Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Liturgie und Ideologie

Father Rob Johansen über die Hintergründe von Widerständen gegen die „Alte Messe“

Dieser Text bezieht sich auf die Umfrage von Amy Welborn zu dem unten wiedergegebenen Bild in ihrem Blog „Charlotte Was Both“. Father Johansen leistet in seinem Blog „Thrown Back“ keine erschöpfende Analyse der über 100 Antworten - er beschränkt sich auf einige mehrfach wiederkehrende Wendungen bei den Kommentatoren, die eher ablehnend auf das Bild reagierten. Dabei ist ihm eine sehr aussagekräftige Skizze zum geistigen Klima in weiten Bereichen der Kirche gelungen.


Amy hat ihre Besucher um Rückmeldungen zu diesem Photo gebeten – und diese Reaktionen waren außerordentlich aufschlußreich. Sie zeigen etwas, das mir auch schon zuvor in vielen Reaktionen auf das Motu Proprio von Papst Benedikt und die außerordentliche Form der hl Messe im tridentinischen Ritus aufgefallen war: Viele Einwendungen sind offensichtlich mehr ideologisch als theologisch oder spirituell begründet. Hier eine Liste von Ausdrücken, die in den negativen Reaktionen auf das Photo bei Amy oder in anderen Einwänden gegen die außerordentliche Form, die mir seit letztem Juli begegnet sind:

  • zu kompliziert
  • ich nehme Anstoß daran, daß nur Männer im Altarraum sind
  • ein Historienstück
  • spießig
  • elitär
  • extrem
  • antiquiert
  • mittelalterlicher Aufzug
  • Nostalgie
  • hierarchisch
  • inszeniert
  • Latein ist eine tote Sprache
  • mit dem Rücken zu uns
  • Rückschritt
  • wenig einladend
  • sexistisch
  • Liturgie sollte einfach sein
  • nicht leicht zugänglich
  • klerikalistisch
  • passiv

Rom, Papst Johannes XXIII.

Diese und ähnliche Ausdrücke sind charakteristisch für den Widerspruch gegen und die Beschwerden über Summorum Pontificum und die Wiederherstellung der außerordentlichen Form. Dabei ist bemerkenswert, daß genau genommen keiner dieser Ausdrücke den Bereich der Theologie oder der Liturgie betrifft. Sie sind eher ideologischer Natur. Und sie zeigen, daß die nachkonziliare Liturgie zumindest in den vereinigten Staaten mit einer starken ideologischen Bürde belastet ist.

Ich denke, daß die ideologischen Grundhaltungen, die sich in diesen Begriffen ausdrücken, grob in drei Kategorien eingeteilt werden können:

  1. Egalitarismus oder Demokratismus
  2. Fortschrittsgläubigkeit
  3. Authentizitätsglaube

Egalitarismus

Das Erste, der Egalitarismus, zeigt sich in Ausdrücken wie „spießig“, „elitär“, „hierarchisch“, „mit dem Rücken zu uns“ und „klerikal“. Der Egalitarismus ist die Ideologie, die alle Unterschiede und Unterscheidungen einzuebnen sucht und allgemeine Gleichheit postuliert. Das Problem ist, daß die Katholische Liturgie ihrem Wesen nach „ungleich“ ist. Der Liturgie geht es darum, daß wir Menschen, die nicht Gott sind, Gott verehren, der Gott ist. Es tut mir leid, Worte über etwas machen zu müssen, daß offensichtlich sein sollte, aber in den letzten 30 Jahren haben viele daran gearbeitet, diese offensichtliche Tatsache zu verschleiern. Liturgie ist ihrem Wesen nach hierarchisch: In der Liturgie kommt Gott in Gegenwart der Engel und der Heiligen, die ganz wörtlich über uns und jenseits von uns stehen, in einem Akt der Herablassung zu uns, und dabei bedient er sich eines Priesters, der für die Zeit des Eucharistischen Opfers Alter Christus, ein anderer Christus, ist. Einer der Kommentatoren bei Amy behauptete, daß wir bei der Messe „keinen Alter Christus mehr haben“. Wenn es so ist, dann haben wir auch keine Messe oder kein Eucharistisches Opfer mehr, sondern etwas anderes.

Glücklicherweise ist die Behauptung dieses Kommentators falsch. Sowohl die Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) als auch die über die Liturgie (Sacrosanctum Consilium) des 2. Vatikanums machen klar, daß der Priester das Eucharistische Opfer „in der Person Christi“ (in persona Christi) darbringt und daß sein Priestertum sich vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen „dem Wesen nach und nicht nur im Grade“ unterscheidet. In anderen Worten: Wesen und Handeln des Priesters in der Liturgie sind hierarchisch. Sich darüber zu beschweren, daß die Messe „hierarchisch“ ist, bedeutet, zu beklagen, daß die Messe die Messe ist.

Weimar, Josef Cardinal Ratzinger

Allerdings haben wir in den letzten Jahrzehnten große Anstrengungen erlebt, das hierarchische Wesen der Liturgie herunterzuspielen oder abzuschaffen. Man hat versucht, die Messe zu „horizontalisieren“ - daher kommt all das Gerede der 70er und 80er Jahre über die Liturgie als eine „Feier der Gemeinde“. Wohin diese Einstellung führt, zeigt sich in den Beschwerden darüber, daß der Priester in der außerordentlichen Form oder bei der Feier des Novus Ordo „ad orientem“ der Priester „dem Volk den Rücken zuwendet“. Dem liegt natürlich die Vorstellung zu Grunde, daß der Priester uns anschauen sollte, also daß er uns beachten solle. Und wenn heute einige Leute eine Zelebration ad orientem sehen, nehmen sie Anstoß daran.

Ich denke, das kommt daher, daß man ihnen vermittelt hat, bei der Liturgie gehe es um uns. Eine Haltung, die weder durch die liturgischen Lehren des 2. Vatikanums noch durch irgend ein nachkonziliares Dokument vorgeschrieben worden ist, hat so eine ideologische Bedeutung erhalten (die ihrerseits auch nirgendwo vom Konzil gelehrt wird) und hat so das liturgische Bewußtsein vieler Gläubiger deformiert. Unsere Erwartungen an die Liturgie werden so nicht durch wahre katholische Theologie und Frömmigkeit bestimmt, sondern durch ideologische Konstrukte der herrschenden Kultur.

Fortschrittsideologie

Die zweite Kategorie von Ausdrücken kann der Ideologie des Fortschritts zugeordnet werden. Sie besteht aus Ausdrücken wie „Historienstück“, „antiquiert“, „mittelalterlicher Aufzug“, „Nostalgie“ und „Rückschritt“. Der Fortschrittsglaube behauptet oder setzt voraus , daß wir heute in jeder Beziehung mehr wissen und verstehen als unsere Vorfahren, und daß das Vergangene notwendigerweise schlechter ist als das Gegenwärtige. Der Satz „Die Vergangenheit kann uns nichts lehren“ ist eine gute Zusammenfassung dieser Ideologie. Innerhalb der Kirche hat diese Ideologie die „Hermeneutik des Bruches“ gefördert, die auf der Voraussetzung aufbauen, das die Kirche und der Glaube nach dem Konzil etwas anderes wären als vorher.

Aber wie schon C.S. Lewis in seinem Essay „The Myth of Progress“ dargelegt hat, ist dieser Mythos offensichtlich absurd. Was gestern wahr war, wird auch morgen wahr sein – das ist keine Frage des Kalenders. Oder wie Papst Benedikt es ausgedrückt hat: „Was früheren Generationen heilig war, das bleibt auch für uns heilig und groß....“ Die Tatsache, daß etwas alt ist, bedeutet nicht, daß es daher auch bedeutungslos oder unbrauchbar wäre.

Kult des Authentischen

Die dritte Kategorie ablehnender Wendungen nimmt Anstoß an Verstößen gegen die Ideologie des Authentischen oder der Einfachheit. Diese Ideologie beruht auf der Ansicht, daß das Einfache auch das authentische und wertvolle sei. Diese Vorstellung äußert sich in Werndungen wie „zu kompliziert“, „unzugänglich“, „inszeniert“ oder „liturgie sollte einfach sein“. Ich habe dazu auch schon die Ansicht gehört, „gewiß wollte Gott, daß die Relgion einfach wäre“. Aber warum sollten wir davon ausgehen? Das Universum, das Gott geschaffen hat, ist ganz gewiß nicht einfach. Ich höre auch keine Beschwerden der Art wie „Astrophysik sollte einfach sein“. Nun, Astrophysik ist eine Methode, sich dem Verständnis einer komplexen Realität anzunähern, und Religion ist eine andere Methode. Es ist überhaupt nicht einleuchtend, daß die eine Methode einfacher sein sollte als die andere. Und ebensowenig ist es einsichtig, warum die Liturgie unserer Religion, die uns in Kontakt mit der höchsten Wirklichkeit bringt, „einfach“ sein sollte.

Le Barroux, Dom Louis Marie

Ich denke, daß dieses Verlangen nach „Einfachheit“ im schlimmsten Fall nur einen Schritt vom Indifferentismus entfernt ist. Der Indifferentismus möchte im Namen der Einfachheit all die komplizierten Theorien und lehren abstreifen und einen gemeinsamen Kernbestand freilegen, auf den sich alle verständigen können. Sein Anspruch ist: „In Wirklichkeit glauben wir doch alle das gleiche“ . Nun, genau das tun wir nicht. Und das, was voll und charakteristisch katholisch ist, das drückt sich eben in der Feier der Liturgie nach der außerordentlichen Form aus, oder auch nach der ordentlichen Form, wenn das in einer Weise geschieht, die mit der unverkürzten liturgischen Tradition der Kirche übereinstimmt. Ich denke, das einige der Klagen zur fehlenden „Einfachheit“ im letzten Grunde nichts anderes sind als versteckte Klagen über das, was tatsächlich das authentisch Katholische ausmacht.

Die Klage, daß die Liturgie „leicht zugänglich“ sei, scheint mir ganz besonders an der Sache vorbeizugehen. Wir sprechen davon, wie man sich dem unendlichen und unerschöpflichen Geheimnis Gottes annähern kann. Das ist nun mal seinem Wesen nach nicht leicht zugänglich. Nicht unverständlich, um einen Gedanken von Frank Sheed aufzugreifen. Erwartet denn wirklich jemand, daß es „leicht zugänglich“ wäre, wie Gott zu uns kommt, uns mit sich vereinigt und uns sein innerstes Selbst zur Speise und zum Trank gibt?

Die Liturgie ist mystagogisch, das heißt, sie führt uns in ein Geheimnis ein. Wir können dieses Geheimnis immer besser durchdringen und es immer besser kennen lernen – aber „leicht zugänglich“ wird es auf dieser Seite des Himmels niemals sein. Zu verlangen, daß die Liturgie leicht zugänglich sein soll erscheint mir wie der Wunsch, Gott in eine selbstgezimmerte Kiste zu stecken und so einen bequemen, zahmen, kleinbürgerlichen Gott zu schaffen, der uns keine Probleme und Schwierigkeiten macht. Und wenn man es ernsthaft bedenkt: Erklärt sich daraus nicht vieles in den Liturgien unserer Pfarreien in den letzten 30 Jahren: zahm, bequem, kleinbürgerlich.

Im besten Fall zeigt sich in der Klage, daß die außergewöhnliche Form „zu kompliziert“ sei, eine Geschmacksfrage. Und über Geschmack kann man in der Tat nicht streiten. Wenn jemandem der Geschmack nach schlichter Liturgie steht, ist das in Ordnung. In vielen Pfarreien ist die frühe Sonntagsmesse von der einfachen Art – wenig Musik, viel Stille usw. Manchmal weiß ich solche Liturgien auch zu schätzen. Aber man muß sich darüber im Klaren sein, daß es sich dabei um eine Geschmacksfrage handelt, die man nicht zu einem liturgischen Prinzip verabsolutieren kann. Und außerdem: Sind viele unserer Sonntagsmessen denn wirklich so einfach, mit einer großen Besetzung von außerordentlichen Kommunionspendern, Lektoren, Kommentatoren, einer Musikgruppe mit jeder Menge Keyboards, Gitarren, Mixern, Verstärkern, Elektronik usw.? Wer eine Messe in dieser Art vorzieht, kritisiert an der außerordentlichen Form nicht die fehlende Einfachheit, sondern etwas ganz anderes.

Andachtsbild, 19. Jh.

Obwohl die Konzilsväter und, wie ich annehmen will, auch das Konsilium, das den Novus Ordo zusammenstellte, das nicht beabsichtigt hatten, sind in die nachkonziliare Liturgie viele Akzentsetzungen und Elemente eingegangen, die wenig mit dem katholischen Glauben und viel mit bestimmten ideologischen Entwicklungen der amerikanischen Kultur zu tun haben. Doch diese Ideologien stehen zu einem großen Teil im Widerspruch zum katholischen Glauben. Das hat zu einer Erscheinung geführt, die wir heute in vielen Bereichen der Kirche beobachten können: Die Liturgie wird so eingesetzt, daß sie sich selbst aufhebt. Wirklichen Fortschritt (nämlich einen Fortschritt zur Heiligkeit und einer tieferen Einheit mit Christus) und wahre Erneuerung werden wir nur dann erreichen, wenn wir die ideologischen Elemente, mit denen die Liturgie des Novus Ordo befrachtet wird, erkennen und sie überwinden.

Das Original des Artikels finden Sie auf Thrown Back. Die Übersetzung stammt von unserer Arbeitsgruppe.