Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

„Summorum Pontificum ist auf Langzeitwirkung berechnet“

Ein Gespräch mit Luc Perrin, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Strassburg 2

1. 8. 2008

Wir haben dieses Gespräch, das „The New Catholic“ von Rorate Caeli mit Luc Perin geführt hat, nach der Wiedergabe in „Rorate Cæli“ vom 31. Juli 2008 übersetzt und durch einige eigene Anmerkungen ergänzt. Der zweite Teil folgt im Lauf dieses Wochenendes.

Teil I

Frage: Glauben Sie als Historiker und jahrzehntelanger Beobachter der Katholischen Kirche, daß das Motu Proprio Summorum Pontificum Bedeutung für die Gesamtkirche hat? Hat es sich so ausgewirkt, wie Sie das vor einem Jahr erwartet haben?

Perrin: Zunächst muß man unterstreichen, daß dieses Motu Proprio aus dem Jahr 2007 aus verschiedenen Gründen nur in einem längeren Zeitraum größere Wirkung entfalten kann. Die übergroße Mehrheit der Priester und Bischöfe in aller Welt ist so ausgebildet, daß sie die gewöhnliche Form des römischen Ritus als „den“ Ritus überhaupt betrachten, als die „Wiederherstellung“ einer vermeintlich frühchristlichen Liturgie und „die“ Liturgie „des Konzils“ – des einzigen Konzils, das sie kennen oder kennen wollen – nämlich des 2. Vatikanum. Sie haben eine Art Berliner Mauer in den Köpfen, die sie vor jedem Kontakt mit der liturgischen Tradition Roms abschottet. Diese geistige Trennwand ist außerordentlich dick und widerstandsfähig.

Ich will einmal an einem Beispiel zur gewöhnlichen Form zeigen, wie tief sich die neu-liturgische Lobby auf allen Ebenen (Römische Kurie, Bischofskonferenzen, Diözesankurie, Seminare, Pfarreien) festgesetzt hat. In den meisten umgangssprachlichen Messen (Englisch, Italienisch usw.) wird „pro multis“ fälschlich als „für alle“ statt „für viele“ übersetzt. Johannes Paul II. hat in „Liturgiam Authenticam“ von 2001 diesen Mißstand ausdrücklich angesprochen – keine Reaktion. Fünf Jahre später hat Kardinal Arinze als Präfekt der Gottesdienstkongregation einen Brief an die Bischöfe geschrieben, in deren Bereich die falsche Übersetzung benutzt wird, und sie gebeten, innerhalb von „einem oder zwei Jahren“ den Gläubigen „erforderlichenfalls eine Unterweisung“ zukommen zu lassen, damit die Änderung endlich umgesetzt werden kann.

Prof. Perrin hat uns zu dem vorhergehenden Absatz eine Verbesserung zugeschickt:

Ein Leser von Fr. Zuhlsdorfs Blog hat mich dankenswerterweise auf einen kleinen Fehler aufmerksam gemacht.

Liturgiam Authenticam erwähnt pro multis nicht ausdrücklich. Dennoch ist pro multis ein hervorragendes Beispiel dafür, worauf die Instruktion in Nr. 20 abzielt: „(...)der Originaltext muss soweit irgend möglich vollständig und präzise übersetzt werden, dabei darf inhaltlich nichts ausgelassen oder hinzugefügt werden, auch keine Umschreibungen oder Erklärungen“.

Eine Aussage Bugninis von 1974 unterstützte für alle als gültige Übersetzung, weil es sich dabei um eine katechetische Anmerkung oder Umschreibung zu pro multis handle. Der sehr sorgfältig formulierte Brief Kardinal Arinzes vom 17. Oktober 2006 bezieht sich in Abs. 3 folgende auf Liturgiam Authenticam. In Absatz 2 führt der Kardinal-Präfekt die Gültigkeitserklärung an, die 1974 für Missale herausgegeben wurde, die für alle verwenden. Aber in Abs. 3 zielt der nigerianische Kardinal ganz eindeutig auf die lehrmäßigen Probleme von für alle - Probleme, die gar nicht erst auftauchen, wenn man korrekt mit für viele übersetzt.

Daher kann man diesen Brief von 2006 als eine Art „Schablone“ für zukünftige lehrmäßige Erläuterungen zum 2. Vatikanum ansehen. Kardinal Arinze verbindet hier auf geschickte Weise die „Hermeneutik der Kontinuität und Reform“, wie sie von Papst Benedikt XVI. und auch neo-konservativen Bischöfen wie dem Kardinal von Paris befürwortet wird, mit der Forderung der SSPX und vielen anderen Traditionalisten zur Korrektur von „Irrtümern“ und „Auslassungen“, indem er die gleichen Worte benutzt wie Abs. 6 von Liturgiam Authenticam. Er bemüht sich um eine ernsthafte Verbesserung und Korrektur, ohne die Gültigkeit des früheren Textes in Frage zu stellen. Das könnte einen Weg für den Dialog über Lehrfragen zwischen Rom und Menzingen eröffnen.

Ein Jahr ist vergangen, das zweite Jahr ist auch so gut wie vorbei, und was ist geschehen? - nichts. Das heißt, das neu-liturgische Establishment ist mächtig genug, den Austausch von zwei Worten für sieben Jahre aufzuhalten. Und das Trauerspiel um „pro multis“ wird uns auch noch eine Weile begleiten: Kardinal Arinze hat kürzlich die neue Übersetzung (des Ordinariums) approbiert – aber nur für die USA, und er räumt einen neuen Aufschub zur Vorbereitung der Gläubigen ein, die doch schon während der beiden letzten Jahre hätten vorbereitet werden sollen. Und das ohne bestimmtes Datum. Man muß also nicht damit rechnen, daß im Lauf eines Jahres irgendetwas Entscheidendes hinsichtlich der außerordentlichen Form geschehen konnte.

Dazu kommt, daß einige Bischöfe ihre Haltung von Anfang an unmißverständlich deutlich gemacht haben: Die deutschen, schweizerischen und polnischen Bischöfe sind nach der Veröffentlichung des Dokuments im Herbst 2007 in frontale Opposition gegangen. In Frankreich war die bischöfliche Opposition vor dem Motu Proprio sehr lautstark, besonders 2006, aber nach dem Juli 2007 hat die Mehrheit der französischen Bischöfe eine ruhigere Haltung an den Tag gelegt. Klugerweise hat die französische Bischofskonferenz davon Abstand genommen, unrechtmäßige Richtlinien herauszugeben wie in Deutschland.

Ganz allgemein haben sich die französischen Bischöfe davor gehütet, irgendwelche offenen Einschränkungen für Summorum Pontificum zu veröffentlichen, wie das einige amerikanische und italienische Bischöfe anfänglich gemacht haben. Allerdings betreiben sie unter Anleitung des Erzbischofs von Paris, Kardinal Vingt-Trois, der 2007 insbesondere wegen seines trickreichen Widerstandes gegen den Willen des Papstes zum Präsidenten der französischen Bischofskonferenz gewählt wurde, eine „Eindämmungspolitik“. Ziel dieser Politik ist es, im Gegensatz zu Summorum Pontificum eine Praxis wie in den Jahren 1984 (Quattuor Abhinc Annos) bis 1988 (Ecclesia Dei Afflicta) aufrecht zu erhalten: Die Bischöfe wollen sich über die Rechte, die der Papst den Pfarrern und Gemeindepriestern gewährt hat, hinwegsetzen und es sich vorbehalten, die Feier der außerordentlichen Form zu erlauben oder zu verbieten. Nur eine Minderheit der französischen Bischöfe ist wirklich offen für eine bereitwillige Umsetzung des Motu Proprio.

Das entspricht ziemlich exakt der deutschen Situation. Die „Indulte“ von 1984 und 1988, die die Entscheidung über den Gebrauch des alten Ritus in die Hände der Bischöfe legte und diese zur Großzügigkeit aufforderten, wurden von den meisten deutschen Bischöfen rundweg ignoriert. Nachdem der Papst nun mit Summorum Pontificum den Bischöfen diese Entscheidungsgewalt genommen hat, versuchen sie wenigstens den Status der Jahre 1984 - 2007 für sich zu retten - wie so oft geht es nicht um Theologie oder das Heil der Seelen, sondern um Macht.

Einige Fakten verdeutlichen diese Eindämmungspolitik. Innerhalb eines Jahres wurde in Frankreich keine einzige Personalpfarrei (nach Artikel 10 des MP) errichtet, die drei bestehenden Personalpfarreien stammen aus den Jahren 2005 und 2006. Kein einziges Seminar bietet eine systematische Ausbildung der zukünftigen Priester in der Zelebration der außerordentlichen Form an. Im besten Falle wird – wie in Toulon unter dem sehr wohlwollenden Bischof Rey – den interessierten Studenten freigestellt, an Kursen örtlicher traditionsorientierter Priester teilzunehmen. Einer der besonders feindseligen Bischöfe, Erzbischof Jordan von Rheims, erlaubte nur eine Messe für zwei Sonntage im Monat. Die Weigerung, traditionsorientierte Einrichtungen in die Diözesen zu lassen, ist offensichtlich, allerdings gibt es Ausnahmen. In Paris weigert sich der Kardinal-Erzbischof, eine Regelung für das kleine Tagungszentrum (Centre Saint-Paul) des Instituts vom guten Hirten zu treffen, und es gibt keinen einzigen Seelsorgeauftrag für ein traditionsorientiertes Institut.

Das ist ein enormer Kontrast zum früheren Präsidenten der französischen Bischofskonferenz, Kardinal Ricard, der in seiner Diözese Bordeaux zwei Kapellen der Petrusbruderschaft und eine des Instituts Christus König und Hoher Priester hat und der im Februar 2007 eine Vereinbarung mit dem Guten Hirten über die Kirche Saint-Éloi unterzeichnet hat. Die Zunahme der Orte mit Messen im alten Ritus geht in Frankreich also sehr langsam vor sich, aber trotz aller Hindernisse gibt es eine Zunahme. Nach einigen Beobachtern sind gegenüber dem Stand unter der Regelung nach Ecclesia Dei etwa 40 neue Orte hinzugekommen.

In den meisten europäischen Ländern liegen die Dinge ähnlich, eine Ausnahme bildet vielleicht Italien, wo es neben einer sehr feindselig eingestellten Lobby auch mehrere Bischöfe gibt, die dem Motu Proprio sehr offen gegenüber stehen wie z.B. der Präsident der Bischofskonferenz, Erzbischof Bagnasco. Bis jetzt habe ich nicht viel über ein Echo in Lateinamerika (mit Ausnahme Brasiliens) oder Afrika gehört, und das ist auch keine Überraschung. Andererseits ist die Umsetzung in den USA und Kanada – wie schon beim Motu Proprio Ecclesia Dei von Johannes Paul II. – sowohl seitens der Bischöfe als auch im Klerus weitaus ermutigender.

Ein sachkundiger Leser hat in einer Zuschrift angemerkt: Die kanadischen Bischöfe verfolgen eher eine Politk wie die in Frankreich. Seit der Veröffentlichung von Summorum Pontificum sind in den USA 30 Diözesen neu (jetzt 139 von 176) hinzugekommen, in denen die alte Messe gefeiert wird – Kanada nur eine. In Frankreich sind 7 dazu gekommen, eine (Limoges) ist verloren gegangen. In Deutschland werden danach gegenwärtig in 22 von 27 Diözesen reguläre Messen im alten Ritus angeboten – vor dem Motu Proprio waren es 9.

Wenn man sich an die feindselige Haltung von Kardinal Lehmann in Deutschland, die negative Einstellung von Kardinal Murphy O'Connor in England oder die Eindämmungspolitik von Kardinal Vingt-Trois erinnert, ist man überrascht über die wohlwollende Haltung von Kardinal George, dem Präsidenten der Amerikanischen Bischofskonferenz. In seiner Diözese Chicago hat er die Kanoniker von St. John Cantius zugelassen (die in beiden Formen zelebrieren) und dann auch noch das Institut Christus König zugelassen (das nur die alte Form pflegt). Das vom Kardinal gegründete liturgische Institut hat einen Pflichtkurs zur außerordentlichen Form in sein Programm aufgenommen. Es gibt Lehrgänge für Freiwillige bei den Kanonikern, an denen sich auch Bishof Perry beteiligt, der afro-amerikanische Weihbischof von Chicago, der für seine Treue zur liturgischen Tradition bekannt ist.

Alles in allem bietet die praktische Umsetzung von Summorum Pontificum ein Spiegelbild der Auswirkungen und der Begrenzungen von Ecclesia Dei. Bis jetzt hat die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei ihre neuen Vollmachten – Art. 7, 8 und 12 – noch nicht genutzt, so wie sie auch die Vorgaben des vorhergehenden Motu Proprio nicht durchgesetzt hat. Wir müssen uns auch bewußt sein, daß es in Ländern wie Frankreich, wo der Katholizismus im steilen Niedergang ist, nicht leicht ist, eine Gruppe von Laien zusammenzubekommen – selbst da nicht, wo Pfarrer und Bischof wohlwollend sind. Die alte Messe stellt hohe Ansprüche hinsichtlich Kraft, Zeit und finanziellen Beitrag an die Laien. In vielerlei Hinsicht ist die „aktive Teilnahme“ der Laien in der außerordentlichen Form der Messe stärker als dem, was in Novus-Ordo-Pfarreien üblich ist. Es braucht länger als ein Jahr, um eine Gemeinde aufzubauen.

In diesem Absatz bezieht sich Perrin offenbar auf die besonderen Verhältnisse in Frankreich, wo die Gläubigen sich in viel direkterer Weise zur Finanzierung aller Kirchlichen Aufgaben aufgefordert sehen als z.B. in Deutschland. Während die Teilnahme an Messen nach Regelungen analog dem Indult von 1988 in Deutschland den Gläubigen in der Regel außer gelegntlich langen Fahrten keine besonderen Belastungen auferlegt, sieht das bei personalpfarrei-ähnlichen Einrichtungen oft anders aus: Hier legen die Teilnehmer an den Messen oft eine bewundernswerte Opferbereitschaft auch in finanzieller Hinsicht an den Tag.

Andererseits müssen wir zwei Punkte bedenken, die erst im Lauf der Zeit ihre volle Wirkung in der Kirche entfalten werden. Der erste: Der rechtliche Status des traditionellen römischen Ritus (der außerordentlichen Form) ist so klar geregelt wie noch nie zuvor. Auf lange Sicht dürfte das dazu beitragen, das Studium der Liturgie und die Lehre in den Seminaren und Fakultäten (Beispiele bieten die Seminare von Mundelain/Chicago und Kenrick-Glennon/Saint-Louis, die sich zu Magneten für Berufungen entwickelt haben) zu beeinflussen. Der zweite Punkt ist unmöglich genauer abzuschätzen: Wie viele Priester, vor allem junge Priester in Europa und Nordamerika, werden spirituell von Artikel 2 profitieren? Es wäre sicher sehr interessant, eine Umfrage über das Ausmaß privater Feiern des außerordentlichen Ritus unter Priestern durchzuführen.

Ich habe hier durchgängig die Struktur des Motu Proprio betont: Die Ausweitung der Feier der alten Messe in den Pfarreien ist in Artikel 5 begründet, aber das Recht der Priester zur privaten Feier der alten Messe steht in Artikel 2 – das heißt, der Klerus ist das Hauptziel des Dokuments. Diejenigen, die jede Bewegung der Liturgie in Richtung der Tradition ablehnen setzen auf die Drei-Jahres-Frist, die der Papst in seinem Brief an die Bischöfe erwähnt. Sie wissen ganz genau, daß Summorum Pontificum Jahre und Jahrzehnte benötigen wird, um seine Früchte hervorzubringen, deshalb zielt die Eindämmungsstrategie darauf ab, im Jahr 2010 das Motu Proprio als Fehlschlag darzustellen und seine Aufhebung zu verlangen.

Diese Einschätzung erscheint uns nur bedingt zutreffend. Im Gegensatz zu der mehrfach geäußerten Behauptung, die Gültigkeit des MP sei auf drei Jahre befristet, fordert der Papst die Bischöfe in seinem Begleitbrief lediglich auf, nach drei Jahren einen Bericht über ihre Erfahrungen zu erstatten, „Wenn dann wirklich ernsthafte Schwierigkeiten aufgetreten sein sollten, können Wege gesucht werden, um Abhilfe zu schaffen“. Trotzdem sollte man den Bezug auf die drei Jahre nicht ganz aus dem Auge verlieren. Falls deutsche Bischöfe dann wieder einmal ihre Version vom „kaum feststellbaren Interesse“ nach Rom schicken, sollten auf dem Tisch von Ecclesia Dei genug Beschwerdebriefe von um ihr Recht auf die alte Liturgie betrogenen Gruppen liegen, um ein Gegengewicht zu bilden.

2. Teil

Frage: Wo liegen die Ähnlichkeiten und die Unterschiede in den Haltungen von FSSPX und Hl. Stuhl bei den Vehandlungen Mai-Juni 1988 und Juni-Juli 2008?

Perrin: Ich erinnere daran, daß der Prozess drei und nicht nur zwei Stufen umfasst: Die Verhandlungen von 1988, ein zweiter Versuch 2002 bis 2002, der mit einer Erklärung von Bischof Fellay zur Unterbrechung der Gespräche endete und dann die neuen Gespräche, die im August 2005 mit dem kurzen Gespräch zwischen Papst Benedikt XVI und Bischof Fellay begannen.

Wir können einige Parallelen darin erkennen, daß Papst Johannes Paul II. sich 1978 kurz nach seiner Wahl zu einem Gespräch mit Erzbischof Lefebvre entschloss, ebenso wie Papst Benedikt mit Bischof Fellay. Aber die Situation war doch sehr verschieden: Höchst wahrscheinlich gab es 1978 noch eine ernsthafte Chance für eine kanonische Übereinkunft, auch wenn es zu dieser Zeit schon einigermaßen schwierig war, wie die Ereignisse vom 5. und 6. Mai 1988 zeigen. P. Tissier de Mallerais war damals ein Mitglied der SSPX-Delegation und drängte den Erzbischof zur Unterschrift – heute ist er der kämpferischste unter den vier Bischöfen der Bruderschaft. In den Jahren 2007 bis 2008 hat er in seinen Äußerungen mehrfach regelrechten Zorn auf Papst Benedikt XVI. zum Ausdruck gebracht, wenn er ihm vorwarf, der „Horror“ der Theologie des Papstes mache ihn „sprachlos“. Gegenwärtig droht er mit neuen Bischofsweihen.

Drei der vier Bischöfe der Bruderschaft haben sich in den letzten Wochen mit einem großen Interview in The Angelus an die Öffentlichkeit gewandt, in dem sie die Grundbedingung von Kardinal Castrillión – die Verwendung einer von Beschimpfungen und Attacken freien Sprache – mehr oder weniger demonstrativ mißachteten. Eine kommentierte Wiedergabe dieser Interviews bietet Father Zuhlsdorf in WDTPRS:

Erzbischof Lefebvre war ständig auf der Suche nach einem kanonischen Status, der seinen Priestern die Möglichkeit geben würde, „das Experiment der Tradition zu machen“, wie er sich um 1975/1976 ausdrückte. Von 1969 bis 1975, als Bischof Mamie die SSPX aufhob, war die Bruderschaft ja in einer derartige Situation; sie stand in voller Einheit mit dem hl. Stuhl und hatte ein Statut, das wesentlich ungünstiger war als der Vorschlag zu einer apostolischen Administration aus dem Jahr 2000. Der Fehlschlag von 1988 zeigte allerdings, daß dieser Weg nicht gangbar war, wie Bischof Galarreta jetzt im Juni 2008 eingeräumt hat.

Im Jahr 2000 hat Kardinal Hoyos versucht, diesen kanonischen Weg wieder zu öffnen: Es gab auf Seiten der SSPX zwar starke Widerstände , aber Bischof Fellay war von der offenen Hand des hl. Stuhls sehr beeindruckt. Ebenso war auch der Papst positiv berührt durch die Etnscheidung der SSPX, sich in den Diözesen und mit einer großen Wallfahrt nach Rom am großen Jubiläumsjahr zu beteiligen. Aber einige Monate später schob Bischof Fellay mit zwei Vorbedingungen den Ball wieder ins römische Feld: Freigabe der alten Messe und Aufhebung der Exkommunikationen. Das war eine dezente Art, ein „Ja“ zu vermeiden, ohne direkt „Nein“ zu sagen. Damit begann die Strategie des Mittleren Weges, zu der sich Bischof Fellay entschloss, um wenigstens eine gewisse „Romanita“ in der SSPX wieder zu beleben: Im Lauf der Jahre haben die meisten Priester der Bruderschaft das Verständnis davon verloren, was „Rom“ und „Papst“ eigentlich bedeuten. Als Bischof Tissier der Mallerais in einem Interview diesen Juli mit Angelus sagte „Ein neuer Papst in Rom? Wenn er noch schlechter ist, haben wir keinen Bedarf“, brachte er damit wahrscheinlich die Haltung vieler junger Priester der Bruderschaft zum Ausdruck.

Papst Benedikt XVI ist sich dieser Stimmungslage sehr wohl bewußt, und in seinem Begleitbrief an die Bischöfe zum Motu Proprio erwähnte er die Gefahr einer andauernden schismatischen Einstellung und seine Absicht, das zu bekämpfen: „Es entsteht immer wieder der Eindruck ..., daß Versäumnisse in der Kirche mit schuld daran sind, daß Spaltungen sich verfestigen konnten.“ Seine Wahl im Jahr 2005 ermöglichte eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Menzingen, aber trotz des Motu Proprio – oder auch seinetwegen – dürfte diese Phase, die vor 8 Jahren begann, jetzt zu Ende gehen.

Jedesmal, wenn eine Versöhnung der SSPX mit Rom näher rückt, kommt es in der Führung der SSPX zu schweren Auseinandersetzungen und eine Periode des „kalten Krieges“ gegen Rom beginnt. In der Zeit zwischen 1988 und 2000 gab es nur sehr wenige Kontakte, wenn überhaupt, zwischen Menzingen und Rom. Das Fehlen dauerhafter Strukturen für die Verhandlungen zwischen der Bruderschaft und dem Hl. Stuhl ist höchst wahrscheinlich ein Hauptgrund für die regelmäßigen Fehlschläge der Gespräche. Man kann einfach nicht ernsthaft an schwierigen Fragen der Lehre arbeiten, wenn man sich nur kurz in unregelmäßigen Abständen trifft.

Damit ist ein Kernpunkt angesprochen: Statt Expertengespräche zu führen, in denen die die jeweiligen detailliert Positionen abgeklärt und ihre Verhältnis zu einer Interpretation der Texte des 2. Vatikanums im Lichte der Tradition untersucht wird, bevorzugt die SSPX den öffentlichen Schlagabtausch in einer so derben Tonlage, daß Zweifel an der Ernsthaftigkleit des Verständigungswillens auftreten müssen.

Frage: Was glauben Sie wird die Zukunft für die Priesterbruderschaft bringen? Gibt es überhaupt irgendeine Hoffnung auf eine Aussöhnung, wenn nicht während des Pontifikats Benedikts?

Perrin: Die Bischöfe der Bruderschaft sagen jetzt, daß sich „wieder eine gewisse Entmutigung bemerkbar macht“ (Bischof Fellay) – um einmal die höflichste Version zu zitieren. Sowohl Bischof Fellay wie Bischof Tissier de Mallerais sprechen offen von einem Aufschub um 30 Jahre, und letzterer schließt sogar jede „Versöhnung“ aus. Bischof Tissier de Mallerais befleißigt sich einer so beleidigenden Sprache, daß es schon nahe an Sedisvakantismus ehrankommt – auch wenn er das noch nicht so nennt. Ganz unverkennbar gibt es, wie Bischof tissier de Mallerais das nennt, „eine Verhärtung der Herzen und eine Blindheit des Geistes“.

Papst Benedikt XVI. verstärkt die Anstrengungen, die schon sein Vorgänger unternommen hatte, um das zweite Vatikanum „im Lichte der Tradition“ zu interpretieren – also genau das, was Erzbischof Lefebvre 1978 nach seinem Treffen mit dem polnischen Papst gefordert hatte. Die schwierige Frage des überlieferten römischen Missales war lange Zeit ein ernstes Hindernis, aber mit dem Erlass von Summorum Pontificum ist dieses Hindernis rechtlich – das hat auch Bischof Fellay in seinem Interview vom Juli mit dem „Angelus“ zugegeben – ausgeräumt. Es gibt zwar noch viele Schwierigkeiten, um es im kirchlichen Leben und in den Pfarreien durchzusetzen, aber die rechtliche Stellung des 1962 als der außerordentlichen Form des römischen Ritus ist jetzt geklärt.

So bleiben uns all die anderen schwierigen Fragen, die Bischof Tissier de Mallerais aufgezählt hat: Reliogionsfreiheit, Ökumenismus, christliche Opfergesinnung, gesellschaftliches Königtum Christi – das Problem des interreligiösen Dialogs ist erstaunlicherweise nicht genannt. Aber um diese Fragen mit römischen Theologen diskutieren zu können, bräuchte die SSPX einige qualifizierte Experten. Sie müßte auch dazu fähig sein, die von der Kirche in den letzten Jahrzehnten gemachten Fortschritte etwas genauer zu beurteilen als mit einem „Johannes Paul II. hat nichts zur Wiederherstellung des Glaubens getan“ oder von den Ecclesia Dei-Gemeinschaften anders zu sprechen als zu sagen „Diese armen Menschen (Priester, Ordensleute und Laien) sind pragmatische Liberale“ (Bischof Tissier de Mallerais). Diesen Anforderungen ist die Bruderschaft gegenwärtig kaum gewachsen.

Bischof Fellay sprach kürzlich von einem „Zeitplan“ für die Gestaltung der weiteren Beziehungen zwischen Rom und Menzingen, und das war sicher eine sehr gute Idee, sie hielt die Möglichkeit einer Aussöhnung als eines ferneren Zieles, das in mehreren Schritten zu erreichen wäre, offen. Die 5 Bedingungen von Kardinal Castrillión Hoyos liefen darauf hinaus, Bischof Fellay zu einem ersten Schritt, und sei es auch nur ein symbolischer, aufzufordern. Die jetzt getroffene Entscheidung – die Antwort von Bischof Fellay an den Kardinal wurde nicht veröffentlicht, nur eine Erklärung des Sprechers P. Lorans – läuft offenbar darauf hinaus, den „Zeitplan“ in einer Schublade zu versenken. Wann wollen Bischof Fellay oder sein Nachfolger diese Schublade wieder öffnen und den Zeitplan ernsthaft ins Auge fassen? Bietet die Reise des Papstes nach Frankreich im September dazu eine providentielle Gelegenheit? Was wäre der nächste Schritt, falls die Exkommunikationen aufgehoben werden? Wir werden es erleben. Vielleicht könnte eine Gebetswoche für die Einheit der – – Katholiken helfen.