Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Aktuelle Streitfragen

Lehmann und Kermani – das Ende einer Illusion

20. 5. 2009

Das Altarbild Guido Renis in San Lorenzo in Lucina Bild: Picasa/Gregory

Die Auseinandersetzung um die nun erst einmal bis zum Herbst aufgeschobene Verleihung des hessischen Kulturpreises geht weiter. Heute hat Kardinal Lehmann, dessen Brief an den hessischen Ministerpräsidenten bisher nur in indirekter Rede zitiert worden war (selbst noch einmal seine Position begründet. FAZ v. 20. 5.). Wir haben uns die Aussage Kardinal Lehmanns noch einmal genauer angeschaut – nicht, weil wir ihn unbedingt kritisieren wollten, sondern weil wir mehr denn je der Meinung sind, daß hier etwas sichtbar wird, was viel mit unserem Thema zu tun hat: Der Form der Liturgie als Ausdruck des Glaubens.

Nicht sehr überzeugend erscheint die Begründung, die der Kardinal dafür gibt, daß ihm die Entgegennahme eines Preises mit dem „Kreuzeskritiker“ nicht zuzumuten gewesen sei. „Ich habe ... auch das Recht, mir mein Urteil zu bilden, ob ich mir das alles, auch als Bischof und Theologe gefallen lassen muss. Schließlich habe ich mich schon seit bald 50 Jahren als Theologe um das Verständnis des Kreuzes bemüht, es bedeutet mir viel im täglichen Leben, und ich verehre es öffentlich bei vielen Gottesdiensten. Ich hoffe, daß mein Glaubensbekenntnis genügend respektiert wird. Im Übrigen hätten auch meine Mitchristen nicht verstanden, wenn ich mich ohne eine weitere Klärung für eine solche Auszeichnung auf die Bühne gestellt hätte.“

Da wollen wir lieber nicht fragen, mit wem der Kardinal schon alles einträchtig auf einer Bühne gestanden hat, mit dem gemeinsam aufzutreten für einen Katholiken wahrhaftig keine Auszeichnung sein kann. Warum war der Kardinal da nicht so entschieden, wie heute, wo er unterstreicht: „‘Liberal‘ wollte ich immer sein, wenn dies heißt, hören und Achten auf den Anderen, auch wenn er mir sehr fremd ist und bleibt ...(aber) eine leere, hohle Toleranz leistet gerade in Konfliktsituationen keinen wirklichen Ausgleich. (...) Der jetzige Konflikt darf nicht umsonst sein. Er zeigt noch dringlicher die Notwendigkeit eines echten Dialogs unter den Religionen. Dieser muß aber an der Wahrheit und damit an den Inhalten der Glaubensüberzeugungen interessiert sein.“

Zeichnung Guido Renis: Ecce Homo

Da haben wir das ganze Mißverständnis an der Wurzel. Dem Kirchenpolitker Lehmann, dem das Leben in Gremien zur zweiten Natur geworden ist, ist offensichtlich entgangen, daß Kermani kein Gremienpolitker ist, sondern ein Schriftsteller: Einer, dem es nicht darum geht, das was in seinem Inneren geschieht, in domestizierter Form und gefällig verpackt in Tagesordnungspunkte einzuteilen, sondern einer, der die Widersprüche, die drinnen toben, möglichst ungeschminkt an die Oberfläche bringt. Dieser Widerspruch geht tief: Die prinzipielle Ablehnung des Kreuzes und alles, was wir Christen damit verbinden, ist für den Islam nichts Verhandelbares, sondern zentrales Element seiner (Irr)Lehre: „Gott hat keinen Sohn“. Und in diesem Widerspruch ist der Autor Kermani nicht ein Mann des Dialoges – zumindest nicht des äußeren - sondern des Selbstgespräches zwischen den mindestens zwei Seelen in seiner Brust. Einer, dem Religion nicht Gegenstand der Diplomatie ist, sondern eine Kraft, die den Menschen im Inneren ergreifen und ihn oft genug dahin führen kann, wohin er nicht gehen will.

Darin liegt, das sei eingestanden, durchaus die Gefahr, in unzivilisierte Verhaltensweisen abzugleiten – sie haben das Verhältnis zwischen den Religionen über Jahrhunderte geprägt und machen sich in der Gegenwart gerade in der islamischen Welt beunruhigend bemerkbar. Den 1967 in Siegen geborenen Kermani kann man dafür schwerlich in Haftung nehmen, und auch Vorwürfe wegen seines persönlichen Verhaltens sind offensichtlich nicht angebracht. Ihn führt der innere Konflikt jedenfalls nicht in den Jihad, sondern vor das römische Kreuzesbild Renis, das ihn gleichzeitig mächtig anzieht und abstößt – und dessen Wirkung auf seinen Geist und sein Gemüt er dann in starken Worten beschreibt – ganz ohne Sprengstoffgürtel, aber auch nicht als Diplomat, der schon an das Protokoll denkt, das er in der übernächsten Verhandlungsrunde zu unterschreiben hofft. Eben ganz wie es sich für einen Stipendiaten der Villa Massimo gehört: als Schriftsteller.

Eine solche Erscheinung muß für die berufenen Pfleger des Dialoges und Freunde der Protokolle – da nehmen sich der Kardinal und der Landesbischof/Kirchenpräsident nichts weg – eine zutiefst befremdliche Erfahrung sein. Sie widerspricht nicht nur dem Verständnis und den Ausdrucksformen von Dialog, die sie sich antrainiert haben, und in denen Mäßigung und Mehrheitsfähigkeit auch in Sachen des Glaubens höchste Tugenden darzustellen scheinen – sie entzieht letztlich dem Dialog selbst die Grundlage: Das Kreuz ist nun einmal „den Juden ein empörendes Ärgernis und den Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,18-23).

Das macht Gespräche darüber, wie man darin übereinstimmt, auf zivilisierte Weise nicht übereinzustimmen, nicht sinnlos. Aber es schränkt ihren Umfang und ihre Bedeutung doch stark ein. Die Erlösung kommt vom Kreuz und nicht vom Dialog, sie wird gewährt und weder verdient noch verhandelt – mit dieser verdrängten Erkenntnis ausgerechnet im gepflegten Ambiente eines Kulturpreises konfrontiert zu werden, ist offensichtlich schwer erträglich.