Herzogenrath
Marienkirche Herzogenrath
Angebot der tridentinischen Messe in der Pfarrei St. Gertrud - Herzogenrath
18. 2. 2008
Bericht von Pfarrer Dr. Guido Rodheudt
Das Motu proprio des Heiligen Vaters „Summorum Pontificum“ vom 7.Juli 2007 hat den Umgang mit dem klassischen Römischen Ritus und seine Praxis grundlegend verändert. Nachdem wir es gewöhnt waren seit dem Indult von 1984 die tridentinische Liturgie als eine Konzession der Bischöfe an die Laien zu verstehen, die man mühselig abringen mußte und zu deren Umsetzung oftmals Priester von den Bischöfen bestellt wurden, die eher distanziert oder lieblos den Ritus zelebrierten, so ist seit dem letzten Jahr die „Alte Messe“ wieder in die Hand der Priester zurückgegeben.
Dieser Umstand wird leider oft übersehen, wenn nach wie vor Anträge zur Zelebration der Hl. Messe im tridentinischen Ritus gestellt werden, die den Eindruck erwecken, als bedürfe es bischöflicher Genehmigungen für seine Zelebration. War das Indult „Ecclesia Dei“ ein „Laientext“, der traditionalistisch orientierte Gläubige einbinden wollte, so ist „Summorum Pontificum“ ein „Priestertext“, der den einzelnen Priester in die Lage versetzt, den Alten Ritus - wo immer und wann immer er möchte - zu zelebrieren und dazu Gläubige zuzulassen. Es wird also zukünftig weitaus wichtiger, ja vielleicht sogar entscheidend sein, Priester für den tridentinischen Ritus zu begeistern und zu seiner regelmäßigen Praxis zu motivieren, als Anträge an Bischöfe zu stellen. Das Anliegen des Papstes, den Alten Ritus aus der Verbannung zu befreien, um an ihm und seiner Erlebbarkeit für eine Reform der Reform der Liturgie insgesamt Maß zu nehmen, wird erst dann zur Wirksamkeit geführt, wenn es genügend Priester und Priesteramtskandidaten gibt, die den Alten Ritus schätzen, zelebrieren und auch für ihn und die große Tradition der römischen Liturgie an ihren Wirkungsstätten apostolisch tätig sind.
Diese Perspektive war in Herzogenrath leitend, als nach dem ersten Adventssonntag 2007 zwei Hl. Messen in der Wochen dem übrigen Gottesdienstangebot hinzugefügt wurden. Hier war es der Pfarrer, der der Initiator der tridentinischen Liturgie war und nicht eine Gruppe von Antragstellern. Im Vorfeld wurden die Gläubigen frühzeitig informiert und in den Gremien der Pfarrei das Projekt vorgestellt. Für die Ministrantenleiter gab es eine liturgische Fortbildungsveranstaltung, bei der ihnen die liturgiehistorischen Hintergründe des Motu Proprio erläutert wurden und auch die Absichten des Pfarrers, nun diese „neue“ Form der Liturgie einzuführen. Besonders die Fragen der Zelebrationsrichtung, der Mundkommunion und der Beschränkung auf männliche Ministranten kamen dabei zur Sprache – zumal es im novus ordo in der Pfarrei auch Meßdienerinnen gibt. Nicht zuletzt wurden auch Überlegungen zur Kirchenmusik angestellt, denn es sollte auf Dauer die Missa cantata sein, die die Regelform der Zelebration darstellt. In Absprache mit dem Kantor der Pfarrei übernahm Dr. Michael Tunger, Präses von „Sinfonia Sacra“ e.V., die Aufgabe des Organisten.
Im Pfarrbrief und auf der Webseite der Pfarrei wurden die Gläubigen regelmäßig über den Stand der Überlegungen informiert, so daß sich niemand überrumpelt fühlen mußte. Zusätzlich wurde in den drei Kirchen der Pfarrei schriftliches Informationsmaterial unter dem Titel „Ein neuer Anfang für eine alte Liturgie“ zur Mitnahme ausgelegt. Darin erläutert der Pfarrer die Absichten des Papstes und die Hintergründe und Konsequenzen von „Summorum Pontificum“.
Insgesamt gestaltete sich dieser Prozeß der Vorbereitung sehr entspannt und offen. Es sollte von vornherein deutlich werden, daß hier nicht das liturgische Bedürfnis einiger weniger Traditionalisten gestillt werden sollte, sondern die Liturgie selbst in ihrem Eigenwert sichtbar und erlebbar gemacht werden möchte und zwar in einer „normalen“ Kirche einer „normalen“ Pfarrei und nicht in der Verborgenheit von Krankenhauskapellen oder anderen eher unschönen Räumen, in die man jahrelang die „Alte Messe“ abgeschoben hatte.
Der Personenkreis der Teilnehmer war anfangs weder nach Zahl noch nach Herkunft zu kalkulieren. In erster Linie sollte sich das Angebot natürlich an die Pfarrangehörigen richten. Nun ist die Herzogenrather Marien-Kirche seit 2005 eine Filialkirche der Pfarrei St. Gertrud, die zu diesem Zeitpunkt aus eigener Initiative des Pfarrers und der Gremien durch Fusion mit zwei Nachbarpfarreien vergrößert wurde. Die Marien-Kirche ist 1915 im neubarocken Stil erbaut und hat einen prächtigen Hochalter und zwei schöne Seitenaltäre, so daß für alle Formen der Zelebration Möglichkeiten vorhanden sind. Die alten liturgischen Bücher sind vorhanden und was die Paramente betrifft, so hat die Pfarrei einen außerordentlich großen und gut restaurierten Paramentenschatz vorzuweisen. Die historischen Gewänder stammen allesamt aus der Zeit, als St. Marien noch bis zur Säkularisation Patronatskirche des unweit entfernt gelegenen Augustiner-Chorherrenstift Klosterath, heute „Rolduc“ (NL), war. Die meisten Gewänder sind römisch-barock. Die ältesten aus dem frühen 16. Jahrhundert. Ebenso verhält es sich mit der Goldschmiedekunst. Alle Paramente und Geräte finden ohnehin in der täglichen liturgischen Praxis ständige Verwendung. Die „Requisiten“ sind also allesamt vorhanden, um eine schöne und feierliche Liturgie zu zelebrieren.
Für die praktischen Vorbereitungen war es ein günstiger Umstand, daß die liturgischen Schulungen, die im August und im November 2007 von Pro Missa Tridentina e.V. und Sinfonia Sacra e.V. durchgeführt wurden, in der Herzogenrather Pfarrei stattfanden.
So konnten sich der Pfarrer, der Sakristan und Ministranten kompetent ausbilden lassen. Dabei ging es keineswegs nur um das Training von Rubriken, sondern auch um das, was in der vorkonziliaren Priesterausbildung oftmals zu kurz gekommen ist: um eine liturgische Praxis auf der Basis liturgischer und liturgiehistorischer Einsichten. So gingen bei den Herzogenrather Schulungen den praktischen Übungseinheiten theoretische Grundlagen in liturgiewissenschaftlichen Vorträgen voraus.
Auf diese Weise gerüstet konnten der Ortspfarrer und sein Team jeweils montags und samstags eine zusätzliche Hl. Messe im tridentinischen Ritus anbieten. Am 3. Dezember 2007 um 18.30 Uhr war „Premiere“ für die erste offizielle Hl. Messe im tridentinischen Ritus seit fast 40 Jahren. Sie wurde als Stille Heilige Messe am Seitenaltar gefeiert, weil man mit einer eher überschaubaren Zahl von Gläubigen rechnete. Aber schon bei der ersten Hl. Messe war das Seitenschiff für die 53 Teilnehmer zu klein. Zudem war die Wirkung einer Stillen Heiligen Messe besonders auf diejenigen, die einen neuen Zugang zur alten Liturgie suchen, zu trocken und unprätentiös. Daher entschied man sich schon bei der zweiten Meßfeier, sowohl an den Hochaltar zu gehen, als auch grundsätzlich die Liturgie musikalisch als Missa cantata zu gestalten. Besonders auf dem Hintergrund des grundsätzlichen Anliegens, die Missa Romana in ihrer klassischen Gestalt wieder ans Licht zu heben, ist es unerläßlich, sie nicht nur als Stillmesse zu feiern, sondern sie zum Klingen zu bringen. Dies geschieht in erster Linie durch den Gesang des Gregoranischen Chorals.
In Herzogenrath ist es seither Praxis, daß das Proprium – zumindest solistisch, in Abständen auch durch eine Schola – gesungen wird und das Ordinarium mit den Gläubigen im Wechsel. So wird deutlich, daß die Alte Liturgie keineswegs eine (recht verstandene) Participatio actuosa der Gläubigen verhindert oder gar eine reine Priesterliturgie ist. Der Choral ist und war integraler Bestandteil der Liturgie und bringt die Messe buchstäblich zum Klingen. Er ist keine Dekoration, die - wie andere nicht notwendige Verschönerungen - beiseite gelassen werden dürfte. Die in den 1950er-Jahren übliche Praxis der Bet-Sing-Messe sollte daher in Herzogenrath nicht wiederbelebt werden, obwohl – je nach den aktuellen musikalischen Möglichkeiten – ausnahmsweise auch einmal ein Lied einen Teil des Propriums ersetzen könnte.
Die Gläubigen erhalten zum Mitvollzug der Liturgie ein Heftchen, in dem der Ordo Missae inklusive einiger Choralmessen abgedruckt ist. Um das Verständnis der Tagestexte zu erleichtern, gibt es zusätzlich für die Hand der Gläubigen einen Zettel im DIN A5-Format, auf dem einige grundsätzliche Hinweise zur Mitfeier (insbesondere zur Art und Weise des Kommunionempfangs) und Übersetzungen der Texte sowie Erläuterungen zur aktuellen Tagesliturgie (Heiligenvita o.ä.) aufgeführt sind. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß die Gläubigen zu reinen Zaungästen der Liturgie werden, zumal in Herzogenrath neben einem regelmäßigen Stamm von Besuchern, die in der alten Liturgie schon länger zu Hause sind, fast jede Woche auch neue Interessierte hinzustoßen, die Hilfen zum Mitvollzug brauchen.
Um einmal eine Statistik regelmäßiger Besucher zu erstellen, liegen in der Kirche Formulare aus, mittels derer die Gläubigen ihr regelmäßiges Interesse an der Teilnahme an der tridentinischen Liturgie per Unterschrift erklären können. Daraus geht auch der Wohnort, das Alter und der Beruf hervor, Angaben, die wichtig für die Statistik sind.
Bisher haben 80 Personen eine solche Erklärung unterzeichnet, die keinen Antrag oder ähnliches bedeuten soll, sondern eine Absichtserklärung darstellt. Die Summe der Unterzeichner zeigt einen sehr ausgewogenen Schnitt, und man kann sagen, daß eine gute Mischung von Teilnehmern aller Alters- und Bevölkerungsschichten vorliegt. Jugendliche und alte Menschen, Hausfrauen und Rechtsanwälte, Studenten und Rentner, Studienräte und Handwerker, Ärzte und Angestellte, Teilnehmer, die schon länger mit dem Alten Ritus vertraut sind und solche, die völlig neu durch das neue Angebot einen Zugang gefunden haben und nun regelmäßig kommen.
Besonders herausragend war der Besuch der tridentinischen Liturgie am 17. Januar 2008 durch Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die - im Vorfeld der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst in Aachen – zu einer Veranstaltung der Herzogenrather Montagsgespräche in der Pfarrei zu Gast war. Sie nahm nicht nur ganz bewußt an der „Alten Messe“ teil, sondern gab sowohl der Presse und dem Fernsehen, als auch bei der Veranstaltung selbst Zeugnis von ihrer persönlichen positiven Haltung dem alten Ritus gegenüber. So wurde die Diskussion zum Thema „Alte Messe“ buchstäblich über Nacht auf ein ganz anderes Niveau gehoben. Das WDR-Fernsehen übertrug in den Abendnachrichten live während der Hl. Messe in der überfüllten Marienkirche und die Tagespresse, einschließlich der Bild-Zeitung, berichteten äußerst positiv über das von über 350 Teilnehmern besuchte Publikumsgespräch mit der Fürstin und ihre Stellungnahme zur alten Liturgie.
Leider unterschlug die Kirchenzeitung für das Bistum Aachen diese Dimension des hohen Besuches in ihrer Berichterstattung völlig. Der Förderverein St. Gertrud e.V. hat jedoch einen Live-Mitschnitt des interessanten und kurzweiligen Abends, bei dem Fürstin Gloria charmant und mit Tiefgang auch Zeugnis für die Alte Messe ablegt, auf einer professionell produzierten CD festgehalten, die bei der Pfarrei erworben werden kann, damit sich jeder ein Bild von dem außergewöhnlichen Ereignis machen kann, daß sicher nicht nur in Herzogenrath neue Maßstäbe in Sachen tridentinische Liturgie gesetzt hat.
Zum jetzigen Zeitpunkt entwickelt sich das „neue“ Liturgieangebot in Herzogenrath stetig und positiv. Es findet dank der gründlichen Vorbereitungs- und Aufklärungsarbeit im Vorfeld eine solide Akzeptanz in der Pfarrgemeinde. Im Rahmen der Herzogenrather Montagsgespräche findet am 6. Oktober 2008 ein Vortrag von P. Rodrigo Kahl OP statt, bei dem es nach einem Jahr liturgischer Praxis auch eine inhaltliche Beschäftigung für die Pfarrangehörigen geben wird. Natürlich ist der Humus für das Wachsen des tridentinischen Pflänzchens die liturgische Praxis der Pfarrei, die durch die persönliche Ausrichtung des Pfarrers auch vor dem 7. Juli 2007 schon sehr traditionell war.
In ausführlichen Gesprächen wurde sowohl das Generalvikariat als auch der Bischof persönlich durch den Pfarrer über den Stand der Dinge informiert. Dennoch hat die bischöfliche Pressestelle - vielleicht gerade wegen des solide konzipierten und breit akzeptierten Angebots in Herzogenrath – in einer Pressemeldung vom 13. Februar 2008 den Eindruck erweckt, es gäbe lediglich drei Meßorte für den alten Ritus im Bistum Aachen und sich dabei auf jene Stätten bezogen, wo nach Antrag von Gläubigen zelebriert wird. Die vierte Kirche, in der ein Pfarrer das „tridentinische Angebot“ nicht in erster Linie für antragstellende Traditionalsten setzt, sondern es von sich aus in seine reguläre Seelsorge und liturgische Praxis einbaut, wird geflissentlich übergangen.
Als weiterer Mißton machte sich ein Leserbrief des Bonner Liturgiewissenschaftlers Prof. Dr. Albert Gerhards im Oktober 2007 in der Aachener Kirchenzeitung bemerkbar. Er unterstellte ohne Kenntnisnahme der Sachlage den Teilnehmern der oben erwähnten Liturgieschulung in Herzogenrath nicht nur Inkompetenz und Unprofessionalität, sondern auch, „daß sie keineswegs das Zweite Vatikanische Konzil bejahen“ (vgl. KiZ für das Bistum Aachen, Nr. 41/08, S. 13) – ein ungeheuerlicher und durch nichts zu rechtfertigender Vorwurf. Er wirkt deswegen besonders schwer, weil ja gerade durch das Motu proprio des Heiligen Vaters die Zeiten beendet werden sollten, wo per se jeder, der sich für den alten Ritus interessiert, automatisch zu den Lefebvristen gerechnet wurde. Trotz Gegendarstellungen in der Presse und persönliche Bitten hat der Bonner Professor seinen ungerechtfertigten Vorwurf bis zum Redaktionsschluß nicht zurückgenommen.
Nun sind diese mißtrauischen Beurteilungen und unfairen Behandlungen zwar ärgerlich, aber für die Sache selbst unerheblich. Denn die Befreiung des Alten Ritus durch den Heiligen Vater aus seiner jahrzehntelangen Verbannung und Stigmatisierung und auch die damit einhergehende Lösung der Alten Messe aus dem Kontext kirchenpolitischer Positionsbestimmungen wird ihr übriges tun. Die „Alte Messe“ ist eben keine alte Messe! In ihr lebt der Atem der Jahrhunderte und sie bringt das zu uns, was die Apostel und die Alte Kirche als kultische Erfüllung des Gebotes Christi im Abendmahlssaal verstanden.
Wir dürfen zuversichtlich sein, daß jenseits allen Streites und aller Strategien, die „Alte Messe“ ihre stille aber tiefe Wirkung haben wird. Der Geist der alten Liturgie kann nicht propagandistisch vermarktet werden. Er braucht Zeit, Stille und Konsequenz. Die „Alte Messe“ wird daher nicht dadurch in die Herzen der Menschen getragen, daß sie zum Gegenstand für das Antragsformular verkommt. Sie muß mit viel Liebe von den Priestern zelebriert und gepflegt werden. Sie muß in feierlicher Form und in öffentlich präsentablen Räumen gefeiert werden. Und sie darf sich nicht zur privaten Vorliebe stempeln lassen. Sie ist die Liturgie der Jahrhunderte. Deshalb wird sie auch nicht sterben. Vieles ist in Herzogenrath zwar noch in den Anfängen. Aber ebenso vieles lebt heute in vorzeigbaren Formen, was vor einem Jahr noch niemand zu träumen gewagt hatte. Eines ist damit in Herzogenrath bewiesen: daß die Glut wieder entflammbar ist!
Wir entnehmen diesen Bericht der Website von Sinfonia Sacra.