießen. Nicht nur in der Gesellschaft – auch in der Kirche. Doch das gilt eben nur für die vom Zeitgeist approbierten Tendenzen. Mit ihr einher gehen dann auch die Ableh­nung anderer Er­run­genschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Überhöhung des Priesteramts, die Geringschätzung von Laien im Allgemei­nen und von Frauen im Besonderen.

Ach die Errungenschaften. Ehedem waren es die sozialistischen, nun sind es die konzi­liaren – und in beiden Vorkommensweisen fällt es ihren Vertretern schwer zu erklären, was denn nun den positiven Unterschied gegenüber den glücklich überwundenen und abgeschafften alten Verhältnissen darstellen soll – und ob die gegenwärtig geübte Praxis tatsächlich dem entspricht, was auf dem letzten Parteitag beschlossen wurde. Die segens­reiche Entwicklung wird zwar unermüdlich behauptet (was ist eigentlich aus dem „Neuen Frühling“ geworden?) aber so gut wie nie nachgewiesen. In der mitteleuropäischen Rea­li­tät kann man die behaupteten positiven Entwicklungen selbst mit der Lupe nicht wahr­nehmen – zumindest wenn man sich auf objektivierbare Faktoren wie Gottesdienst­teil­nahme oder Sakramentenempfang bezieht.

Im Zusammenhang mit der Liturgie können sich die „Errungenschaften“ der nachkon­ziliaren Praxis in vielen Fällen weder auf Texte des Konzils noch auf die liturgischen Beschlüsse des Consiliums noch auf das neue Missale stützen – in vielen Fällen wider­sprechen sie ihnen sogar direkt. Peinlicherweise betrifft das sogar zwei „Errungen­schaf­ten“, die Leute wie Odendahl gerne als emblematische Hauptstücke der neuen Liturgie vorzeigen: Den durchgängigen Gebrauch der Volkssprache und die Stellung des „Vorstehers“ zur Gemeinde hin.

Doch die Verabsolutierung des Gebrauchs der Volkssprache widerspricht ganz klar SC 36, 1: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht“, und das Missale Pauls VI bestimmt zu mehreren Gebeten ausdrücklich, daß der Zelebrant sich dabei dem Volk zuwenden soll – bis dahin also „mit dem Rücken zum Volk“ gestanden hat: Zum Orate Fratres, zum Ecce Agnus Dei, zum Oremus nach der Kommunion und zu Friedensgruß und Entlassung. An einer Stelle wird sogar die Wendung zum Altar (implizit also vom Volk weg) ausdrücklich angeordnet: Zur Kommunion des Priesters. Wie das wohl am „Volksaltar“ funktionieren soll?

Wie sich inzwischen herausgestellt hat, waren die Konzilsväter und dann auch Papst Paul VI gut beraten, als sie der allgemeinen Verwendung der Volkssprache und dem Volksaltar die Zustimmung verweigerten: Beides wurde zwar von den Universitätstheologen unter Berufung auf „die Wissenschaft“ gefordert, hat sich inzwischen als historisch un­halt­bar herausgestellt. Durchgesetzt haben sie sich auf dem Wege des später von den Päpsten mehr oder weniger widerwillig akzeptierten Ungehorsams dennoch - und so haben wir heute noch weitere zunächst verworfene „Errungenschaften“ wie Messdienerinnen, Kom­munionhelfer, Lektorinnen, Liegekreuze und Ikebana auf dem Opferaltar.

Zum Punkt „Überhöhung des Priesteramtes“ und der „Geringschätzung von Laien“ könnte man ein ganzes Buch schreiben. (Wenn wir davon nicht schon ein Dutzend hätten.) Aber es gibt nun einmal einen wesensmäßigen Unterschied zwischen dem geweihten Priester und den Laien, den keine Forderung nach Augenhöhe wegschaffen kann: Der Priester ist in seinem Wesen verändert, und dadurch kann und darf er als „alter Christus“ Dinge tun, die dem Nichtgeweihten nicht etwa verboten, sondern schlichtweg „unmöglich“ sind. Laie oder Laiin können den „Einsetzungsbericht“ vor­tragen soviel sie wollen – es werden keine „Wandlungsworte“ daraus und es geschieht rein gar nichts. Auch die denunziatorische Bezeichnung dieses Unterschieds als „Über­höhung“ kann daran nichts ändern.

Noch ein Wort zum emanzipatorischen Dauerthema „Frauen in der Kirche“: Bei jedem Blick auf den überlieferten Heiligenkalender kann man feststellen, daß die Kirche selbst im „finstersten Mittelalter“ die Frömmigkeit, Heiligkeit und den „Wert“ eines Frauenle­bens sehr wohl zu sehen wußte – nur daß sie diesen Wert nicht nach den Maßstäben der Welt, sondern des Evangeliums maß. Und sie hat sich, wenn unsereins das recht im Blick hat, auch nie über die Ungerechtigkeit beschwert, daß Männer keine Kinder bekommen können. Aber mit den neue erfundenen Transmännern wird das ja nun alles anders: Wieder wird eine Grenze überwunden.

Doch zurück zum Text, wo es apodiktisch heißt:

Es beginnt ein Zitat

Kurzum: Anhänger der "Alten Messe" haben nicht selten ein anderes Kirchen- und Weltbild, das geprägt ist von ei­ner Romantisierung der Vergangenheit.

Auch hier bleibt der Autor jede nähere Kennzeichnung dessen, wovon er da eigentlich sprechen will, schuldig. Was meint er denn, wenn er von „anderem Kirchen- und Welt­bild“ spricht? Wie unterscheiden sich die neuen Bilder von den alten – in Sachen der Messopfer-Theologie wie oben angesprochen ja offensichtlich nicht. Und sind sich die Theologen und anderen Konzilserklärer denn in irgendeiner Weise einig darüber, was die oft wolkige Ausdrucksweise von „Gaudium et Spes“ wirklich meint?

Nach dem Auftrag (und der Absicht!) des Konzils ging es doch darum, keine neuen Leh­ren zu verkünden, sondern die überlieferte Wahrheit in heute (1960/1970) verständ­li­cher Form auszusagen. Danach dürfte es solche Unterschiede bestenfalls in der Akzent­setzung geben. Und der Versuch, zu ergründen, inwieweit die Konzilsdokumente diesem Auftrag gerecht geworden sind und ob das, was sie sagen, tatsächlich heute (2020/2030) verständlich ist, ist nicht nur legitim, sondern notwendig, wenn man diese Dokumente nicht im Kabinett der Merkwürdigkeiten aus dem verflossenen Jahrhunderts ablegen will. Doch auf solche Überlegungen läßt sich der Artikel gar nicht erst ein – er weiß ja schon, was er will und was er nicht will:

Es beginnt ein Zitat

Es ist nicht ausgeschlossen, daß Papst Leo XIV. einige der Ausführungsbe­stim­mungen von "Traditionis custodes" lockern wird, um die Anhängerschaft der "Alten Messe" zu befrieden. Eine gänzliche Rücknahme des Dekrets wäre allerdings ein fatales Zeichen dafür, daß ein rückwärtsgewandtes Kirchenbild ein selbstverständlicher Teil unserer Kirche ist.

So ähnlich haben das schon ganz andere Leute gesagt: „Vorwärts immer, Rückwärts nim­mer“ — Erich Honecker 1989, ein Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR. Diese ge­schichts­blinde Fortschrittsbeschwörung hat damals nicht geklappt, und sie wird auch hier und heute nicht funktionieren. Wer seine Wurzeln verleugnet und diese als „zurückgebliebene Teile“ abschneidet, darf sich nicht wundern, wenn Zweige und Blätter verdorren. Mit autoritären Maßnahmen, wie Papst Franziskus sie eingesetzt hat und wie sie sich auch der Redaktionsleiter von katholisch.de zu erhoffen scheint, ist da ganz und gar nichts zu erreichen.

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