Motu Proprio: Summorum Pontificum

Hauptnavigation


Zusatzinfo

Kardinal Lehmann im Interview

„Eine gewisse Vereinbarung, eher Abstand zu nehmen“

16. 11. 2008

Das Interview wurde am 10.09.2008 auf HR2 im Rahmen der Senderreihe "HR2 Doppelkopf" gesendet. Es trägt den Titel "Am Tisch mit Kardinal Lehmann, 'Guter Hirte' " und wurde von Karin Röder geführt. Interessant ist insbesondere die Passage von Minute 16:59 - 19:03, die wir in der Transkription unseres Lesers hier wiedergeben. Wir gehen etwas ausführlicher auf diese Stelle ein, weil sie ein hervorragendes Beispiel für jene kirchliche Variante des Doublespeak bietet, die nie wirklich das Falsche sagt, aber auch dem Richtigen so weit wie möglich ausweicht - und letztlich ganz beim Falschen ankommt. Das ganze Interview können Sie sich als Podcast hier anhören.

Karin Röder: Jetzt habe ich zum Kapitel Papst habe ich noch eine Frage: Mitte 2007 hat Benedikt XVI. die Tridentinische Messe wieder erlaubt. Das hat mich jetzt doch ein bißchen befremdet. Also nichts gegen die lateinische Sprache, doch sie steht doch innerhalb der Kirche auch für Repression und Ausgrenzung und manche sagen sogar, das ist kein Aufbruch, sondern das ist eher ein Rückschritt in längst vergangene Zeiten.

Kardinal Lehmann: Das sehe ich vollkommen anders. Also erstens, auch nach dem II. Vatikanischen Konzil gibt es in unseren offiziellen liturgischen Büchern für alles eine lateinische Fassung der erneuerten Gottesdienste. Und es war ja schon längst durch Johannes Paul II. so geregelt, daß für bestimmte Gruppen, die eher etwas traditionell orientiert waren, es eine Erlaubnis gab für die lateinische Messe.

Es ist natürlich nicht korrekt zu sagen, „es gibt für alles eine lateinische Fassung“. Alles ist offiziell in Latein abgefasst - das ist das Original, die Urfassung. „Verschiedene Fassungen“ - das sind die nationalsprachlichen und oft willkürlich entstellten Versionen.

Die Unterstellung der Reporterin, Latein stehe „innerhalb der Kirche auch für Repression und Ausgrenzung“ läßt der Kardinal unwidersprochen, auch auf die beliebte Wendung vom „Rückschritt in längst vergangene Zeiten“ geht er nicht ein. Statt dessen beschränkt er sich in seiner Antwort auf die letztlich sekundäre Frage der Sprache und macht dadurch, daß er von „bestimmte Gruppen, die eher etwas traditionell orientiert waren“ spricht, die Sprachfrage seinerseits zu einem Mittel der Ausgrenzung. Im folgenden unterstreicht er das auch noch durch den Hinweis auf die „Abspaltung“ Lefebvres.

Es ist dann ja leider trotz dieser Zugeständnisse zu einer Abspaltung unter dem Erzbischof Lefèvbre, den Lefèvbristen also, gekommen. Aber wir haben auch gewarnt, hier weiterzugehen, weil wir überzeugt waren, daß die Bedürfnisse nicht größer geworden sind. Und insofern hätten wir uns da und dort jetzt vielleicht etwas weniger Zugeständnisse erwartet im vergangenen Jahr. Aber ich denke, das geht jetzt einfach mal so seinen Gang und es wird sich zeigen, wieviele Leute das echt sind. Wir wollen ja auch keine Leute anlocken, die irgendwo meinen, das wäre etwas besseres, wenn man das latein macht, obwohl sie vielleicht gar kein Latein können.

Der Kardinal spricht von „Zugeständnissen“, wo es um ein Recht der Gläubigen und der Priester geht, und er will niemanden dazu „anlocken“ wieder das Verhältnis zur Tradition der Kirche zu gewinnen, das der Papst für unbedingt erforderlich hält, um die entgleiste Liturgiereform wieder zurückzuführen. Die schon am Kern der Sache vorbeigehende Frage der Sprache reduziert er weiter zu einer Frage der Sprachkenntnisse - als ob er nie etwas von Sakralsprache gehört hätte, und von Liturgie und Ritual erst recht nicht. Anfangs sagt er „Das sehe ich vollkommen anders“ – und dann bestätigt er Punkt für Punkt die Unterstellungen der Interviewerin.

Karin Röder: ... ja, sondern nur absingen, ablesen ...

Kardinal Lehmann: Ja, oder es gibt ein gewisses elitäres Bewußtsein bei manchen, also Leuten - das wollen wir nicht fördern, so sehr wir Latein schätzen und so fort. Wir haben zum Beispiel in der Deutschen Bischofskonferenz eine gewisse Vereinbarung, daß wir zum Beispiel bei der Spendung der Sakramente eher Abstand nehmen, das lateinisch zu machen.

„Eine gewisse Vereinbarung, eher Abstand zu nehmen“ - das ist gelungen. Keine klare Aussage, die ja auch im ebenso klaren Widerspruch zum Papst stehen müßte, nichts, wogegen man Rekurs in Rom einlegen könnte - nur das eindeutige Signal: Wir wollen das nicht, wer als Bischof aus der Reihe tanzt, verstößt gegen die Parteilinie, und wer als Priester nicht kapiert, daß in Deutschland nur zählt, was die deutsche Nationalkirche „vereinbart“, der muß halt mit den Folgen leben.

Es bleibt also dabei: Kardinal Lehmann und seine Getreuen wehren sich mit Händen und Füßen, mit Unterstellungen und Ablenkungsmanövern dagegen, dem als geltendes Recht verkündeten Willen des Papstes nachzukommen – und verstecken das hinter einem großzügig klingenden „das geht jetzt einfach mal so seinen Gang und es wird sich zeigen, wieviele Leute das echt sind“.

„Abspalter“ - das sind immer nur die anderen. Sind „Abstandnehmer“ wirklich besser?