Interview mit Cardinal
Cañizares Llovera
„Die Operation ist nicht ganz glücklich verlaufen“
Cardinal Cañizares Llovera zur Lage der Liturgie
2. 4. 2009
Gianni Cardinale von 30giorni hat ein umfassendes Interview mit dem neuen Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst, dem spanischen Kardinal Antonio Cañizares Llovera gemacht. Wir übersetzen nach der englischsprachigen Fassung auf 30DAYS die Passagen des langen Artikels, die sich auf die Liturgie und die Bemühungen zur Rückkehr der Piusbruderschaft in die volle Einheit der Kirche beschäftigen

Bei der Bekanntgabe der Ernennung Foto: Osservatore Romano
Ihr Priesterstudium fiel in die Zeit des Übergangs von der vor- zur nachkonziliaren Zeit...
Cañizares Llovera: Ja, ich bin 1961 mit 16 Jahren in das Seminar von Valencia gekommen und habe dann von 1964 bis 1968 an der Päpstlichen Universität von Salamanca studiert und einen Abschluß in Theologie gemacht. 1970 wurde ich zum Priester geweiht, und im folgenden Jahr promovierte ich an der gleichen Universität über ein Spezialgebiet aus der Katechetik.
Dann sind Sie also der erste Präfekt der Gottesdienstkongregation, der von Anfang an mit dem nachkonziliaren Novus Ordo zelebriert hat...
Cañizares Llovera: Eindeutig. Ich habe erstmals 2007 nach dem Missale von 1962 zelebriert, als ich in Gricigliano bei Florenz zwei Priester für das Institut Christus König und Hoherpriester geweiht habe.
Anmerkung für Bischöfe, denen der Alte Ritus zu kompliziert erscheint: Bei einem richtigen Pontifikalamt stehen dem Bischof zwei Zeremoniare zur Seite, die ihn sicher durch die Abläufe der Feierlichkeit führen. Alle Bücher, aus denen etwas vorzutragen ist, werden ihm aufgeschlagen gereicht, auf die richtige Stelle wird eigens hingewiesen – wer bereit ist, sich der Führung der Rubriken anzuvertrauen, kann alles nur richtig machen.
Welche Erinnerungen haben Sie an die frühe Phase der Reform?
Cañizares Llovera: Ich denke, daß eine Vertiefung und Erneuerung der Liturgie notwendig war. Aber nach meiner eigenen Erfahrung ist die Operation nicht ganz glücklich verlaufen. Der erste Teil von Sacrosanctum Concilium hat das Herz des gläubigen Volkes nicht erreicht. Es gab eine Veränderung der Form, eine Reform, aber nicht die wahre Erneuerung, die Sacrosanctum concilium gefordert hatte. Manchmal änderte man Dinge nur, um sich von einer Vergangenheit zu distanzieren, die als schlecht und veraltet galt. Teilweise wurde die Reform als ein Bruch und nicht als organische Weiterentwicklung der Tradition aufgefasst. Von daher kann es zu den Problemen, die von den an der Form von 1962 hängenden Traditionalisten aufgeworfen wurden.
Dann hat die Reform tatsächlich also nicht voll dem Willen des Konzils entsprochen?
Cañizares Llovera: In erster Linie würde ich sagen, daß diese Reform sich in der Umsetzung und vor allem in der Wahrnehmung der Gläubigen als ein absoluter Bruch darstellte, als ob man einen Abgrund zwischen vor- und nachkonziliar aufreißen wollte, wobei „vorkonziliar“ als Schimpfwort gebraucht wurde.
Sie sind auch Mitglied der päpstlichen Kommission Ecclesia Dei. Wie sehen Sie das Motu Proprio „Summorum Pontificum“?
Cañizares Llovera: Auch wenn sich einige Leute darüber aufgeregt haben – das war eine ganz außerordentliche Geste kirchlicher Vernunft. Dadurch wurde ein Ritus, der die Kirche über 400 Jahre lang geistig genährt hat, als voll gültig anerkannt. Dieses Motu Proprio ist eine Gnade, es wird den Glauben der traditionell eingestellten Gruppen, die bereits in der Kirche stehen, stärken, und es wird dazu beitragen, daß die sogenannten Lefebvrianer zurückkehren. Tatsächlich wird es für alle eine Hilfe sein.
Sie hatten schon mit den Lefebvrianern zu tun – was halten Sie von der Aufhebung der Exkommunikationen der Bischöfe und den darauf folgenden Auseinandersetzungen?
Cañizares Llovera: Nun, mit den Lefebvrianischen Kreisen im eigentlichen Sinne hatte ich keinerlei Kontakt. Bezüglich der Aufhebung der Exkommunikationen denke ich ganz schlicht: Das war ein Akt gnädigen Entgegenkommens von Seiten des Heiligen Vaters, um ihre volle Rückkehr in die Kirche zu unterstützen. Es liegt auf der Hand, daß das nur geschehen kann, wenn sie das ganze Lehramt der Kirche einschließlich der Lehren, die vom 2. Vatikanum und den jüngeren Päpsten ausgesprochen wurden, anerkennen. Aber wir müssen sehen, daß die Einheit untrennbar ist vom Kreuz.
Was sagen Sie zu den Ausführungen von Bischof Williamson, der die Shoa leugnet oder kleinredet?
Cañizares Llovera: Das ist Unsinn, den die Päpste und der Heilige Stuhl bereits mehrfach entschieden zurückgewiesen haben. Ich hoffe und bete, daß die betreffende Person sich davon so schnell wie möglich offiziell und unzweideutig distanziert. Aber ich möchte hinzufügen, daß die Art, in der man den Papst hier angegangen ist, auch von innerkirchlicher Seite, keinen schönen Anblick geboten hat. Glücklicherweise hat zumindest die Spanische Kirche eine schöne Erklärung ihrer treuen Unterstützung für unseren großen Benedikt XVI. herausgegeben.
Lassen Sie uns noch einmal zur Liturgie zurückkehren. Als Erzbischof von Toledo haben Sie auch in dem uralten Mozarabischen Ritus zelebriert...
Cañizares Llovera: Ja. Tatsächlich wird in der Kathedrale von Toledo jeden Tag die hl. Messe in diesem alten Ritus zelebriert und auch die Vesper gesungen – in einem Ritus, der die tridentinischen Reformen überlebt hat. Man muß daran erinnern – auch wenn das einigen Leuten nicht gefällt – daß das sogenannte Missale von Pius V. keinesfalls alle früheren Riten abschaffte. Die Riten, die auf eine mehr als zweihundertjährige Vergangenheit zurückschauen konnten, durften erhalten bleiben. Der Mozarabische Ritus – gemeinsam etwa mit dem Eigenritus des Dominikanerordens – war einer davon. Tatsächlich gab es auch nach dem Konzil von Trient in der Liturgie der lateinischen Kirche keine Uniformität des Ritus.