Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Eine Stimme für die „Reform der Reform“

P. Josef Fessio SJ beantwortet Fragen zum Stand der Liturgie

Pater Fessio als Doktorand mit seinem Professor

Frage: Wie schätzen Sie die gegenwärtigen Aktivitäten des Papstes auf dem Gebiet der Liturgie ein?

P. Fessio: Nun, da gibt es kein Geheimnis, er hat das ja alles öffentlich ausgesprochen, z.B. im Begleitbrief des Motu Proprio. Als Hauptmotiv nannte er seine Absicht, auf eine „innere Versöhnung“ hinzuarbeiten. Das ist eine ganz wichtige Aussage - „innere Versöhnung“. Am Tage nach seiner Wahl zum Papst sagte er, sein großes Thema werde die Implementierung des 2. Vatikanischen Konzils in der Kontinuität mit 2000 Jahren kirchlicher Tradition sein. Er möchte, daß die Kirche in ihrer Lehre, in ihrer Glaubensverkündigung und in ihrer Liturgie die Kontinuität bewahrt.

Um wieder zum Motu Proprio zurückzukommen: Wenn der Papst sagt, daß er die „innere Versöhnung“ will, so meint er damit, daß es den Gruppen in der Kirche, die unterschiedliche liturgische Vorlieben haben, möglich sein sollte, das zu erhalten, was sie wünschen – die, die die alte Messe haben wollen ebenso wie die, die die neue vorziehen, und damit könnten alle zufrieden sein. Aber das gibt es meiner Meinung nach noch eine tiefere Bedeutung. Er möchte auch das liturgische Leben der Kirche in sich selbst versöhnen, so daß die Messe vor dem Konzil und die Messe nach dem Konzil stärker in der Kontinuität erscheinen. Er hat in der Vergangenheit vielfach von dem Bruch, der Unterbrechung, dem Riss in der liturgischen Tradition gesprochen, und in dem angesprochenen Begleitbrief zum Motu Proprio sagt er nun, daß er darauf hofft, daß die beiden verschiedenen Formen des einen Ritus sich gegenseitig bereichern.

Offensichtlich möchte er, daß der Novus Ordo stärker in der Tradition der Messe von 1962 gefeiert wird. Und er möchte auch, daß die Messe von 1962 im Lauf der Zeit einige schrittweise und organische Anpassungen erfährt. Ich denke, er zielt auf eine Konvergenz. Er will mehr Bewußtsein von Kontinuität mit der Vergangenheit, und diese Kontinuität sieht er für die Gegenwart repräsentiert im Missale von 1962, das er in einer Rede 1961 in Fontgombault als den „Standard der Kontinuität“ bezeichnet hat, ebenso wie im neuen Missale, wenn danach in einer traditionelleren Weise zelebriert wird.

Zur Frage einer möglichen Konvergenz der usus und was davon zu erhoffen oder auch zu befürchten sei, haben wir einige Gedanken in Arbeit, die wir demnächst veröffentlichen zu können hoffen.

Frage: Der hl. Vater hat viel Lob und noch mehr Kritik für die Veröffentlichung von „Summorum Pontificum“ erhalten – warum glauben Sie hat dieses Dokument so sehr polarisierend gewirkt und sehen Sie irgendeine Verbindung zwischen diesem Dokument und dem falschen „Geist des Konzils“, von dem Benedikt so oft gesprochen hat.

P. Fessio: Nun, ich verstehe das auch nicht so ganz, aber es hat zweifellos in der Vergangenheit einen großen Widerstand gegen alles gegeben, was die alte Messe hätte ganz oder teilweise wiederherstellen können. Es gibt auch starke Widerstände dagegen, die neue Messe nach Osten gewandt zu feiern – obwohl das völlig den Vorgaben entspricht. Die Bischöfe haben auch keine Vollmacht, die Feier des Novus Ordo auf Latein zu untersagen – zumindest soweit es ihre tatsächliche Autorität betrifft. In der Praxis überschreiten freilich Bischöfe vielfach ihre Vollmachten und setzen einfach ihren Willen in dieser Sache durch.

Aber woher kommt diese Feindschaft gegenüber dem Latein und der nach Osten gewandt gefeierten Messe? Ich denke, da gibt es Leute, die glaubten daß das Konzil ein Aufruf zu tiefgreifenden Veränderungen an einer verkalkten Kirche war, und sie denken, wenn man die alte Messe wieder herstellt oder die neue Messe gegen Osten feiert, dann widersetzt man sich dem Konzil. Das ist zwar völlig falsch, aber diese Leute haben die letzten 30 – 40 Jahre ihres Lebens damit verbracht, diese Vision vom Konzil zu propagieren – eine Vision des Bruches und nicht einer der Kontinuität. Jetzt sehen sie ih ganzes Leben in Frage gestellt – und so kommt dieser enorme Widerstand zustande. Und deshalb mußte der Papst das Motu Proprio erlassen. Es ist durchaus möglich, den Novus Ordo im Geiste der Tradition zu feiern, aber das ist heute einfach tabu.

Diese individualpsychologische Deutung erklärt sicher vieles, aber bestimmt nicht alles. Es ist in der Rückschau auf vier Jahrzehnte Liturgiereform klar erkennbar - dafür braucht man noch nicht einmal die gewollten Mißverständlichkeiten eines neugewählten DBK-Vorsitzenden - daß viele Theologen und Liturgiker den vom Papst zurückgewiesenen Bruch tatsächlich wollen, weil sie eine neue Kirche mit einer neuen Lehre wollen. Direkt darauf angesprochen, würde P. Fessio dem sicher zustimmen.

Daher hat der Papst entschieden, daß die Gläubigen ein Recht darauf haben, in dieser Form zu beten, und deshalb hat er die Entscheidung aus der Hand der Bischöfe genommen und dafür gesorgt, daß diese Form sich weiter verbreiten kann. Das liegt jetzt ganz in der Hand der Gläubigen – wenn sie die traditionelle Form haben wollen, dann sollen sie sie auch bekommen.

Frage: Einverstanden. Es scheint, als ob der „Geist des Konzils“ von dem kommt, was der hl. Vater als die „Mentalität der kopernikanischen Wende“ bezeichnet hat – jene Vorstellung, daß sich die Autorität in der Kirche völlig verlagert habe, so daß sie jetzt nicht mehr beim Lehramt, sondern gleicherweise bei den Laien liege, und daß die Hierarchie fast keine Bedeutung mehr hat. Das sieht doch sehr danach aus, daß diese „Einebnung des Spielfeldes“ eine Errungenschaft des säkularen Humanismus ist.

P. Fessio: Ich denke, daß der ganze Prozesse, den wir während der beiden letzten Jahrhunderte beobachten können, ein Ausdruck von Aufklärung und Rationalismus ist. Der Hl. Vater erkennt ganz klar bestimmte positive Aspekte der Aufklärung an, aber andererseits betrachtet er die Verengung des Vernunftbegriffes als das größte Problem des Westens.

Diese Liturgie des Novus Ordo ist tatsächlich eine kartesianische rationalistische Liturgie. An die Stelle des dunklen, des geheimnisvollen, des heiligen und des undurchschaubaren, ja sogar verstörenden, das Staunen und Ehrfucht hervorruft, hat sie die Didaktik gesetzt. Sie soll leicht verständlich und in der Muttersprache sein, einer Feier der Gemeinde, ein unterhaltendes Ereignis – das alles gehört zum Projekt der Aufklärung. Und das hat natürlich im Lauf der Zeit seine Auswirkungen.

Ich habe ein kleines Buch von Vagagini, ein ordentlicher Liturgiewissenschaftler, Benediktiner aus Maredsous in Belgien. Irgendwann in der Zeit zwischen dem Konzil und der Einführung des Novus Ordo schrieb er ein Buch über die Hochgebete derMesse. Im Grunde bezeichnete er den ersten (den römischen) Kanon als ungeeignet, weil er nicht verständlich genug sei, nicht klar strukturiert, durch vielerlei Zufügungen und Streichungen deformiert, keinen klaren, knappen Aufbau. Wenn ich das jetzt lese wird mir in der Rückschau auf das, was mit der Liturgie geschehen ist, deutlich: Das ist das Erbe von Descartes – klare, deutliche Vorstellungen. Alles soll beim ersten Hören verständlich sein. Kein Sinn für das Geheimnis.

(...)

Frage: Es heißt, der hl. Vater werde bald ein interpretierendes Dokument zu Summorum Pontificum herausbringen. Was wird darin stehen, welche Bedeutung wird es haben?

P. Fessio: Das weiß ich nicht. Ich war gerade vor ein paar Tagen bei der Kommission Ecclesia Dei, und sie sagen, es kommt, aber sie wissen nicht wann. Über den Zeitpunkt kann man also nichts genaues sagen. Ich denke, es wird diejenigen bloßstellen, die versuchen, mit allerlei Obstruktion die Implementierung des Motu Proprio zu verhindern, und es wird noch deutlicher machen, daß die Gläubigen, die danach verlangen, auch das Recht zur Feier der Messe in der alten Form haben und entsprechende Möglichkeiten geboten bekommen sollen.


Hier finden Sie die vollständige Fassung des Interviews, die noch weitere aufschlußreiche Ausführungen von P. Fessio zu brennenden Fragen der Kirche insbesondere auch in den USA enthält.