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Liturgie: Im Himmel wie auf Erden

Bild: Michiel Coxcie nach Jan van Eyck, Bode-Museum BerlinNicht ohne Grund präsentieren wir heute Scott Hahn: Das Mahl des Lammes unmittelbar nach Joseph Ratzingers „Geist der Liturgie“. Ritusfragen in dem Sinne, wie sie die Anhänger der überlieferten Liturgie beschäftigen, sind dem aus der protestantischen Bibelwissenschaft kommenden Autor eher unzugänglich. Sein Ausgangspunkt ist die hl. Messe in Ihrer Idealform, so wie sie von der Kirche gewollt ist, und nicht in der Realform, wie sie an vielen Sonntagen in vielen Gemeinden stattfindet. Daß es zwischen diesen beiden Formen große Unterschiede geben kann, ist Hahn bewußt. Er geht darauf mit einigem Recht nicht näher ein, denn nur die Idealform kann sinnvoll mit der Feier im himmlischen Jerusalem verglichen werden – und an deren Schilderung im Buch der Apokalypse hat Hahn sein Verständnis von der Liturgie der Messfeier entwickelt. Damit steht er duchaus nahe bei Joseph Ratzingers kosmologischen Verständnisses der Liturgie, auch wenn dieser Ansatz aus der tradionsorientierten katholischen Perspektive nicht ganz so geläufig sein mag.

Als versierter amerikanischer Autor beginnt Hahn sein Buch mit überaus persönlichen Abschnitten, in denen er sein bemerkenswertes Entdeckungserlebnis schildert. Es führte ihn innerhalb weniger Tage vom strenggläubigen protestantischen Theologen, der sich neugierig, aber mit schlechtem Gewissen in einen ketzerischen papistisch-katholischen Gottesdienst geschlichen hat, zu der bemerkenswerten Erkenntnis, daß es sich bei diesem Gottesdienst um ein irdisches Abbild der in der Apokalypse beschrieben ewigen Liturgie des Himmels handelt, in der der Herr wahrhaft gegenwärtig wird. Dieses Erlebnis führte ihn konsequent zur Konversion und hat ihn, den Bibelkenner, so geprägt, daß er seine „Meßerklärung“ ganz aus der Perspektive dieses letzten und für viele eher am Rande liegenden Buches des neuen Testaments herleiten kann.

Der Vergleich des Erlösers sowohl mit dem Guten Hirten als auch mit dem geduldigen Lamm ist den Evangelien gemeinsam. Doch nur bei Johannes wird der Erlöser auch direkt als das Lamm selbst angesprochen – nicht zahm und kraftlos, sondern als Herrscher und Richter auf dem himmlischen Thron. Vom alttestamentarischen Begriff des Opferlammes her entwickelt Hahn seine Beschreibung der Messe als des wahren Opfers. Das hat in dieser Perspektive gerade denen viel zu sagen hat, denen die Rede vom „Messopfer“ vielleicht allzu leicht über die Lippen geht. Hahn oder zumindest sein deutscher Übersetzer verwendet in diesem Zusammenhang den hierzulande eher unüblichen Begriff „Pascha-Opfer“ und zeigt damit an, daß er nicht der Gefahr erlegen ist, die allzuoft hinter der Rede vom „Pascha-Mysterium“ lauert: Nur die glorreiche Auferstehung wahrzunehmen und das Opfer am Kreuz zu vergessen‘. Ohne Opfertod keine Auferstehung.

Nach dieser grundlegenden Klärung fährt das Buch mit einem Abriß der Geschichte des Messopfers fort, und auch hier greift Hahn weit in die Geschichte des Alten Bundes zurück. Dabei orientiert er sich an Ratzingers entsprechenden Darlegungen in Das Fest des Glaubens und vermeidet so ein weiteres Mißverständnis: In der hl. Messe bloß ein Wiederaufgreifen des letzten Abendmahls oder der sakralen Mahlfeiern des Judentums zu sehen. Nach dem Abriß der Geschichte folgt ein ebenso knapper, aber viele grundlegenden Gedanken bietender Durchgang durch die wesentlichen Gebete und Aktionen der Messfeier – auch hier wieder in Anlehnung an die Messtheologie Ratzingers, aber stärker orientiert an den Bedürfnissen von Lesern ohne besondere theologische Vorbildung.

Bei alledem wird deutlich: Auch wenn die Messe die Scott Hahn im Jahr 1985 besuchte und die seine Konversion in Gang setzte, eine im neuen Ritus gewesen sein dürfte – der Geist der Liturgie, dem er dort begegnete und den er in seinem Buch beschreibt, war der der „Messe alle Zeiten“, die in verschiedenen Riten gefeiert werden kann, aber nur einen Geist hat.

Mit der Vorstellung der wesentlichen Elemente der Messfeier endet der erste Teil des Buches, der sich sehr gut als Einführung für Leser, auch junge, eignet, die noch keinen tieferen Einblick in das Wesen der heiligen Messe haben. Im in der Folge versucht Hahn, das Verständnis der liturgischen Geheimnisse zu vertiefen, und dazu stellt er im zweiten Teil das Buch des hl. Johannes vom Ende der irdischen Zeit und dem Anbruch des himmlischen Jerusalem eingehender vor. Zunächst beschreibt er das Verständnis der Geheimen Offenbarung aus der Sicht der Zeitgenossen des hl. Johannes und wendet sich dann der näheren Vorstellung der ‚dramatis personae‘ zu , die in diesem Abschlußdrama der irdischen Geschichte Auftritt und Rolle haben. Weitere Erklärungen gelten dem letzten Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis und schließlich dem Tag des Gerichtes. Dieser Teil steht unter der bemerkenswerten Überschrift „Seine Barmherzigkeit ist furchterregend“. Ein Kernsatz lautet:

Gott ist die Liebe (1. Joh 4,8), doch seine Liebe ist ein verzehrendes Feuer (Hebr 12,29), das hartnäckige Sünder unerträglich finden. Gottes Vaterschaft mindert nicht den Ernst seines Zorns und den Standard seiner Gerechtigkeit. (S. 104)

Auf dem Hintergrund dieser Einführung geht Hahn dann zum dritten Teil über: Offenbarung für die Messe. Für den Leser ist es dabei manchmal gar nicht so leicht zu entscheiden, ob und wieweit der Autor nun die Apokalypse von der Messliturgie oder die Messliturgie von der Apokalypse her erklärt – von Hahns Position aus macht das keinen großen Unterschied, da diese Offenbarung auf ihre ganz eigene Weise eben genau von dem handelt, dessen Feier der Gegenstand jeder heiligen Messe ist. In der Messe berührt der Himmel die Erde, ja, tatsächlich ist die hl. Messe der Himmel auf Erden. Hahn zitiert dazu einige Passagen aus dem Katechismus, die hier ebenfalls wiedergegeben werden sollen, da sie ausweislich der an vielen Orten gegenwärtig anzutreffenden liturgischen Praxis offenbar in Vergessenheit geraten sind.

In der Tat gesellt sich Christus in diesem so großen Werk [der Liturgie], in dem Gott vollkommen verherrlicht wird und die Menschen geheiligt werden, immer die Kirche zu sein, seine hochgeliebte Braut, die ihren Herrn anruft und durch ihn dem ewigen Vater Verehrung erweist ... [eine Verehrung], die an der himmlischen Liturgie teilnimmt (KKK 1089).

Und weiter;

Die Liturgie ist ein „Tun" des ganzen Christus ... Diejenigen, die sie schon jetzt ohne Zeichen feiern, sind bereits in der himmlischen Liturgie ... (1136).

Und schließlich:

In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem, zu der wir pilgernd unterwegs sind, gefeiert wird, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt, der Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes; [in der irdischen Liturgie] singen wir dem Herrn mit der ganzen Schar des himmlischen Heeres den Lobgesang der Herrlichkeit ... (1090).

Das klingt nicht nur zufälig wie in der Offenbarung des Johannes – der Katechismus stellt selbst genau diese Verbindung her:

Die Offenbarung dessen, „was bald geschehen muß", die Apokalypse, ist von den Gesängen der himmlischen Liturgie und von der Fürbitte der „Zeugen" [Märtyrer] getragen ... In Gemeinschaft mit ihnen singt auch die Kirche auf Erden diese Lobgesänge im Glauben und in der Prüfung (2642).

Der Vergleich und die gegenseitige Erklärung von Liturgie der hl. Messe und der in der Apokalypse angedeuteten Liturgie des himmlischen Jerusalem ist also keine etwas abseitige Idee eines aus der protestantischen Tradition kommenden Bibelkundlers, sondern gehört zum Grundbestand des katholischen Glaubens.

Die Einzelheiten dieses Vergleichs, dieser Parallelisierung, können hier nicht weiter ausgebreitet werden – dazu sollte man schon zum Buch selbst greifen. Es umfasst 170 größtenteils leicht verständlich beschriebene Seiten und ist im Sankt Ulrich Verlag, Augsburg, erschienen.

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