Nachrichten aus Cardiff – 1. Folge
Trick 17 oder „Mit Messdienerinnen gegen die alte Messe“
19. 5. 2008
Damian Thompson veröffentlicht soeben in seinem Blog einen Bericht über die Einzelheiten der Auseinandersetzung zwischen dem Dekan der Kathedrale von Cardiff und Latin Mass Society von England und Wales, der schließlich zum Rückzug der LMS von diesem seit Monaten betriebenen Vorhaben führte. Wir übersetzen den Text vollständig mit einigen Kommentaren.
Ende 2007 stimmte der Dekan der Kathedrale, Kanoniker Peter Collins, einem von Mr. Kingsley Lewis als Vertreter der LMS eingebrachten Antrag für die Feier einer traditionellen Messe in der Kathedrale zu. Der Dekan selbst macht den Vorschlag, diese Messe an Stelle des üblichen sonntäglichen Hauptgottesdienstes zu feiern. Die LMS richtete sich daher umfassend darauf ein, daß Abt Paul Stonham OSB von Belmont ein Pontifikalhochamt in der außerordentlichen Form feiern könnte.
Die LMS traf die meisten für die Feier der Messe erforderlichen Vorbereitungen, sie ließ ihren Liturgieexperten Mr. Gordon Dimon von London anreisen, um als Zeremoniar zu fungieren, sie ließ Gewänder nach Cardiff kommen und sorgte dafür, daß geschulte Messdiener vorhanden wären. Die LMS hat in erheblichem Umfang Zeit und Mittel aufgewandt, um der Messe einen möglichst würdigen Rahmen zu geben. Dem Vernehmen nach will die LMS jetzt dem Dekan ihre Dienstleistungen in Rechnung stellen.
Am Abend des Donnerstags, des 15. Mai führte Herr Lewis einer Einweisung der Messdiener der Kathedrale in den alten Ritus durch, daran nahm auch der Dekan teil, der bei der Messe als assistiernder Priester fungieren sollte. Erst bei dieser Gelegenheit erfuhr Mr. Lewis, daß Kanoniker Peter Collins vorhatte, auch eine Messdienerin im Altarraum einzusetzen. Mr. Lewis erklärte, daß dies nach den Rubriken und dem Recht für den Ritus des seligen Papstes Johannes XXIII von 1962 nicht möglich sei, allerdings ohne damit Gehör zu finden.
Diese Rechtsauffassung ist so vermutlich nicht zu halten. Während die Rubriken von 1962 integraler Bestandteil des Missales sind, kann das nicht für das kanonische Recht von 1917 zutreffen, das in dieser Zeit galt. Das kirchliche Gesetzbuch wurde 1983 komplett überarbeitet, damit hat das frühere Sseine Geltung verloren. Nach der heute gültigen Form ist der Einsatz von „Laien“ ohne Differenzierung nach dem Geschlecht in assistierender Funktion im Altarraum zulässig. Zulässig heißt jedoch nicht verpflichtend, und tatsächlich hat die Gottedienstkongregation in einem Schreiben vom 27. Juli 2001 unter Protokoll Nr. 2451/00/L festgestellt, daß auch da, wo der Ortsbischof auf Grundlage des geltenden kanonischen Rechtes Messdienerinnen zuläßt, kein Priester veranlaßt werden kann, für die von ihm gefeierten Messen Messdienerinnen einzusetzen.
Während also die rechtliche Begründung der LMS zumindest zweifelhaft ist, hat sie in der Sache doch recht. Der Dekan der Kathedrale hat sich dagegen ganz eindeutig einer Verletzung der geltenden Vorschriften schuldigt gemacht - auf wessen Druck und Veranlassung auch immer.
Anschließend besprach er sich mit dem obersten Zeremoniar der LMS und dem Geistlichen, der bei der Messe als Diakon amtieren sollte, und man war gemeinsam der Ansicht, daß der Ritus von 1962 nicht in Anwensenheit von Damen im Altarraum gefeiert werden solle. Der Vorsitzende der LMS, Julian Chadwick, bestätigte, daß dies die entschiedene Haltung der LMS ist.
Mit dieser Haltung dürfte die LMS die Haltung der überwiegenden Mehrheit aller Anhänger des alten Ritus ausdrücken. Der Einsatz von Messdienerinnen wird aus (mindestens) drei Gründen abgelehnt:
- Ist der Einsatz von Messdienerinnen von progressisiischen Gruppierungen dem Papst durch offenen Ungehorsam abgetrotzt worden – ein Element von vielen, das nach dem Konzil den Bruch mit den Tradition und ein siegesgewisses „ab jetzt wird alles anders“ signalisieren sollte,
- ist die Funktion von Frauen im Altarraum in jeder Funktion nicht nur eine demonstrative Abkehr von der Tradition, sondern auch von allem Schriftverständnis der Kirche in 2000 Jahren mit weitgehenden theologischen Implikationen,
- wird der Einsatz von Messdienerinnen sowohl von seinen Befürwortern als auch von den Gegnern als „erster Schritt“ auf dem Wege zu der vom Zeitgeist verlangten „Öffnung des Priesteramtes für Frauen“ gesehen. Wenn die Messe unter Beteiligung der LMS stattgefunden hätte, wäre das für viele Gläubige, die sich der außerordentlichen Form des Ritus verbunden fühlen, ein Ärgernis gewesen, das beträchtliche Unruhe verursacht hätte.
Mr. Lewis telephonierte am folgenden Vormittag (Freitag) mit Kanoniker Collins, um ihn darüber zu informieren, daß die LMS sich im Gewissen außerstande sehe, an der Messe teilzunehmen. Die Position der LMS und der dem alten Ritus verbundenen Gläubigen ist eindeutig: Wenn der Ritus des Sel. Papstes Johannes XXIII. verwandt wird, sind das Recht und das Ritual, die zu diesem Ritus gehören, zu berücksichtigen, und danach ist die Verwendung von Messdienerinnen nicht erlaubt. Dekan Collins weigerte sich, seine Position zu ändern oder die Gewissensentscheidung und den eindeutigen Wunsch der Anhänger des alten Ritus zu berücksichtigen.
Mr. Lewis schrieb daher eine Email an Erzbischof Peter Smith und bat ihn um sein Eingreifen, um sicherzustellen, daß die Messe in Übereinstimmung mit den Rubriken stattfinden könne und ein Ärgerniss für die Gewissen derer, die dieser Form anhängen, vermieden würde. Er erhielt jedoch keine Antwort.
Die LMS veröffentlichte noch am Freitag Abend auf ihrer Website eine Erklärung, aber zu diesem späten Zeitpunkt konnten bereits nicht mehr alle Gläubigen erreicht werden, die sich für eine teilweise lange Anreise zu dieser Messe eingerichtet hatten. Einige kamen am Sonntag mit dem Schlafwagen in Cardiff an. Die LMS hatte Mitglieder vor der Kathedrale bereitgestellt, um die Gläubigen zu informieren. In der Kathedrale wurde dann eine Messe nach dem neuen Ritus konzelebriert. Die Kathedrale war mit ungefähr 300 Gläubigen nahezu voll – gewöhnlich sind es etwa 35 – 40 Teilnehmer – aber sie erwarteten natürlich eine Messe im alten Ritus.
Wenn sich diese Zahlenangaben bestätigen, wäre das natürlich ein bemerkenswerter Hinweis auf die doch eher bescheidene Relevanz der für den Ritus Modernus in Anspruch genommenen pastoralen Überlegungen.
Dem Vernehmen nach erhielt die LMS am Montag zahlreiche Emails und Telephonanrufen von Gläubigen, die sehr empört waren und den Eindruck hatten von den Verantwortlichen der Kathedrale bewußt hintergangen worden zu sein.
Einen bitteren Nachgeschmack hinterläßt die grobe Unhöflichkeit, die Kanoniker Collins gegenüber den Geistlichen an den Tag legte, die eine weite Reise für die Feier der Traditionellen Messe auf sich nehmen mußten. Desgleichen die Mißachtung der Gläubigen, die sich zur Teilnahme an einer Messe nach dem Ritus von 1962 versammelt hatten, und die erleben mußten, daß statt der Einhaltung des Rechtes und der Rubriken von 1962 ihr Gewissen seitens des Kanonikers mit Absicht verletzt wurde.
Auch diese Argumentation kann so nur begrenzt überzeugen. Wenn das kirchliche Recht den Einsatz von Messdienerinnen erlaubt (wenn es auch ausdrücklich feststellt, daß „es immer sehr angemessen ist, der vorzüglichen Tradition des Einsatzes von Jungen als Messdienern zu folgen“), dann ist eine Ablehnung von Messdienerinnen aus Gewissensgründen nur umständlich zu begründen. Andererseits ist „grobe Unhöflichkeit“ eher zu niedrig gefgriffen: Der Haupteinwand gegen das Vorgehen des Dekans liegt u. E. darin, daß er durch seine vom Recht nicht gedeckte Forderung und die Rücksichtslosigkeit ihrer Durchsetzung nicht nur das Gebot der Nächstenliebe grob verletzt hat, sondern die in jedem Fall (entweder durch die Teilnahme der Messdierinnen oder durch das Nicht-Stattfinden des Pontifikalamtes) emotional beeinträchtigten bzw. skandalisierten Gottesdienstteilnehmer um die andächtige und ordnungsgemäße Teilnahme am Sonntagsgottesdienst betrogen hat.
Es ist klar, daß Papst Benedikt mit seinem Motu Proprio die Absicht verband, den alten Ritus weithin zugänglich zu machen und entsprechend seinen eigenen Rubriken und seinem entsprechenden Recht zelebrieren zu lasssen – das Verhalten von Kanoniker Collins war insoweit ein Akt des Ungehorsams gegenüber den Wünschen des Papstes.
Es ist davon die Rede, daß die LMS in dieser Angelegenheit einen Bericht für S.E. Kardinal Dario Castrillón Hoyos , den Präsidenten der Ko9mmission Ecclesia Dei, vorbereitet, der im Juni in die Kathedrale von Westminster kommt, um dort die außerordentliche Form der hl.Messe zu feiern.
Im Zeitalter des Internets kann man davon ausgehen, daß S.E. schon früher bestens informiert ist. Und sehr zu hoffen wäre, daß er aus diesem unendlich traurigen Vorkommnis der Einsicht näher kommt, daß nichts am Missale von 1962 so reformbedürftig ist, als daß diese Reform nicht ein paar Jahrzehnte warten könnte: Nur ein längeres Moratorium für das Missale von 1962 kann die Verletzungen heilen, die den Gläubigen, die „der alten Form des römischen Ritus verbunden“ sind, von den ebenso machtversessenen wie skrupellosen siegreichen „Revolutionären der Hermeneutik des Bruches“ in vier Jahrzehnten zugefügt worden sind und – wie in Cardiff – auch heute noch zugefügt werden.