Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Wie aus den Anglikanern eine richtige Kirche werden kann

Fr. Sean Finegan

Fr. Sean Finegan zu Chancen und Risiken der Errichtung einer eigenen Struktur für die Anglikaner

23. 9. 2009

Der hl. Vater hat es wieder getan: Mit einem grundsatzfesten und entschiedenen Eingriff hat er das ganze Gewirr von Unsinn durchschlagen und wird, so Gott will, das Ziel erreichen. Endlich wird ein Teil der anglikanischen Gemeinschaft wieder auf den einen Stamm gepfropft und wird so zu einer richtigen Kirche.

Der erste interessante Punkt betrifft die Ankündigung dieser neuen Initiative – sie erfolgte per SMS. Am Montagabend erhielten Journalisten in Rom auf ihre Telephone die Mitteilung, sie sollten auf die Journalistenseite des vatikanischen Webauftritts schauen, die gerade upgedatet worden war. Dort fanden sie die Ankündigung einer Pressekonferenz zur Frage der Anglikaner. Natürlich setzten sofort die Spekulationen ein, aber vor der Konferenz am nächsten Vormittag blieb nicht viel Zeit. Diese kurzfristige Benachrichtigung beugte all dem Medienlärm und den Sabotageversuchen vor, die sonst vielleicht stattgefunden hätten.

Zweiter interessanter Punkt ist die Tatsache, daß das angekündigte Dokument die Form einer Apostolischen Konstitution erhalten wird. Selbst Summorum Pontificum war nur ein Motu Proprio. Die Form einer apostolischen Konsitution gibt dem Vorgang größtes Gewicht; in dieser Form war zum Beispiel auch der Novus Ordo Missae verkündet worden. Auf Damian Thompsons Blog () las ich heute früh, daß (der anglikanische) Erzbischof Rowan Williams und wahrscheinlich auch Kardinal Kasper vor Wut gekocht hätten. Bei Kasper bin ich mir da nicht so sicher, wenn ich an seine Äußerungen auf der Synode vor einigen Monaten denke. Und im Fall des Erzbischofs ist der Ärger sicher verständlich: Nachdem es ihm selbst nicht gelungen ist, eine akzeptable Lösung für die Anglo-Catholics in seiner Gemeinschaft zu erreichen, hat man ihm jetzt den Teppich unter den Füßen weggezogen. Er muß nun damit rechnen, zumindest einen Teil des Katholischen Ballastes in seinem Schiff zu verlieren, der bisher wesentlich dazu beigetragen hat, daß die Church of England nicht ganz zu einer Zeitgeistsekte geworden ist. Der Telegraph hat schon recht: Da Williams selbst nicht in der Lage war, eine dritte Provinz für die (glaubenstreuen Kräfte in der) Kirche von England einzurichten, hat es der Papst in Rom für ihn getan. Die Anglokatholiken werden alles haben, was sie haben wollten (auf dem Papier zumindest, mehr dazu später) – außer der Gemeinschaft mit Canterbury. Hätte Rowan Williams mit der (freilich riskanten) Entschiedenheit gehandelt, die Papst Benedikt an den Takt legte, hätte er vielleicht selbst dieses Kaninchen aus dem Hut ziehen und sich nun lächelnd zurücklehnen können. Das ist nicht seine Schuld – er verfügt einfach weder über die staatsmännische Haltung noch über die persönliche Autorität, um sich über die einander bekriegenden Fraktionen in Synode und Konferenz hinwegzusetzen. Und wahrscheinlich auch nicht, wie ich vermute, über die ernste Gewissenhaftigkeit, die Opposition einfach meckern und murren zu lassen.

Rowan beschwert sich, daß er nicht konsultiert, sondern lediglich 14 Tage vorher informiert worden ist. Nun, die Kirche von England und selbst die Anglikanische Gemeinschaft waren nie an den Gesprächen beteiligt. Auf dem Papier sind sie noch nicht einmal betroffen. Die Vereinbarung erfolgte mit der Traditional Anglican Communion (TAC), einer Vereinigung, an deren Spitze erstaunlicherweise ein ehemaliger katholischer Priester steht, der nun Erzbischof der Australian Anglican Catholic Church ist – soweit ich sehe einer Untergliederung der TAC. Offiziell gab es also keinen Grund, den Erzbischof von Canterbury einzubeziehen – die Diskussion findet mit einer Abspaltung statt, die sich schon vor Jahren von der Anglikanischen Gemeinschaft getrennt hat.

Aber natürlich betrifft es ihn indirekt, da vermutlich eine Menge Leute aus seinem Autoritätsbereich sich dieser Gruppe anschließen werden wollen, da sie den besten Ausweg aus der üblen Lage bietet, in die sich die anglikanische Gemeinschaft selbst gebracht hat.

Ich denke, der Papst hat ihm einen Gefallen getan. Damit werden sich viele Dinge in der Church of England klären. Sie kann nun unbehindert weiter machen mit Bischöfinnen, schwulen Bischöfen, konstruktivem Dialog mit den Kopfjägern von Vanuatu und was sonst noch alles, ohne sich immer mit Beschwerden aufhalten zu müssen, daß die Anglo Catholics sie zurückhalten und die Geistin daran hindern, zu wehen, wo sie wehen will. Mit einem Schlag ist die Hauptspaltung in der Church of England wenn nicht beseitigt, so doch wesentlich abgemildert.

Rowan Williams kann den Papst beschuldigen, er habe die Kirche von England gespalten und sich ansonsten zurücklehnen und die Anerkennung dafür einheimsen, daß er den Rest (der natürlich die überwältigende Mehrheit bilden wird) zusammenhält. Man wird sich der neu gewonnenen Einheit freuen und ihm dafür außerordentlich dankbar sein. Fragt sich nur, ob viele Anglikaner das Angebot annehmen werden.

Wie man hört, trifft die Organisation „Forward in Faith“ an diesem Wochenende zusammen – da werden wir zweifellos einiges interessantes zu hören bekommen. Eine vorsichtig formulierte Anmerkung im Blog von Fr. Hunwicke über die anglikanische Priestergemeinschaft „Society of the Holy Cross“ deutet an, daß sie nach ihrer Beschlusslage größtes Interesse an den Entwicklungen haben dürfte. Der „Fliegende Bischof“ von Richborough hat vorgeschlagen, daß Gläubige von jetzt bis zu Petri-Stuhlfeier (22. Februar) eine Pause zum Beten und Nachdenken einlegen sollten – ein guter Rat.

Für romorientierte Anglikaner wie Fr. Hunwicke und zweifellos noch viele andere ist das alles höchst interessant. Aber man muß auch sehen, daß es verschiedene Gründe gibt, die sie von einem Anschluss abhalten könnten.

1) Man darf niemals den kongregationalistischen Aspekt des Anglikanertums übersehen. Wenn ein Anglikanischer Geistlicher nicht auch seine Kirche mitnehmen kann, werden ihm nicht viele aus seiner Gemeinde folgen.

2) Um sich der Gemeinschaft Roms anzuschließen, müssen sie die Gemeinschaft mit Canterbury aufgeben. Gemeinschaft mit beiden ist nicht möglich – und damit wird es auch kaum möglich sein, Kirchen, Pfarrhäuser usw. mit in die Gemeinschaft mit Rom zu überführen.

3) Unter dem Anglo-Katholischen Klerus gibt es viele, die mit ihren Boyfriends zusammenleben – wer in die Gemeinschaft mit Rom eintreten will, muß zölibatär leben oder kann nur einmal verheiratet sein.

4) Liturgischer Pluralismus wird sehr wahrscheinlich nicht erlaubt sein. Es wird einen Ritus geben, (möglicherweise mit zwei Formen nach dem Book of Common Prayer und dem Englischen Missale, dazu vielleicht noch die Möglichkeit des Novus Ordo), und man wird sich daran halten müssen.

5) Wer soll die Geistlichen bezahlen? Man kann nicht erwarten, daß die bestehenden Katholischen Diözesen eine möglicherweise größere Zahl von Priestern mit Frauen und Kindern unterstützen, wenn sie von deren Seite keine entsprechende Tätigkeit als Gegenleistung erhalten. Ich zweifle auch sehr daran, daß die (anglikanische) Synode irgendwelche Ausgleichzahlungen leisten wird, von den Pensionsansprüchen einmal abgesehen. Die Priester werden von ihren jeweiligen Gemeinden finanziell getragen werden müssen, und wenn diese Gemeinden klein sind, wird das schwierig. (...) Wenn die Priester sich die Loyalität ihrer Gemeinde erhalten können, wird es vielleicht funktionieren.

6) Ich bin sicher, daß viele römisch-katholische Gemeinden sich als sehr hilfsbereit erweisen werden, und wo die neuen wahrhaft „anglo-katholischen“ Gemeinden kein eigenes Haus haben, werden sie sicher auch die örtlichen römisch katholischen Kirchen mitbenutzen können. Sollte hier in der Gegend die Notwendigkeit entstehen – unsere Gebäude stelle ich gern zur Verfügung. Andererseits wird ein solches Arrangement für manche Leute auch schwer erträglich sein.

Die neue Entwicklung betrifft auch viele, die sich in irregulären Situationen befinden.

1) Da gibt es frühere katholische Priester, die dann Anglikaner geworden sind und jetzt einen Weg zur Rückkehr sehen, ohne Weib und Kind aufzugeben. Das Vorbild von John Hepworth wird ihnen Hoffnung geben, daß es da ein Vergeben und Vergessen geben kann.

2) Da gibt es ehemalige Anglikaner, die nach der Entscheidung von 1992 katholisch, vielleicht sogar katholische Priester geworden sind, aber dann doch wieder in die Anglikanische Gemeinschaft zurückgekehrt sind. Ich denke, für sie gilt das gleiche wie für 1) oben – aber sicher ist das nicht. Ich kenne zumindest einen Fall von jemandem, der zweimal hin und her gependelt ist und schließlich als katholischer Priester in den USA endet – möglich müßte es sein.

3) Dann gibt es katholische Priester, die das Amt aufgegeben haben, um zu heiraten, aber als Laien katholisch geblieben sind. Wird man ihnen die Rückkehr ins Amt erlauben – oder bleiben sie murrend und unzufrieden am Rande stehen? In anderen Worten: Muß man einen anglikanische Abkunft haben – oder geht das auch anders? Für sehr unwahrscheinlich halte ich es, daß die anglikanische Verwaltung dazu bereit sein könnte, Eigentum an die neue Unierte Organisation abzutreten. Teilweise aus einem schlichten „Wie kämen wir dazu?“, teils aber auch aus Geschäftssinn. Sie würden es den neuen Gemeinden vielleicht erlauben, ihre eigenen Gebäude (Kirchen, Säle, Pfarrhäuser) zu kaufen – aber das würde sehr teuer, und Geld wird, wie schon angesprochen, eher knapp sein.

Letztlich könnten einige auch davor zurückschrecken, die endgültige Trennung vom Staat zu vollziehen, nicht länger zur Staatskirche zu gehören. Die Geistlichen werden dann nicht mehr in dem Selbstverständnis leben können, Pastor aller Einwohner eines Ortes zu sein, den Anspruch zu haben, Zugang zu allen Familien zu haben, weil sie die offizielle Kirche repräsentieren. Ich habe diesen Anspruch ohnehin immer etwas irritierend und ein wenig lächerlich gefunden, gerade weil er manchmal ganz ernsthaft und sogar leidenschaftlich erhoben worden ist

Und ganz zum Schluss: Wie wird sich das auf die römisch-katholische Kirche in England auswirken? Das werden wir abwarten müssen. Wahrscheinlich wird es uns nur sehr wenig beeinflussen. Einige unserer Gemeinden werden gelegentlich gerne zu einer Vesper gehen, wenn die Gemeinde die entsprechenden Ressourcen hat. Ich hoffe, es wird soviel Durchlässigkeit zwischen den beiden Strukturen geben, das man sich gegenseitig aushelfen kann. Wahrscheinlich wird man hier und dort Kirchen gemeinsam benutzen. Zweifellos werden einige Liberale Gift und Galle spucken, weil der konservative Ballast aus der Church of England nun in die Barke des hl. Petrus umgeladen wird und den Kurs, den Papst Benedikt steuert, weiter stabilisiert. Ich sehe schon eine Menge böser Leserbrief auf die nächste Ausgabe von The Tablet“ zukommen – und viele Grußadressen im Catholic Herald. Die Zeit wird es erweisen, wie groß die Einflüsse sein werden, größtenteils hängt das davon ab, wie groß die Zahl derer ist, die das Angebot von Papst Benedikt annehmen. Wenn die Gruppen klein und weit verteilt sind, so wie bei den bereits bestehenden Gemeinden der Anglican Use in den USA, wird sich da nicht viel tun. Falls es in jeder Stadt eine komplette Anglo-Katholische Kirche geben sollte, wird es wohl ein beträchtliches Hin und Her geben. Wir werden sehen.

Ich bin davon überzeugt, daß diese Maßnahme sich wie Summorum Pontificum als ein großer Segen für die Kirche erweisen wird. Wenn das Angebot von genügend Gläubigen angenommen wird, sollte es eine große Anziehungskraft auf die ganze englisch-sprachige Christenheit ausüben. Ich jedenfalls werde mich sehr freuen, in voller Gemeinschaft mit vielen Menschen zu stehen, von denen ich eine hohe Meinung habe.

Wir haben den Text nur an zwei oder drei Stellen um sehr spezifische Aussagen zu Gremien der anglikanischen Kirchenorganisation gekürzt; das Original finden Sie auf Fr. Finegans Blog Valle Adurni.