Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Die Bedeutung der Bewegung erfassen

Abbé Régis de Cacqueray zum Jahrestag von Summorum Pontificum

Dieser Text erschien als Editorial in der September/Oktober-Ausgabe von Fideliter – das ist das offizielle Mitteilungsblatt der Piusbruderschaft in Frankreich. Wir haben ihn nach seiner Wiedergabe auf der französischen Website der FSSPX La Porte Latine übersetzt und einige Kommentare hinzugefügt..

Im Lauf des letzten Jahres sind widersprüchliche Beurteilung über das im Juli 2007 erlassene Motu Proprio Summorum Pontificum veröffentlicht worden. Aus der Rückschau gewinnt man jetzt ein klareres Bild.

Ich denke, der wesentliche Punkt zu seiner korrekten Interpretation besteht darin, es als die Einleitung einer Bewegung auf dem Feld der Liturgie und damit der Kirche selbst anzuerkennen – Lex Orandi – Lex credendi. Nur durch eine Bewertung der Bedeutung und des Umfangs dieser Bewegung kann man ein ausgewogenes und begründetes Urteil fällen.

Diese beiden einleitenden Absätze können als eine vorsichtige Distanzierung zu einigen doch eher schrillen Äußerungen zum Motu Proprio aus der Bruderschaft gelesen werden: Es ist bis jetzt vielerlei, auch unausgewogenes und unbegründetes, gesagt worden – nun wollen wir die Sache einmal in Ruhe angehen. Jedenfalls fällt auf, daß de Cacqueray sich in diesem Editorial jeder Polemik enthält.

Eine Bewegung muß einen Ausgangspunkt haben. Wie sah die Lage der Liturgie im Juni 2007 aus? Sie war gekennzeichnet durch die nahezu vollständige Dominanz der sogenannten Messe Papst Pauls VI. Und die nahezu vollständige Ausschaltung der traditionellen Messe, die als völlig veraltet oder gar geradewegs verboten angesehen wurde.

Es gab zwei sehr kleine Gruppierungen, die sich dem entgegenstellten. Auf der einen Seiten die „Traditionalisten“, die beständig sagten, daß die traditionelle Messe nicht verboten war und nicht verboten werden kann, die die Messe Pauls VI. niemals akzeptierten und deshalb von den kirchlichen Autoritäten in Acht und Bann getan wurden. Auf der anderen Seite die „Ecclesia Dei“ Gruppierungen, die aufgrund der Gewährung einiger Ausnahmeregelungen wenn auch unter einschränkenden Bedingungen die Erlaubnis hatten, die traditionelle Messe zu feiern soweit sie das mit einer spirituellen Anhänglichkeit/Vorliebe begründeten.

Hier also die Schilderung der Differenz zwischen FSSPX und Ecclesia Dei aus der Sicht der FSSPX: Wir "akzeptieren" (das bestreitet nicht ihre Gültigkeit) die Messe Pauls VI. nicht – Ecclesia Dei gemeinschaften müssen sie im Prinzip akzeptieren, dürfen jedoch quasi aus spiritueller Anhänglichkeit an die alte Form diese weiterhin feiern.

Der erste Artikel des Motu Proprio ist eindeutig unakzeptabel : Die traditionelle Messe und die Messe Pauls VI sind zwei Zelebrationsweisen des einen Römischen Ritus. Aber diese Formel markiert nur einen Ausgangspunkt. Und von dieser katastrophalen Ausgangslage aus bereitet das Motu Proprio weitaus umfassendere Möglichkeiten für die Feier der traditionellen Messe als alles, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen war. „Das vom hl. Pius V. promulgierte und vom sel. Johannes XXIII. neu herausgegebene Römische Messbuch ... soll sich aufgrund seines verehrungswürdigen und alten Gebrauchs der gebotenen Ehre erfreuen.“ „Demgemäß ist es erlaubt, das Messopfer nach der vom sel. Johannes XXIII. promulgierten und niemals abgeschafften Editio typica des Römischen Messbuchs als außerordentliche Form der Liturgie der Kirche zu feiern.“ „Jeder katholische Priester des lateinischen Ritus - sei er Weltpriester oder Ordenspriester – kann das vom seligen Papst Johannes XXIII. im Jahr 1962 herausgegebene Römische Messbuch verwenden“, „für eine solche Feier (...) benötigt der Priester keine Erlaubnis, weder vom Apostolischen Stuhl noch von seinem Ordinarius“.

Und weiter möchte der Papst in seinem Brief „darauf aufmerksam machen, daß dieses Missale nie rechtlich abrogiert wurde und insofern im Prinzip immer zugelassen blieb.“ So öffent das Motu Proprio für jedermann die Tür zur traditionellen Liturgie – und es waren wirklich allzuviele, denen man das rechtswidrigerweise in den letzten 40 Jahren vorenthalten hatte.

Hier fasst Abbé de Cacqueray also noch einmal die wesentlichen Ergebnisse des Motu Proprio zusammen - innerhalb wie außerhalb der Piusbruderschaft zweifellos noch einmal eine sinnvolle Erinnerung an den großen rechtlichen Schritt, den dieser Erlass des Papstes bedeutet.

Das „unakzeptabel“ im erstenSatz muß keinen Anlaß zum Streit bilden: Liturgiehistorisch stehen die beiden Missale sicher nicht für den gleichen Ritus, aber indem er sie rechtlich zu zwei Formen des einen römischen Ritus erklärt – und diese Vollmacht steht dem Papst als Gesetzgeber unbezweifelbar zu – eröffnet Benedikt erst das Feld für die auch von de Cacqueray anerkannten positiven Rechtsfolgen.

Das betrifft allerdings nicht diejenigen, die schon immer gewußt haben, daß die traditionelle Messe nicht verboten werden kann und deshalb mit reinem Gewissen an ihr teilgenommen haben. Für diese Minderheit der „Traditionalisten“ wäre die Anwendung des Motu Proprio ein Schritt zurück, es würde die Anerkennung von etwas bedeuten, was sie doch stets bestritten haben bedeuten, nämlich daß der Messe Pauls VI. „die gleiche Würde“ zukommt wie der traditionellen Messe.

Hier geht es erneut zum Kern der Sache - und gleichzeitig wird es etwas komisch. Natürlich betrifft die Veränderung der Rechtslage auch die Piusbruderschaft - zumindest wenn und soweit sie sich noch zur Kirche zählt. Und natürlich wird sie, wenn sie zur Kirche zählen will, auch anerkennen müssen, daß die Messe Pauls VI. genauso gültig gefeiert werden kann wie jede andere hl. Messe. Dann kann immer noch darüber diskutiert werden, ob sie auch genauso gut geeignet ist, den Glauben der Kirche gegenüber den Mitfeiernden zum Ausdruck zu bringen und ob sie tatsächlich stets gültig gefeiert wird.

Dabei bedient sich Abbé de Cacqueray eines rhetorischen Tricks: Um dem antirömischen Affekt in der Bruderschaft entgegenzukommen, widerspricht er der Feststellung des Papstes, beiden Formen der Liturgie komme „die gleiche Würde“ zu – er vermeidet jede Aussage zur Gültigkeit. Ist es eine Überinterpretation, hier den Verhandlungsspielraum für weitere Gespräche zu vermuten?

Anderserseits gewinnen nun diejenigen, die nur die Messe Pauls VI. kennen und unter dem Einfluß der Propaganda bis jetzt davon überzeugt waren, daß die traditionelle Messe verboten oder schlecht sei, nun durch das Motu Proprio Zugang zu dieser Messe und können beginnen, deren Reichtum zu entdecken.

Das ist die wesentliche Bedeutung der Bewegung, die der Papst in Gang gesetzt hat: Es bietet allen Getauften, denen das für Jahrzehnte vorenthalten wurde, erstmals die Gelegenheit, die traditionelle Liturgie der Kirche zu erleben und sich wieder mit ihr vertraut zu machen. Das ist zwar nur ein zögernder Schritt zur Bewältigung der liturgischen Krise, aber doch ein unentbehrlicher Anfang.

Die französischen Bischöfe, sie ganz besonders, die alles daran setzen, das Motu Proprio zu blockieren, einzudämmen oder zu entstellen, haben sich nicht geirrt.

Daher sollten wir uns auch selbst nicht in die Irre führen lassen.

Also, die wesentliche Bedeutung des Motu Proprio stellt sich für de Cacqueray uneingeschränkt positiv dar, „ein unentbehrlicher ester Schritt in der richtigen Richtung“. Den französischen Bischöfen unterstellt er – teilweise sicher zu Recht – die weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen erkannt zu haben und deshalb den Weg nicht mitgehen zu wollen. Und seine eigene Bruderschaft scheint er in dem etwas kryptischen letzten Satz dazu aufzufordern, diese positiven Konsequenzen ebenfalls nicht zu übersehen - und den vom Papst vorgezeichneten Weg nicht zu verweigern.