Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Aktuelle Fragen der Liturgiereform

Was heißt eigentlich „Reform der Reform?“

2. 10. 2008

Mit den folgenden Überlegungen zur Forderung nach einer „Reform der Reform“ beginnen wir eine kleine Reihe von Beiträgen, in denen wir versuchen, die Zusammenhänge herzustellen, die zwischen den verschiedenen „Notstandsgebieten“ im Bereich von Liturgie und Lehre bestehen. Weitere Beiträge werden sich mit der Frage befassen, welche möglicherweise unzweckmäßigen Elemente der Reform von 1969/70 zu deren praktischem Scheitern geführt haben und was unter einer „gegenseitigen Bereicherung“ der neueren und der älteren Form des römischen Ritus zu verstehen sein könnte.

Hl. Messe im Rheinland

Immer öfter ist von einer "Reform der Reform" die Rede – damit ist die Frage gestellt, was an der Reform des Jahres 1970 heute, fast vier Jahrzehnte später, seinerseits als reformbedürftig erkennbar ist. Engagierte Vertreter des Missales Pauls VI. sollten diesem Gedanken im Prinzip sehr offen gegenüberstehen, betonen sie doch ständig, wie wichtig es ist – zumindest in den 60er Jahren war – die Liturgie von Fehlentwicklungen zu reinigen und den Bedürfnissen der Gegenwart anzupassen. Und die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind in vielem sehr weit von unserer Gegenwart entfernt. Doch bei näherem Hinsehen ist es gar nicht so einfach, die konkreten Stellen anzugeben, an denen die Reformbemühungen anzusetzen hätten. Um den Kern des Missales Pauls VI. haben sich mehrere Schichten von zweifelhaften Gebräuchen und Mißbräuchen gelegt, die nur schwer voneinander zu unterscheiden sind und den Blick auf den Kern stellenweise verdecken.

Bestandsaufnahme

Stellen wir zunächst der guten Ordnung halber fest, daß das Missale von 1969/70 den Kern der gegenwärtigen Messliturgie darstellt, daß dieses Missale rechtmäßig promulgiert wurde und eine gültige und auch würdige Feier der hl. Messe erlaubt. Die Frage, wieweit dieses Missale dem Auftrag des Konzils zur Reform der Liturgie entspricht, kann zwar gestellt werden, hat aber angesichts seiner unbezweifelbaren Promulgation durch den Papst zunächst nur theoretische Bedeutung. Die weitere Frage nach der Zweckmäßigkeit der darin festgelegten Reformen ist von der nach der Gültigkeit streng zu unterscheiden.

Streng genommen müßte man vom Missale von 2002 sprechen - aus diesem Jahr stammt die letzte autoritative Version, die durchaus einige eigene Züge aufweist. Dazu ist umstritten, ob man als Jahr der Reform 1969 annehmen soll - in diesem Jahr erschien der reformierte Ordo Missae, dessen Einleitung später in einigen entscheidenden Punkten korrigiert werden mußte. Oder eben das Jahr 1970, in dem das komplette Missale erschien und verbindlich gemacht wurde. Wir sprechen der Einfachheit halber umstandslos vom Missale oder der Liturgie von 1970, wo wir die aktuell gültige Form des Missales der Reform Papst Pauls VI. meinen.

Die Volkssprache und das Problem der Übersetzungen

Hl. Messe in NewYork

Das Missale von 1970 samt seiner Institutio generalis war in der Editio Typica in lateinischer Sprache abgefasst – sie galt zunächst als die einzig verbindliche Form. Praktisch wird die reformierte Liturgie jedoch heute in einer Vielzahl von Nationalsprachen und Dialekten gefeiert, die in der Übersetzung gelegentlich stark vom lateinischen Urtext abweichen. Das gilt in verhältnismäßig starkem Maße auch für die deutsche Übersetzung. Trotz mancher teilweise sinngefährdenden Abweichungen sind die meisten dieser Übersetzungen in Rom genehmigt worden, allerdings kommt es auch immer wieder vor, daß ungenehmigte Übersetzungen verwandt werden (z.B. bei den Dialektmessen des rheinischen Karneval) oder daß Monita der Gottesdienstkongregation, die auf die Korrektur problematischer Übersetzungen abzielen, von den zuständigen Gremien ignoriert werden. Als Beispiele zu nennen wäre hier das Trauerspiel um die Revision der skandalösen englischen Übersetzung und das Säumen der deutschen Bischöfe angesichts der Auflage, die sprachlich unzulässige Übersetzung des „pro mulitis“ mit „für alle“ bis zu diesem Herbst zu korrigieren.

„Anpassungen“ auf nationaler oder sprachgemeinschaftlicher Ebene

Auf etwa der gleichen Ebene wie die Übersetzungsproblematik liegt die Anpassung und Übersetzung der Institutio Generalis (hier die aktuell in Deutschland gültige deutsche Fassung) für Sprachgemeinschaften oder durch nationale Bischofskonferenzen. Hier erfolgen des öfteren Akzentsetzungen, die Dinge, die in der lateinischen Form offen gelassen sind, weiter präzisieren – in der Regel in Richtung auf einen stärkeren Unterschied sowohl gegenüber der Tradition als auch gegenüber dem Gebrauch andernorts.

Das ist sicher problematisch, aber nicht illegal, da die Institutio an vielen Stellen Kann-Vorgaben macht oder die nähere Regelung in die Vollmacht der Bischofskonferenzen gibt. Prominentestes Beispiel ist die Bestimmung der Zelebrationsrichtung. Die IGRM von 2002 macht dazu keine explizite Aussage, gibt aber an mehreren Stellen durch Formulierungen wie „der Priester wendet sich zur Gemeinde“ zu erkennen, daß sie davon ausgeht, daß Gemeinde und Priester normalerweise in gleicher Richtung „dem Herrn zugewandt“ stehen. Das ist auch noch in der (noch nicht endgültig beschlossenen) deutschen Übersetzung der GIRM so. Die von der deutschen Bischofskonferenz getroffene Festlegung für „Die Feier der Gemeindemesse“, wie sie im Gotteslob enthalten ist, schreibt demgegenüber nach der Händewaschung und vor dem Kanon: „Der Priester steht, der Gemeinde zugewandt, in der Mitte des Altares und spricht“, so daß man annehmen muß, daß diese Vorgabe spätestens von da an für den Rest der Messe gelten soll.

Ein weiteres Beispiel ist darin zu sehen, daß „Die Feier der Gemeindemesse“ an der Stelle des Kanons das 2. Hochgebet abdruckt und ihm damit eine hervorgehobene Stellung zuweist, während die Nummern 1, 3 und 4 in einen Anhang verwiesen werden. Der ungeliebte Canon Romanus ist in der deutschen Version stellenweise eher eine freie Paraphrase (etwa beim quam oblationem) als eine Übersetzung.

Über dem „lateinischen Kern“ des Missales von 1970 samt der Instructio liegt also eine nationalsprachliche oder regionale Schicht, die sich sowohl sprachlich als auch nach den Rubriken in vielen Punkten von der Edition Typica unterscheidet, wobei diese Veränderungen in der Regel von Rom „abgesegnet“ worden sind. Die Riteneinheit der römischen Kirche ist unter diesen Umständen mehr eine Rechtsfiktion als eine Realität. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man auf die praktische Ebene übergeht.

Vielerlei Mißbräuche

In der Praxis wird die Messe nämlich nur in den seltensten Fällen tatsächlich nach diesen Vorgaben der ersten oder der zweiten Schicht gefeiert.

Angeordnete und geduldete ....

Hl. Messe im Partnerlook

Es hat sich eine „dritte Schicht“ gebildet, die man als eine Praxis der „bischöflich geduldeten Abweichungen“ bezeichnen kann. Sehr oft anzutreffen ist die Abweichung, daß statt der vorgeschriebenen Messgewandung, Albe, Stola und Kasel eine sogenannte „Mantelalbe“ mit „Überstola“ getragen wird – unter Verzicht auf das eigentliche Messgewand. Das seiner inhaltlichen Bedeutung ohnehin weitgehend beraubte Schuldbekenntnis wird vielerorts immer durch die „Form C“ ersetzt, in der von „Schuld“ praktisch keine Rede mehr ist. Fast ebensooft kommt es vor, daß nach dem Vater Unser der ganz eindeutig vorgeschriebene Embolismus „Erlöse uns Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen...“ ausgelassen wird und sogleich die Akklamation „Denn Dein ist das Reich...“ folgt. Obwohl der Einsatz von „außerordentlichen Kommunionspendern“ an strenge Vorgaben gebunden ist, werden sie fast überall routinemäßig eingesetzt - auch da, wo genug Priester und Diakone vorhanden sind.

Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß diese und ähnliche Abweichungen in vielen Fällen nicht nur „bischöflich geduldet“ sind, sondern in der Seminarausbildung mit Wissen und nach dem Willen der Bischöfe als Norm vermittelt werden. Vermutlich in jener ebenso oberflächlichen wie verhängnisvollen pseudo-ökumenischen Einstellung, die in einer äußeren Angleichung von Gottesdienstelementen der katholischen Eucharistiefeier an Elemente und Gewohnheiten protestantischer Gemeinschaften einen Weg zur „Einheit im Glauben“ sucht.

Darauf, daß diese Abweichungen bewußt und gewollt erfolgen, deutet auch der Umstand, daß sie gegenüber allen entgegenstehenden Anweisungen aus Rom hartnäckig verteidigt werden – die Instruktion „Redemptionis Sacramentum“ von 2004, die hier ganz eindeutige Verbote und Gebote ausspricht, wird von den meisten Ortsbischöfen Deutschlands und dementsprechend auch von ihrem Diözesanklerus komplett ignoriert. Eine öffentliche Diskussion über diese Dissenspunkte zwischen Ortsbischöfen und der im Namen des Papstes handelnden Kongregation für den Gottesdienst findet – zumindest im deutschen Sprachraum – nicht statt. Dem gläubigen Volk erscheinen die Mißbräuche als Norm.

... hingenommene Mißbräuche

Über dieser Schicht der eher unterstützten als geduldeten Abweichungen und Mißbräuche liegt schließlich noch eine vierte Schicht von unzulässigen Verhaltensweisen, die an einigen Orten zwar geduldet werden, aber meistens doch nur so lange, wie daraus kein Skandalpotential entsteht. Häufige Fälle sind die Einladung an alle Anwesenden zur Kommunion, die Wahl von außerbiblischen Texten für die Schriftlesung oder die Einbeziehung von Laien und Lainnen oder Diakonen in das Hochgebet in einer Form, die äußerlich als „Konzelebration“ erscheinen kann. Auch konzelebrationsähnlich daherkommende „ökumenische Messfeiern“ und „Kanzeltausch“ sind hier zu nennen.

Hier sind deutliche Unterschiede zwischen den Diözesen feststellbar. In einigen finden derartige Missbräuche kaum statt, weil sie vom Bischof nachdrücklich missbilligt und erforderlichenfalls auch geahndet werden. In anderen werden sie nicht nur geduldet, sondern im schlimmsten Fall noch dadurch gefördert, daß der Bischof nicht nur auf jede Sanktionierung verzichtet, sondern mehr oder weniger öffentlich oder im forum internum wissen läßt, daß er sich in Rom für eine Revision der „längst überholten Regelungen“ einsetzen wolle, die diese Praktiken für unzulässig erklären.

Bisherige Reformbemühungen

Angesichts dieser vierfachen Schichtung von Ebenen, an denen im liturgischen Alltag Reformbedarf erkennbar wird, ist es gar nicht so leicht, eine Ebene zu bestimmen, an der Reformbemühungen zuerst ansetzen sollten. Zusätzlich kompliziert werden die Dinge dadurch, daß die bescheidenen Reformansätze der Gottesdienstkongregation, die auf die Behebung von Problemen auf der dritten Ebene abzielten, zumindest im deutschsprachigen Bereich weitestgehend wirkungslos geblieben sind – und zwar nicht deshalb, weil die Gebote und Verbote der Kongregation an den falschen Gegenständen angesetzt hätten oder unklar formuliert gewesen wären, sondern deshalb, weil die meisten Bischöfe sich jeder Mitwirkung verweigert haben. In vielen Ländern erfolgt auf solche Verfügungen oder Ermahnungen aus Rom die stereotype Reaktion „Das betrifft uns hier nicht“.

Die traurige Wahrheit ist: Große Teile des Weltepiskopats sind offensichtlich an der Abstellung dieser Art von liturgischen Mißständen nicht interessiert, und „Rom“ verfügt offensichtlich nicht über die Macht, selbst bescheidenste Reformen lokal durchzusetzen. Beispiele der jüngeren Vergangenheit – die Rom von nationalen Bischofskonferenzen abgetrotzte nachträgliche Legalisierung von zunächst mißbräuchlich eingeführten Praktiken wie der Handkommunion oder der Einsatz von Messdienerinnen – spielen hier eine verhängnisvolle Rolle. Wenn Mißbräuche nur entschlossen genug praktiziert werden, konnten sie unter vergangenen Pontifikaten früher oder später mit einem Indult rechnen. Rom – so das Signal – nimmt es mit der Liturgie nicht so genau.

Korrekturversuche Johannes Pauls II.

Papstmesse Papst Johannes Paul II.

Schon in den letzten Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II. sollte allerdings sichtbar geworden sein, daß die Epoche des „anything goes“ für Rom vorbei ist. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Ansprache von Papst Johannes Paul II. vor den östereichischen Bischöfen bei ihrem Ad Limina Besuch 1998 – auch wenn dort nicht liturgische Fragen im Zentrum standen, sondern die allgemeine Erscheinung der Verwässerung und Verflüchtigung des Glaubens durch ein falsch verstandenes „Aggiornamento“. Explizit im Zentrum stehen sie dafür in der Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“, die als Ziel benennt, „die Schatten nicht annehmbarer Lehren und Praktiken zu vertreiben, damit das Mysterium der Eucharistie weiterhin in seinem vollen Glanz erstrahle “. Hier wurde ausdrücklich die Opfertheologie des Konzils von Trient bekräftigt und damit allen Versuchen der Boden entzogen, hier zwischen einer „neuen“ und einer angeblich veralteten Theologie zu unterscheiden.

Damit das, was in dieser Enzyklika vom Lehramt her in Erinnerung gerufen und eingeschärft wurde, auch praktisch umgesetzt werde, erging dann die 2004 noch von Johannes Paul II. promulgierte Instruktion Redemptionis Sacramentum. Diese Instruktion behandelt in 186 Punkten eine Fülle von Mißbräuchen, regelt Unklarheiten und gibt klare Verhaltensrichtlinien. Würden sie eingehalten, wären die oben beschriebenen Mißstände der Ebenen 3 und 4 von einem Tag auf den anderen verschwunden – so wie viele Mißstände der 2. Ebene (schlechte Übersetzung und problematische „Inkulturation“) zumindest auf dem Wege der Heilung wären, wenn die während der letzten 10 Jahre von der Gottesdienstkongregation erlassenen Edikte und Richtlinien befolgt würden. Besonders wichtig war hier die bereits 2001 von Johannes Paul II. promulgierte Instruktion „Liturgiam Authenticam“, die eine prinzipielle Abkehr von den gescheiterten Prinzipien des Dokumentes „Comme le prévoit“ aus dem Jahre 1969 bedeutete. Es ist also nicht so, daß „Rom“ prinzipiell unwillig oder unfähig wäre, Fehlentwicklungen zu erkennen und Papiere zu deren Korrektur zu erlassen - das wird jedoch vielfach einfach nicht beachtet.

Alles in Allem: Schon unter dem Pontifikat Johannes Pauls II. waren – vermutlich unter maßgeblicher Mitarbeit seines späteren Nachfolgers – wesentliche Dokumente entstanden, die auf eine Abstellung der Mißstände aller Ebenen abzielten und erreichen wollten, daß der Novus Ordo zumindest im großen Ganzen so zelebriert würde, wie ihn Paul VI. 1970 promulgiert hatte. Viel Erfolg hatten diese Bemühungen allerdings nicht. Papst Johannes Paul II. hat in seinem Pontifikat viele Verdienste erworben – auf dem Gebiet der Liturgie liegen sie eher nicht.

Der Reformansatz Papst Benedikts

Papst Benedikt XVI. in der Sixtina

Sein Nachfolger hat nun einen anderen Weg gewählt, um die Liturgie wieder zur rechten Ordnung zu bringen. Vom ersten Tag seines Amtes an unterstreicht er durch sein Beispiel, wie wichtig eine würdige, den Vorgaben folgende und die Kontinuität zur Tradition wahrende Liturgie ist – auch und gerade in der „erneuerten Liturgie“. Das Nachsynodale Schreiben „Sacramentum Caritatis“ enthielt ernste Mahnungen, bei der Feier der Liturgie strikt nach den geltenden Vorgaben zu verfahren und den hergebrachten äußeren Formen sowie der materiellen und ideellen Qualität aller im Heiligtum präsenten Dinge größere Aufmerksamkeit zu schenken. Viel gefruchtet hat auch das bis jetzt nicht.

Mit Summorum Pontificum und der allgemeinen Wiederzulassung des alten Ritus ist Papst Benedikt dann ganz nahe an den Kern der Sache herangegangen: Jetzt geht es nicht mehr nur um die Einhaltung von Formen, die man für äußerlich und unwesentlich erklären kann, jetzt geht es um Bruch oder Kontinuität im Wesentlichen.

Das lenkt – und damit werden die Dinge dann endgültig kompliziert – den Blick auf die oben zunächst ausgesparte Frage, ob und wieweit der Kern des Missales Pauls VI. selbst mit Problemen behaftet ist, die immer wieder die Entstehung von Mißständen begünstigten – und daß eine Reform tatsächlich in den Bestand dieses Missales eingreifen müßte, um etwas zu bewirken. Tatsächlich hat die Rede von der „Reform der Reform“ erst dann wirklich Sinn, wenn man diesen Kern selbst zum Gegenstand machte – ob und wieweit das wirklich praktikabel ist, kann wohl nur der Papst selbst entscheiden. Wir werden uns mit dieser Frage in einem späteren Artikel näher auseinandersetzen.

Ausblick

Die Beseitigung der Mißstände alleine wäre jedenfalls noch keine Reform der Reform Pauls VI. von 1970, sondern bestenfalls Voraussetzung zu deren korrekter Umsetzung – nach 4 Jahrzehnten qualvoller Unsicherheit und leidvoller Erfahrungen. Aber es gibt einen tiefen inneren Zusammenhang zwischen beidem. Die vielerlei Mißstände in der liturgischen Praxis haben ihre Ursachen in theologischen Vorstellungen, die unter Berufung auf den angeblichen Geist des Konzils und die Ideen protestantisierender Liturgiereformer die Kontinuität der Lehre geschwächt und teilweise offen gebrochen haben. Solange diese Vorstellungen nicht klar kritisiert und verworfen werden, wird man die Mißstände bestenfalls überdecken und ein wenig zurückdrängen können. An eine Reform der Reform, die mögliche Ansatzpunkte für diese Vorstellungen in der Liturgie von 1970 überwindet, ist solange kaum zu denken. Im Gegenteil. Jeder Versuch, Änderungen mit Autorität zu erzwingen, würde nicht nur an der gegenwärtigen schlechten Praxis von Kollegialität scheitern. Er wäre auch geeignet, den Geist der Machbarkeit und Instrumentalisierung von Liturgie, der die Reformer der Nachkonzilszeit auf ihre Abwege führte, neu zu beleben und zu stärken. Deshalb hat Papst Benedikt offensichtlich den Weg gewählt, der traditionellen Liturgie und der von ihr ausgedrückten Lehre die von den Revolutionären bestrittene Legitimität zurückzugeben – alles andere muß jetzt langsam wachsen.