Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Die Bischöfe sind nicht Herren, sondern Diener der Liturgie

P. Kenneth Baker S.J. zur Zukunft der Liturgie nach „Summorum Pontificum“

Lange haben wir auf die Promulgation von Summorum Pontificum warten müssen – aber es hat sich gelohnt. Das Dokument ist hervorragend durchdacht und stellt präzise rechtliche Normen für die Verwendung der traditionellen Liturgie der Kirche auf. In den nächsten zehn Jahren wird diese neue Gesetzgebung weitreichende Auswirkungen auf den Gottesdienst der katholischen Kirche haben. Ein Motu Proprio ist ein päpstliches Dokument besonderen Art, durch das ein neues Gesetz für die Kirche erlassen wird. Mit der Einleitung „Auf eigene Initiative“ zeigt es, daß es unmittelbar vom Papst als dem höchsten Regenten und Stellvertreter Christi ausgeht – und nicht etwa von einer der Vatikanischen Kongregationen, die unter der Leitung eines Kardinals stehen. In unserem Fall hat das Motu Proprio einen Begleitbrief, in dem der Papst seine Beweggründe für das neue Gesetz erklärt. Als erstes ist festzustellen, daß der Begleitbrief an „Meine lieben Brüder im Bischofsamt“ gerichtet ist. Der Brief richtet sich also nicht an die ganze Kirche, er stellt kein kirchliches Recht dar. Das kirchliche Recht ist im Motu Proprio enthalten.

Die Befürchtungen sind grundlos

In den zwei ersten Teilen seines Briefes spricht der Papst zwei Befürchtungen an: Das erste ist Eine Sorge, die von den französischen und den deutschen Bischöfen ausgedrückt worden war, nämlich daß das Dokument die Autorität des 2. Vatikanischen Konzils mindern könne. Das weist er ganz klar zurück: „Diese Befürchtung ist unbegründet“. Die zweite Formulierung verwendet er auch hinsichtlich des zweiten Einwandes, nämlich daß der Gebrauch des älteren Missale zu Unordnung und Spaltung in den Pfarrgemeinden führen könne: Das bezeichnet er ebenfalls als „grundlos“.

Dann wendet er sich den beiden Formen des römischen Ritus zu, der ordentlichen und der außerordentlichen. Er führt aus, daß es nicht angemessen ist, von „zwei Riten“ zu sprechen, sondern daß es sich vielmehr um zwei Formen ein und desselben römischen Ritus handelt – es gibt einen Ritus mit zwei gleichwertigen Formen. Wie wir noch sehen werden, hat das sehr weitreichende Konsequenzen. Der Papst betont, daß der ältere Ritus niemals abgeschafft worden ist. 1970 hat man uns zu verstehen gegeben, daß er der Vergangenheit angehöre und daß nur noch Priester im Ruhestand mit einer besonderen Erlaubnis zur privaten Feier der hl. Messe die traditionelle lateinische Messe lesen dürften. Das war eine Fehlinterpretation der kirchlichen Rechtslage, die allerdings von den Bischöfen und religiösen Gemeinschaften nahezu einhellig übernommen worden ist.

Aus persönlicher Erfahrung

Nach diesen Klarstellungen wendet sich der Papst den Fehlentwicklungen der jüngeren Zeit zu , und dabei wird er sehr persönlich – er gebraucht die erste Person im Singular – wenn er sagt „Ich spreche aus Erfahrung, da ich diese Phase in all ihren Erwartungen und Verwirrungen miterlebt habe. Und ich habe gesehen, wie tief Menschen, die ganz im Glauben der Kirche verwurzelt waren, durch die eigenmächtigen Entstellungen der Liturgie verletzt wurden.“ Damit spricht er etwas an, was wir alle erlebt haben – die Pantomimen-Messen, die Clowns-Messen – all die Mißbräuche, durch die Millionen von Menschen aus der Kirche getrieben worden sind.

Als nächstes erwähnt Benedict Papst Johannes Paul II., insbesondere sein Motu Proprio „Ecclesia Dei“ (1988). Mit diesem Motu Proprio hatte Johannes Paul versucht das Problem der Menschen zu lösen, die der Kirche entfremdet worden waren, weil sie die alte Liturgie bevorzugten. Ihnen wollte er helfen, und er wollte auch zu einer Aussöhnung mit mit der Piusbruderschaft beitragen. Aber sein damaliger Erlass war nur allgemein abgefasst und enthielt keine „präzisen rechtlichen Normen“. Papst Johannes Paul II. hatte 1988 die Bischöfe gebeten, „großzügig“ Genehmigungen für die alte Messe zu erteilen. Viele, wahrscheinlich die meisten, Bischöfe waren jedoch alles andere als „großzügig“, so daß der jetzige Papst in seinem neuen Dokument letzten Endes sagt: Ich muß direkt eingreifen und das Problem mit einer neuen Gesetzgebung lösen.

Zur Feier der „Alten Messe“ bedarf es keiner Genehmigung

Damit nimmt Benedikt die Sache der traditionellen lateinischen Messe den Bischöfen aus der Hand und übergibt sie den Priestern. Er macht einen großen Schritt auf die Priesterbruderschaft St. Pius zu und erfüllt ihre erste Forderung, nämlich daß jeder Priester das Recht habe, die traditionelle Lateinische Messe zu feiern. Und zwar, wie er im 2. Artikel des Motu Proprio ausdrücklich sagt, ohne dazu den Papst oder seinen Bischof um Erlaubnis bitten zu müssen.

Man erinnere sich, die zweite Befürchtung, auf die Benedikt sich bezog, war, daß das Motu Proprio „Unordnung“ und sogar „Spaltung“ innerhalb der verschiedenen Gemeinschaften verursachen würde. Der Papst weist darauf hin, daß sowohl liturgische Bildung als auch die Kenntnis des Lateinischen unter den Priester wenig verbreitet ist - das trifft besonders hier in den Vereinigten Staaten zu. Deshalb wird – zumindest für den Anfang – auch nur ein kleiner Teil der Gläubigen Interesse an der traditionellen lateinischen Messe haben – kaum genug, um „Spaltungen“ hervorzurufen. Um es ganz klar zu sagen: Die deutschen und die französischen Bischöfe sollte sich nicht allzuviel Sorgen um Spaltungen innerhalb der Kirche wegen der alten Messe machen, wenn 80 oder 90% der Katholiken in ihren Ländern überhaupt keine Gottesdienste besuchen. (...)

Gegenseitige Beeicherung - nicht Abschottung

Der Papst unterstreicht die Tatsache, daß „die beiden Formen der lateinischen Messe sich gegenseitig bereichern können“. Viele Anhänger der Tradition befürchten nun, daß jetzt durch die Aufnahme neuer Heiliger und Präfationen eine Dauerbaustelle entstehen könne. Zugegeben, die Päpste haben das auch in der Vergangenheit so gehandhabt, aber warum muß man das jetzt thematisieren nach all den Veränderungen, die uns in den letzten 40 Jahren auferlegt worden sind? Was wir heute brauchen ist Stabilität – wir wollen eine Liturgie, die auf Dauer festgelegt ist. Wir wollen keinen ständigen Wechsel mehr.

Im Zusammenhang mit dem Gedanken der gegenseitigen Bereicherung beider Riten halte ich es für wahrscheinlich, daß eine größere Verbreitung der korrekten Feier der heiligen Messe in der älteren Form und in einer größeren Zahl von Gemeinden auch zu einer würdigeren Feier der Messe im Novus Ordo führen wird. Im traditionellen Ritus steht der Priester nach Osten zu gewandt, er macht etwa 15 Kniebeugen, er verwendet eine ganz besondere liturgische Sprache, das Latein vermittelt eine Atmosphäre heiligen Geheimnisses. Alle Religionen kennen eine Sakralsprache, auch die Juden verwenden im Gottesdienst der Synagoge Hebräisch, selbst wenn sie es sonst nicht sprechen. Wir treten der höchsten Majestät des allmächtigen Gottes gegenüber, und die Sakrale Sprache vermittelt das weitaus besser als die Alltagssprache von der Straße.

Es geht um eine „innere Versöhnung“

Als nächstes kommt der Papst auf sein Hauptmotiv für die Wiederherstellung der traditionellen Messe zu sprechen: „Damit bin ich bei dem positiven Grund angelangt, der mich veranlaßt hat, mit diesem Motu Proprio dasjenige von 1988 fortzuschreiben. Es geht um eine innere Versöhnung in der Kirche.“ Das ist wirklich der Kern der Sache. Der Papst möchte der Kirche Versöhnung und Einheit zurückbringen, er möchte die Aussöhnung mit der Piusbruderschaft, und er möchte die Millionen von Katholiken zurückholen, die die Kirche nicht mehr besuchen.

In den letzten Monaten hat es viele Berichte über den Widerstand von liberaler Seite gegen Summorum Pontificum gegeben. Warum sträuben sie sich so sehr, wo die traditionelle Messe doch vielleicht gerade 1 Prozent der Katholiken betrifft? Nun, sie haben Angst, daß dieser Anteil zunehmen könnte. Daß die Menschen beim Vergleich der alten Messe mit dem Novus Ordo erkennen, was sie verloren haben: Die Atmosphäre des Heiligen, das Geheimnisvolle des Messopfers, das Latein, die Stellung nach Osten, den Gregorianischen Gesang, die Messdiener, die Mundkommunion, das Knien an der Kommunionbank und was alles noch.

Der Papst bestimmt die Richtlinien der Liturgie

Besonders gut gefällt mir der Abschnitt, in dem der Papst den Bischöfen versichert, daß die neue Gesetzgebung die Autorität der Bischöfe nicht mindert – gerade, nachdem er sie den Bischöfen abgesprochen hat. Er sagt zu den Bischöfen: „Abschließend, liebe Mitbrüder, liegt mir daran zu betonen, daß diese neuen Bestimmungen in keiner Weise Eure Autorität und Verantwortlichkeit schmälern, weder hinsichtlich der Liturgie noch was die Seelsorge an Euren Gläubigen anbelangt. “ Denn die Aufgabe des Bischofs besteht darin, dafür zu sorgen, daß die Gläubigen die seelsorgerliche Fürsorge in der Liturgie erhalten. Und im nächsten Absatz wiederholt er, daß ihre „Aufgabe in jedem Fall jene bleibt, darüber zu wachen, daß alles friedlich und sachlich geschieht.“ Das gefällt mir, weil er damit letztlich sagt: Ihr habt jetzt nicht mehr über die traditionelle lateinische Messe zu bestimmen, sondern Eure Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß die Priester, die sie feiern, das richtig tun. Genau das war die Aufgabe der Bischöfe während der letzten 400 Jahre.

Korrektur von Fehlern der Vergangenheit

Nun möchte ich noch einige Überlegungen zum Motu Proprio selbst anfügen. Das neue Gesetz löst ein Problem, das seit der Einführung des Novus Ordo durch Paul VI. 1970 in der Kirche viel Spaltung und Leid verursacht hat. Die übereilte, unvorbereitete und unerklärte Durchsetzung des neuen Ritus war für viele Katholiken, die die traditionelle Liturgie hoch schätzten, Anlaß zur Entfremdung von der Kirche. Seit 1970 haben in vielen Diözesen Gruppen von Gläubigen ihren Bischof vergeblich um eine regelmäßige Messe im alten Ritus gebeten. 1984 und noch einmal 1988 versuchte Papst Johannes Paul II. das Problem zu lösen, in dem er die Bischöfe bat, „großzügig“ die Erlaubnis für den Gebrauch des Missales des seligen Papstes Johannes XXIII. zu geben. Selbst wenn Bischöfe diese Erlaubnis erteilten, war sie oft auf die einmalige Feier der Messe pro Monat beschränkt oder fand an einem abgelegenen und schwer erreichbaren Ort statt. In San Diego wurde sie in eine Grabkapelle abgeschoben.

Die neue Gesetzgebung gibt der traditionellen lateinischen Messe den Status zurück, den sie 1500 Jahre lang besaß. Sie hat nun den gleichen Rang wie die Liturgie nach dem Novus Ordo. Jeder Priester kann von jetzt an jede dieser Formen verwenden und benötigt dazu keine Erlaubnis des Bischofs.

In Artikel 5 sagt der Papst, daß der Pfarrer einer Anfrage von Gläubigen nach der alten Messe „bereitwillig aufnehmen“ solle. Wenn der Pfarrer dem aus irgendwelchen Gründen nicht gerecht werden kann, sollten die Gläubigen den Bischof informieren. Dazu sagt der Papst dann in Artikel 7: „Der Bischof wird nachdrücklich ersucht, ihrem Wunsch zu entsprechen.“ Das ist eine dramatische Wende gegenüber dem seit 1970 geübten Verfahren.

Mit der vollen Autorität des Lenkers der Kirche

In den einleitenden Abschnitten zum Motu Proprio spricht Papst Benedikt sieben mal vom Papst als dem „Pontifex Maximus“. Das ist sehr ernst zu nehmen. Im 2. Abschnitt macht er völlig klar, daß die Liturgie der Kirche von ihrem Pontifex Maximus bestimmt wird und nicht von den Ortsbischöfen und ihren Liturgieausschüssen.. Er betont, daß die Ortskirchen sich in Übereinstimmung mit der Gesamtkirche befinden müssen. Nach 1970 haben Paul VI. Und Johannes Paul II. Wegen der vielen Ausnahmeregelungen und der Macht der Bischofskonferenzen in gewisser Weise die Kontrolle über die Liturgie verloren. Nun erinnert der Papst die Bischöfe daran, daß nur er als Pontifex Maximus die Autorität hast, über den liturgischen Gottesdienst der Katholischen Kirche zu entscheiden. Er unterstreicht das, indem er das lehramtliche „Wir“ verwendet und in starken Worten schließt „wir bestimmen und befehlen, dies einzuhalten“. Die Verantwortung der Bischöfe besteht darin, darauf zu achten, daß die Liturgie entsprechend den vom Papst aufgestellten Regeln durchgeführt wird.

Die gleiche Position nimmt der Papst in seinem Begleitbrief an die Bischöfe ein, wenn er Abschnitt 22 der Liturgiekonstitution des 2. Vatikanischen Konzils zitiert, in der es heißt:“Die Regelung der Heiligen Liturgie liegt alleine bei der Autorität der Kirche, das heißt, beim Heiligen Stuhl, und im Rahmen der Gesetze bei den Bischöfen.“

Pater Kenneth Baker SJ. ist seit vielen Jahren Herausgeber der amerikanischen Zeitschrift „homiletic & pastoral review"“. Sein hier wiedergegebener Beitrag ist am 20. Oktober im Internet-Journal „Scripture and Catholic Tradition“ von Philip Blosser erschienen. Wir haben bei der Übersetzung einige unwesentliche Passagen, die sich auf die besondere Situation in den USA beziehen, weggelassen und zur besseren Übersicht Zwischenüberschriften eingefügt.
Übersetzung: Arbeitsgruppe S.P.