Motu Proprio: Summorum Pontificum

Hauptnavigation


Zusatzinfo

Musikalisch ein Vorbild

Papstmessen am 19. und 20. 4. in New York

21. 4. 2008

Im Yankee Stadium, New York

Die Messen in New York waren in vielem das genaue Gegenteil zu der in Washington. Die musikalische Gestaltung (hier die Programme) war nicht nur für die Zuhörer bewegend, sie wurde auch von den Fachleuten überwiegend gelobt – soweit es überhaupt Kritik gab, erfolgte sie eher aus der Perspektive des Spezialisten, der sich das Gute immer noch etwas besser vorstellen kann. Was bedeutet schon die Kritik, daß im Yankee Stadium beim Gesang aus den Proprien (!) ein (leichteres) Stück aus dem „falschen“ Lesejahr ausgewählt wurde im Vergleich dazu, daß überhaupt die Proprien nach dem gültigen Gradulae Romanum genutzt wurden! Insbesondere der großartige Raum der St. Patricks-Kathedrale, den der Papst dann auch zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bei der Predigt dort machte, tat ein übriges, um dem Gottesdienst die feierliche Würde zu verleihen, die in Washington unter dem Einfluss der vom Geist der Selbstdarstellung geprägten Geräuschkulisse von vielen vermisst wurde.

Bei diesen dominierenden äußeren Eindrücken – und nur vom äußeren ist hier die Rede – wurde es vermutlich den Anwesenden gar nicht und vielen Zuschauern am Bildschirm kaum bewußt, daß die äußere Form der Messfeier in New York (und das betrifft ebenso St. Patrick wie die Messe im Yankee Stadium) in einiger Hinsicht noch weiter hinter den liturgischen Vorstellungen des Papstes zurückblieb als Washington. Das gilt besonders für zunächst zwei Punkte: Obwohl die Zahl der Konzelebranten gar nicht so groß war, bildeten sie vor allem in der Kathedrale doch ein so dominierendes optisches Element im Altarraum, daß dadurch die Einsicht in die Natur des dort stattfindenden Vorganges – nämlich die Vergegenwärtigung des Opfers Christi durch die Person des geweihten Priesters – eher behindert als gefördert wurde: Sichtbar war eine Gruppenaktivität, der geschlossene Kreis der Gemeinde.

Ganz in Übereinstimmung damit war der Altar bei beiden New Yorker Messfeiern nicht in dem vom Papst seit einiger Zeit demonstrativ bevorzugten traditionellen Arrangement hergerichtet, das 6 bzw. 7 Kerzen in einer Linie mit einem unübersehbaren Kreuz auf dem Altar vorsieht. In der Kathedrale standen die (immerhin) 7 Leuchter auf dem Boden rechts und links neben den Altar – im Stadium fand wenigstens der 7. Leuchter noch Platz auf dem Altartisch.

Wie ein TNLM-Diskussionsteilnehmer mit Hintergrundkenntnissen mitzuteilen wußte, war dieser – den Vorschriften nach übrigens nicht zu beanstandende – Aufbau den New Yorkern wichtig: Sie legten ausdrücklich Wert, darauf dieses bei ihnen eingeführte Arrangement zu präsentieren – und der Papstes bzw. sein Zeremoniar bestanden nicht mit Nachdruck auf ihrer Präferenz. Das ist verständlich – ein päpstlicher Besuch kann nicht in jeder Einzelheit Anlaß für liturgische Grundsatzdiskussionen sein. Und die Stellung von Leuchtern und Kreuz berührt, wie der damalige Kardinal Ratzinger in „Der Geist der Liturgie“ deutlich gemacht hat, durchaus Grundsätzliches: Wer die Leuchter vom Altar ganz wegnimmt oder an die äußerste Seite rückt und das Kreuz zum „Liegekreuz“ verkleinert, um den freien Sichtkontakt zwischen Gemeinde und Vorsteher nicht zu stören, betont vor allem die horizontale Dimension des Gottesdienstes und fördert die Vorstellung, das Tun und Beten des Priesters finde im Dialog mit der Gemeinde statt. Wer es dagegen zuläßt, daß Kreuz und Leuchter geradezu eine symbolische „Barriere“ zwischen Priester und Gläubigen markieren, unterstreicht, daß beide gemeinsam sich an Gott den Vater richten, dem sie „mein und euer Opfer“ darbieten.

Altarraum im Yankee Stadium

Ähnliche Einwände ließen sich gegen das im Yankee Stadium über dem päpstlichen Thron plazierte übergroße päpstliche Wappen erheben: Nicht wir feiern den Papst, sondern wir feiern mit dem Papst den Gottesdienst. Das wurde durch das in Washington an gleicher Stelle plazierte Kreuz weitaus besser zum Ausdruck gebracht.

Mit solchen Überlegungen sind freilich Probleme angesprochen, die über die Betrachtung der liturgischen Abläufe zum konkreten Anlaß hinausweisen: Es ist nirgendwo festgeschrieben, daß das Altararrangement im Novus Ordo die horizontale Dimension unterstreichen soll, so wie es ja auch nicht zwingend ist, den Novus Ordo im „horizontalen Geist“ zu zelebrieren. In der Praxis haben sich die Dinge allerdings vielfach so entwickelt, daß beides miteinander in Eins gesetzt wird. Damit ist also das Problem der „Reform der Reform“ ganz grundsätzlich angesprochen – und dessen Lösung geht weit über das Programm einer pastoralen Papstreise hinaus.

Näher daran liegt dann schon die Frage nach der Gestaltung des Altarraumes – großes Kreuz oder großes Wappen z.B. Sie verweist auf das Problem, inwieweit Großveranstaltungen überhaupt den angemessenen Rahmen für Messfeiern darstellen können. Sowohl die Feiern „auf freiem Feld“ wie bei den Weltjugendtagen als auch die Feiern in Sportstadien wie jetzt in den USA werfen in dieser Hinsicht ihre ganz eigenen Probleme auf, die hier aber ebenfalls nicht zu diskutieren sind. Für uns bleibt als erste Bilanz aus dieser Reise die Feststellung, daß weit über den Kreis der liturgisch Interessierten hinaus die traditionellere musikalische Gestaltung der Messen in New York (und der Vesper in Washington) großen Eindruck gemacht und viel Zustimmung gefunden hat, während die forcierte „Zeitgemäßheit“ der Musik im National Park Stadium allgemein nicht überzeugen konnte. Das wird sicher all denen Auftrieb geben, die sich für eine stärkere Berücksichtigung der traditionellen Kirchenmusik im Rahmen der „ordentlichen Form des römischen Ritus“.

Sicher wurde auch bemerkt und wird hoffentlich auch beherzigt, daß der Papst zwar vor und nach den Messen (und erst recht bei außerliturgischen Veranstaltungen) lebhaft und offen auf möglichst viele Menschen zuging, bei der hl. Messe selbst aber einen extrem gesammelten und zurückgenommenen Ausdruck zeigte und alles vermied, was eine Conferencier-artige Anmutung hätte ausstrahlen können: conversus ad dominum.

Zum Abschluß noch zwei Anmerkungen zu außerliturgischen Themen: Es ist unmöglich zu sagen, welche von den zahlreichen Reden des Papstes als besonders bedeutend gelten müssen – er hat sie schneller gehalten, als wir sie aufnehmen konnten, zumal die Texte bis jetzt auch nicht in deutsch vorliegen. Englisch, Spanisch und Italienisch gibt es sie auf der Website des Vatikans. Besonders schwergewichtig erschienen uns zunächst die vor der UNO und die beim Treffen mit den Jugendlichen; aber auch die Predigt in St. Patrick und die kurzen Ansprachen an die behinderten Kinder und Jugendlichen sowie beim ökumenischen Treffen empfehlen wir besonderer Aufmerksamkeit.

Zum zweiten: Es ist noch gar nicht abzuschätzen, was für eine Bedeutung die außerordentlich positive Aufnahme des in den Vereinigten Staaten gerne als „Panzerkardinal“ dargestellten Papstes für die weitere Entwicklung der Kirche und natürlich auch der Liturgie dort haben wird. Ebenso wie in Deutschland gibt es in den USA einen starken „antirömischen Affekt“ - und von der neuen Welt her gesehen ist Rom ja auch wirklich sehr weit weg. Diese Distanz hat der Papst jetzt überwunden, er hat enorm viel „good will“ mobilisiert – und mit seinen Predigten hat er diesem „good will“ auch sehr konkret Inhalt und Richtung gegeben. Das kühle „bei uns machen wir das anders“, das dem Papst gerade bei seinen liturgischen Reformbestrebungen aus vielen amerikanischen Diözesen entgegenschlug, und das bei der musikalischen Gestaltung im Stadium von Washington so deutlich demonstriert wurde, wird sich so kaum aufrechterhalten lassen.