Sie wollen den Bruch
Zu den Hintergründen der Feindschaft gegenüber der traditionellen Liturgie
17. 4. 2008
Eigentlich wollten wir auf das Thema Karfreitagsgebet nicht mehr zurückkommen. Der Papst hat die Formulierung genehmigt (sofern er sie nicht selbst verfasst hat), Dialogs-Obmann Kardinal Walter Kasper hat ihre theologische Korrektheit eingeräumt und festgestellt, daß es auch für Juden keinen Grund zur Empörung geben könne, und das Kardinalstaatsekretariat hat – passenderweise nach dem Karfreitag – eine feinziselierte Erläuterung herausgegeben, die bekräftigt, was ohnehin klar sein sollte: Vor wie nach „Nostra Aetate“ hält die Kirche daran fest, daß der Weg zum Heil für alle Menschen über das Erlösungswerk Christi geht.
Wenn wir das Thema nun doch wieder aufgreifen, dann deshalb, weil das bekannte theologische Fachblatt „Die Welt“ in einem Artikel vom 16. 4. noch einmal einige lautstarke Gegner der außerordentlichen Form des römischen Ritus aufgeboten hat, um sie ein bemerkenswertes Geständnis ablegen zu lassen: Es geht ihnen nicht um die Gefühle von Juden, es geht ihnen auch nicht um die Liturgie – sie wollen und können es nicht hinnehmen, daß der Papst auf vielerlei Weise, am klarsten aber in allem, was mit dem alten Ritus zusammenhängt, bekräftigt, daß das 2. vatikanische Konzil keinen Bruch in der Lehre der Kirche besiegelt und keine neue Religion begründet hat. Sie wollen den Bruch. Und dieses Geständnis in der Welt ist uns nun doch eine Notifikation wert.

18. 4. 2008: Besuch in der Park East Synagogue, NY
„Zur USA-Reise des Papstes erreicht der Streit um die Wiederzulassung der lateinischen Messe einen neuen Höhepunkt“ gibt der Autor seinem Artikel als Vorspann mit auf den Weg. Das klingt einigermaßen konfus, und hat doch seine Logik: Nachdem der deutsche Rabbiner Walter Homolka (ein Konvertit aus dem Christentum) sich in alarmistischen Tönen wegen des Gebetes überschlagen hat und die Präsidentin des Zentralrates der Juden dem Papst ultimativ ausrichten läßt, wenn das Gebet nicht bis zum Mai „korrigiert“ werde, könnten keine jüdischen Offiziellen am Katholikentag teilnehmen, ist es für die Scharfmacher einigermaßen irritierend, wenn der Papst morgen und übermorgen mit Vertretern jüdischer Gemeinden in Amerika zusammenkommt. Business as usual im interreligiösen Dialog – soll heißen: Man stimmt darüber ein, nicht übereinzustimmen, aber das in zivilisierten Formen.
Daß einigen Vertretern des deutschen Judentums nun die Contenance abhanden kommt, hat seinen Grund: Sie müssen erkennen, daß sie sich vor den Karren einer ganz bestimmten Richtung im deutschen Katholizismus haben spannen lassen, nämlich jener Richtung, die als letzten Trumpf zur Verhinderung einer Wiederzulassung der alten Messe schon vor Erlass von Summorum Pontifikum die jüdische Karte gespielt hat – in der irrigen Annahme, dieser in deutschen Machtspielchen mit unfehlbarer Sicherheit stechende Joker werde auch den „deutschen Papst“ zur Aufgabe zwingen. Nun, da der Bluff nicht funktioniert hat, bricht Panik aus.
Für Knobloch und Umfeld ist es schmerzlich, durch Einsatz am falschen Ort zur Entwertung des so nützlichen Jokers beigetragen zu haben. Und für die Feinde des alten Ritus, d.h. der katholischen Tradition und der authentischen Lehre der Kirche, wird erkennbar, daß ihr Spiel verloren ist:
Um Nostra Aetate oder das Verhältnis zu den Juden geht es bei alledem zuletzt – niemandem war es in den letzten Jahrzehnten aufgefallen, daß in den seit 1988 regelmäßig gefeierten Karfreitagsliturgien des alten Ritus auch eine alte, wenn man so will im Ton „vorkonziliare“ Fürbitte gebraucht wurde – und genau diesen Ton hat der Papst jetzt gemildert, ohne den Inhalt anzutasten.
Das passt der Welt überhaupt nicht:
Der Papst war gewarnt worden, als er den neuen Text formulierte. Auch und gerade aus der Kirche in Deutschland. Die Mahnungen wurden überhört. So war es schon bei der großzügigen Erlaubnis der Feier der "alten" tridentinischen Messe. Benedikt XVI. ein beratungsresistenter Nachfolger Petri? An seinem Moto proprio "Summorum Pontificum", veröffentlicht am 7. Juli 2007, arbeiten sich noch immer Liturgiewissenschaftler ab. Die Irritationen nehmen von Tag zu Tag zu. Der Bonner Professor Albert Gerhards rechnet mit einer bedenklichen Langzeitwirkung.“
Mit gutem Grund. Die Hermeneutik des Bruches, die von Gerhards und den meisten anderen deutschen Theologen seit Jahrzehnten in immer wieder neuen Varianten gelehrt und gepredigt worden ist, ist nicht mehr zu verteidigen – es sei denn, man bekenne sich offen zu einem Bruch mit der Gemeinschaft der Kirche der Jahrtausende und ihrer Heiligen. Der Mythos vom „Geist des Konzils“, der viel mehr und ganz anderes gewollt habe, als in den Texten steht, ist angesichts des betonten Festhaltens von Papst Benedikt am Geist der Kontinuität nicht mehr zu halten. Das Phantasma Karl Rahners, dem das Konzil nur als "Anfang eines Anfangs" gilt, als ein “Ausgangspunkt dar, „den man man verrät, wenn man bei ihm stehen und ihm treu bleibt“ (David Berger), ist geplatzt; wer gewohnheitsmäßig über das Konzil hinausgeht, verläßt die Gemeinschaft mit dem Papst und die Einheit des mystischen Leibes Christi.
Die Welt zitiert den Erfurter Liturgiewissenschaftler Kranemann dann noch mit der Befürchtung, „Über die Liturgie kann es zu einer Kirche in der Kirche kommen.“ Nichts ist falscher als das. Die Kirche ist da, wo der Papst ist – und er hat mit seiner Lehre zur Liturgie und seiner Gesetzgebung in „Summorum Pontificum“ dem Weg aus der Kirche und zu einem anderen Glauben, der von Kranemann und anderen propagiert wird, ein entschlossenes Halt geboten. Selbst wenn das mit dem Risiko verbunden ist, daß in Osnabrück ein Katholikentag ohne Beteiligung jüdischer Prominenz stattfinden muß.
Die deutschen Theologen – zumindest soweit sie in dem Artikel der Welt zitiert werden – scheinen allerdings entschlossen zu sein, diesen Weg zu einem anderen Glauben, in dem alles, was irgendwie Zeichen guten Willens an sich trägt, gleichen Wert, gleiche Würde und gleiche Wahrheit hat, fortzusetzen. Aus gutem Grund beklagt daher der Münsteraner Liturgologe Klemens Richter sich bitter darüber, daß für alle Sakramente und alle Riten der alte Ritus – und damit das alte Verständnis – wieder zugelassen sei. Das ist ihm offenbar alles viel zu katholisch.
Einigermaßen überraschend macht er dann geltend, niemals habe Rom seine Liturgie und sein Missale anderen Bistümern aufgezwungen – als ob der Papst irgend jemandem die Rückkehr zum alten Ritus befohlen habe. In Wirklichkeit ist es gerade andersherum: Richter, Kranemann und Co. verabscheuen die römische Liberalitas und wollen ihr Verständnis von Glauben und Liturgie allen aufzwingen – deshalb soll das alte Missale verschwinden. Für sie ist es in der Tat erschreckend, daß immer öfter „junge Priester auftauchen, die zum alten Ritus zurück wollen“ und immer mehr Gruppen – ganz in Übereinstimmung mit dem jetzt in Amerika so klar geäußerten Willen des Papstes – zu einer katholischen Identität zurückwollen. Dabei hat man sich doch solche Mühe gegeben, alle solcherart unzuverlässigen Elemente aus den Priesterseminaren herauszuhalten.
Und nun muß man sich also, nachdem die „jüdische Karte“ nicht gestochen hat, eine andere Strategie einfallen lassen, um die Ekklesiologie der Kontinuität, wie sie der Papst unbeirrt verkündet, auszuhebeln. Dankenswerterweise gibt der Artikel in der Welt schon einen Aufschluß darüber, was die zuständigen Herrschaften sich da wohl als nächstes ausgedacht haben.
Die Bischöfe in aller Welt haben drei Jahre Zeit, Erfahrungen mit der neuen Situation zu sammeln. Dann wird man wissen, was es bedeutet, wenn ein Ritus, wenn auch nur in der "außerordentlichen" Form, neu gewichtet wird, dem das "Recht auf Partizipation der Getauften geradezu abgerungen werden musste" (Benedikt Kranemann).
Hier setzt man, so scheint es, darauf, schlechte Erfahrungen zu sammeln, Spaltung zu behaupten oder gar herbeizuführen, wo immer das möglich ist. Die unermüdliche Betonung des Bruches, der angeblich die Zeit vor 1962 von der nach 1964 trennt, bietet nachgerade das ideale Instrumentarium, zu einer Hermeneutik der Spaltung fortentwickelt zu werden.
Man darf gespannt sein, wo diese Bewegung zum halten kommt.