Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Worum es beim „Karfreitagsgebet“ geht

Versuch, die Hintergründe einer Stellvertreter-Debatte zu beleuchten

Die neuformulierte Fürbitte für die Juden im Rahmen des Karfreitagsgottesdienstes im „usus antiquor“ hat eine weit über jeden quantitativen Maßstab hinausgehende Bedeutung angenommen. Die Karfreitagsliturgie wird nur in den Kirchen nach dem alten Ritus gefeiert, in denen der alte Ritus die reguläre Form des Gottesdienstes darstellt – das sind, wenn man sich sinnvollerweise auf die in voller Gemeinschaft mit dem Papst stehenden Gemeinden und Einrichtungen beschränkt, in Deutschland vielleicht ein Dutzend Kirchen, in anderen Ländern (mit Ausnahme der USA und vor allem Brasiliens) eher weniger als mehr. In diesen Kirchen ist der alte Karfreitagsritus auch schon in den Jahren vor Summorum Pontificum im alten Ritus und mit der älteren Formel begangen worden, ohne daß irgend jemand innerhalb oder außerhalb der Kirche deswegen alarmiert gewesen wäre.

Das jetzige Alarmgeschrei hat in der Tat weniger mit dem konkreten Text der Fürbitte zu tun, sondern mit Summorum Pontificum selbst, mit der Wiedereinsetzung der alten Liturgie als einer legitimen Form der Liturgie und Spiritualität - und mit der damit verbundenen Absage an jenen Geist der Diskontinuität und des Neuanfangs, den man uns jahrzehntelang als den Geist des Konzils verkauft hat. Und deshalb ist es so wichtig, die Änderung, die der Papst jetzt durchaus im Geiste der Kontinuität und der unverfälschten Lehre vorgenommen hat, zu akzeptieren, und denen zu widerstehen, die alles daran setzen, um zu unterstreichen, die „Kirche von heute“ könne und dürfe nicht mehr so beten wie in früheren, angeblich durch und durch finsteren Zeiten, die man glücklicherweise überwunden habe.

In diesem Zusammenhang kommt dem Verhalten der nicht in voller Gemeinschaft mit dem Papst stehenden Piusbruderschaft besondere Bedeutung zu: Die Umformulierung der Karfreitagsfürbitte mag den Stolz der traditionsorientierten Katholiken auf das ehrwürdige Alter der Liturgie verletzen und als schwer erträgliches Nachgeben vor äußerem Druck erscheinen – die Rechtgläubigkeit und Traditionsverwurzelung der neuen Formulierung ist von niemandem zu bestreiten, und deshalb gibt die Karfreitagsfürbitte der Piusbruderschaft eine hervorragende Gelegenheit, die von ihr stets behauptete Anhänglichkeit an den Papst durch eine kleine Tat zu untermauern.

Die vom Papst angeordnete Veränderung der Karfreitagsfürbitte erweist sich so sowohl für die modernistisch beeinflußten Kreise in der Kirche als auch für ihre traditionalistischen Gegenspieler als Prüfstein. Und sie widerlegt ganz nebenbei die mehrfach aufgestellte Behauptung, Summorum Pontificum sei nur erlassen worden, um die Piusbruderschaft zur Rückkehr zu ermutigen – dann hätte der Papst ja jede mögliche Trübung des Verhältnisses zu dieser Gruppierung unterlassen.

Nein, Summorum Pontificum richtet sich an die ganze katholische Kirche, deren in einigen Teilen gestörtes Verhältnis zur unaufgebbaren Tradition wieder ins Lot gebracht werden soll – und die neue alte Karfreitagsfürbitte ist besonders gut geeignet, eine Debatte über die Treue zur Tradition in Gang zu bringen. Am Beispiel des Konzilsdokumentes „Nostra Ætate“ kann geradezu exemplarisch gezeigt werden, wie modernistische Interpreten aus – zugegebenermaßen nicht sonderlich klar formulierten – 30 Zeilen Text eine weitreichende Neuinterpretation der Grundlagen des Glaubens fabriziert haben – und es dann auch noch verstanden, diese höchst zweifelhafte Interpretation als die einzig zulässige erscheinen zu lassen.

Eine weitere Facette der Auseinandersetzung, auf die hier nur hingedeutet werden kann und zu der wir Rabbi Kula bereits mit wesentlichen Aussagen zitieren konnten, liegt darin, daß der Zeitgeist nachgerade panische Abwehrreaktionen zeigt, wann immer eine Position mit dem Anspruch auftritt, nicht nur eine Meinung im Konzert der vielen gleichwertigen Stimmen zu vertreten, sondern Wahrheit auszusagen, die alle angeht.

Erst an dritter Stelle ist realistischerweise die Reaktion jüdischer Gemeinschaften ins Auge zu fassen, die teils aufgrund historisch erklärbarer Überlegungen, teils aber auch aus reflexhaftem Bemühen zur Wahrung der „Diskurshoheit“ in eine Diskussion eingegriffen haben (bzw. auch von interessierter Seite einbezogen wurden), die letztlich ihre Sache nicht sein kann.

Das also ist, grob skizziert, der Hintergrund, vor dem die Auseinandersetzung um das an wenigen Orten der Kirche an einem einzigen Tag des Jahres verrichtete Gebet einzuordnen ist. Und genau vor diesem Hintergrund wird es immer unverständlicher, daß die Piusbruderschaft sich nicht dazu bereitfinden kann, dem Papst in dieser Angelegenheit zu folgen – wobei immerhin festzuhalten ist, daß sie ihm auch nicht offen und öffentlich widerspricht. Einen „Notstand“ jedenfalls kann die Priesterbruderschaft in dieser Angelegenheit nun wirklich nicht in Anspruch nehmen.