Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Aufhebung der Exkommunikation gegen die Bischöfe der FSSPX

Die große Scheidung: Warum die weiße Soutane mit Schmutz besudelt wird

Von Armin Schwibach

13. 2. 2009

Autor Schwibach am Arbeitsplatz

Der Alptraum eines jeden Formel-1-Fahrers: kurz vor einer schwierigen Kurve, vor der man binnen Sekunden vom siebten in den ersten Gang zurückschalten und die Geschwindigkeit von 320 auf 60 reduzieren muss, bricht das Getriebe, von dem man dachte, dass es ein kleines technisches Juwel darstellt und sehr wohl in der Lage ist, allen Belastungen standzuhalten, die der Fahrer während des Rennens seinem Boliden auferlegen will oder muss. Ähnliches dürfte Papst Benedikt XVI. in den letzten Wochen empfunden haben, als in den Medien (vor allem in den deutschen) eine bisher noch nie da gewesene Kampagne gegen ihn entfacht und immer weiter geschürt wurde.

Mit einem am 24. Januar veröffentlichten Schreiben hatte der Pontifex - Brückenbauer - Benedikt XVI. die Kirchentatstrafe der Exkommunikation von vier Bischöfen aufgehoben, die 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre unerlaubt geweiht worden waren. Der Schritt des Papstes sollte zugleich eine Handreichung zur Versöhnung mit rund 500 Priestern und weltweit mehr als 550.000 Anhängern Lefebvres sein, im Geiste väterlicher Barmherzigkeit - und wurde zum Eklat. Denn in einem vom schwedischen Fernsehen am 21. Januar ausgestrahlten Interview hatte der britische Bischof Richard Williamson die Existenz von Gaskammern in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern und die Shoah geleugnet.

Die "Affaire" Priesterbruderschaft St. Pius X. erschütterte nicht nur die katholische Welt und lockte vor allem in Deutschland die üblichen und schärfsten Kritiker, Papstgegner und Ratzinger-Feinde aus ihrer Schlafhöhle, in der sie die letzten fast vier Jahre verbracht hatten. Man glaubte seinen Augen nicht zu trauen, wer sich plötzlich wieder auf den Interviewbänken wohlig räkelte, von Hans Küng und Uta Ranke-Heinemann über Heiner Geissler bis hin zum ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, dem Bischof von Mainz und Kardinal der Heiligen Römischen Kirche Karl Lehmann, der einst, als ihm das rote Birett aufgesetzt wurde, dem Papst Gehorsam geschworen hatte "usque ad effusionem sanguinis".

Während das Interesse in den italienischen Medien langsam schwand, wurde in Deutschland auch und gerade mit gewollter oder ungewollter Unterstützung des Episkopats die Flamme der Entrüstung lebendig gehalten. Auf dem Absatz, so schien es, hatte sich die Heimat Benedikts XVI. von "ihrem" Papst abgekehrt. Immer tobender suchten die Medien weiteres Öl, um das Feuer anzufachen. Bereits am 28. Dezember 2008 hatte der Romkorrespondent von "Der Spiegel" Alexander Smoltcyzk süffisant diagnostiziert: "Wir waren Papst" und somit anscheinend schon das Terrain für die "Januarabrechnung" mit dem Papst vorbereitet, für die sein Blatt dann die Bühne bereit stellen sollte. Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade das Hamburger Magazin mit gleichsam akribischer Aufmerksamkeit und Strategie langsam den Abgrund aussondierte, in den dann der Papst vor allem auch durch die Inkompetenz seiner Mitarbeiter in der römischem Kurie, verbunden mit ihren byzantinischen Strukturen und Kommunikationsstörungen, gestürzt wurde. Um auf die erwähnte Formel des Treueeids der Kardinäle zurückzukommen: Für einige Purpurträger scheint die rote Farbe ihres Gewandes eher Schmuck und Zier zu sein als Symbol des Blutes: hätten sie nicht bereit sein sollen, es für den Papst und die katholische Kirche zu vergießen? Wie die Apostelgeschichte lehrt, ist Kritik an Petrus nichts Schlimmes. Hat man aber seine Klage und sein Unbehagen an der rechten Stelle vorgebracht - sollten sich dann nicht gerade die Blutzeugen und die Nachfolger der Apostel geeint um den scharen, der der Fels der Kirche ist? Aber nein. Der Papst geriet ins Kreuzfeuer, das nicht weniger verletzend und zerstörerisch zu sein beabsichtigte als die Kugel, die einst an jenem Tag im Mai 1981 fast der Hoffnung der Kirche und der Welt ein Ende gesetzt hätte. Die Zappelphilippe von rechts und links hatten "gegaukelt und geschaukelt, gerappelt und gezappelt auf dem Stuhle hin und her" - bis sie alle nach dem Tischtuch greifen konnten und dabei fast vier Jahre an Arbeit und Mühen vom Tische rissen. Und so kam es dann: "Vater ist in großer Not, und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum" - sie fragt sich: Wie kann man das nur wieder richten?

Um es vorwegzunehmen: ein Gutes brachte das künstlich am Leben erhaltene Debakel mit sich. Die Spreu trennte sich für alle sichtbar vom Weizen, "Wir sind Papst"-Sager von den aufrechten Katholiken, die hinter verdeckter Hand "antirömischen" Bischöfe von den treuen, die Salon- und Feuilleton-Katholiken von den Betern. Fast körperlich unerträglich hingegen wurden die verbalen Ausfälle einzelner und die allgemein feststellbare Hysterie der Medien. Immer deutlicher traten unglaubliche Urteile über die Gestalt Benedikts XVI. und seine Lehre zutage, welche eine substantielle und nie überwundene Abneigung gegenüber dem ehemaligen und nun wieder entdeckten Panzer-Kardinal bzw. Panzer-Papst offen legten. "Rechts-Rutsch" der Kirche, "zurück hinter das II. Vatikanische Konzil" waren die Schlagwörter. Wenn der Vatikan dann derartiges durch ein internes Kommunikationsdesaster und eine absolut mangelhafte "governance" noch begünstigt - dann stehen wir vor dem absoluten Super-Gau unserer Tage.

Dass im Vatikan wahrscheinlich "Köpfe rollen" werden und müssen, steht hier nicht zur Debatte, dürfte jedoch jedem einleuchten, der in der "normalen Welt" Verantwortungsträger auf welcher Ebene auch immer ist. Der deutsche Sonderfall der "Abkehr" von "unserem Papst" geht jedoch bedeutend tiefer. Das Mediengewitter und die damit verbundenen Persönlichkeiten haben gezeigt, dass sie ihre alten Ressentiments gegenüber Papst Ratzinger, seiner Theologie und Lehre nie überwunden haben. In den letzen fast vier Jahren war es für die Welt sichtbar geworden, dass alle Karikaturen des "Großinquisitors" haltlos sind, da Benedikt XVI. als "Pfarrer der Welt" auf die Menschen zuging. Während er gerade seine Menschlichkeit mitteilte und diese überzeugte, scheint sich ein derartiges Frustrationspotential aufgebaut zu haben, dass es jetzt mit aller Gewalt zum Ausbruch kam und erneut dem Klischee und dem Vorurteil zu seiner irrationalen Vorherrschaft verhalf. Ein italienisches Sprichwort lautet: "Die Mutter der Idioten ist immer schwanger". Die medialen Kreissäle legten in den letzten Wochen den Beweis dafür vor.

Dazu kommt: der Grundverdacht gegenüber den so genannten Traditionalisten und ihrer Kirchen- und Lehramtstreue. Bereits die Veröffentlichung des Motu proprio "Summorum Pontificum" zur Liberalisierung der alten "tridentinischen" Messe rief die Kritiker auf den Plan: der Papst habe dem "Geist des Konzils" den Rücken gekehrt. Dabei hatte Benedikt XVI. selbst in seiner denkwürdigen Ansprache an die römische Kurie vom 22. Dezember 2005 die Haltung erklärt, die der Papst gegenüber dem Konzil einnimmt und die er der Kirche als "authentischen Interpretationsschlüssel" vorlegt bzw. von ihr verlangt. Dieser lautet: "Hermeneutik der Kontinuität" gegen eine "Hermeneutik des Bruchs". Vielen fällt es schwer, einem Papst zu folgen, der eindeutig und klar aus Schrift und Tradition die Lehre der Kirche vorlegt und dabei keine Härte zeigt, sondern auf die Kraft der Verstrebung des endlichen "logos" mit dem unendlichen offenbarten "Logos" vertraut. Der Papst hält die Lehre der Kirche für in sich vernünftig, wenngleich gottgegeben, und tritt auf der Grundlage dieser Erkenntnis mit allen ins Gespräch. Wie könnte man epochale Ansprachen wie die an der Regensburger Universität 2006, die nicht-gehaltene Ansprache an der römischen Universität "La Sapienza" 2008 oder gerade jene Rede vergessen, die Benedikt XVI. an die Welt der Kultur und Wissenschaft in Frankreich 2008 gehalten hat? Aber all dies wurde vom Unrat der Aufregungen der letzen Wochen bedeckt, und man zögerte nicht eine Sekunde, das weiße Gewand des Stellvertreters Christi durch die Nähe zur Holocaust-Verneinung zu besudeln.

Die "Affaire" der Aufhebung der Exkommunikation für vier unrechtmäßig geweihte Traditionalistenbischöfe reiht sich in die Geschichte des Widerstandes gegen den väterlichen Wunsch des Papstes ein, die Geschichte der Kirche nicht in "Brüchen" zu erzählen, sondern sie in ihrer Kontinuität zu erhellen - der Kontinuität des Wirkens des Heiligen Geistes in dem einen mystischen Leib Christi. Denn niemand entrüstete sich, als der Papst die Exkommunikation der ebenso unrechtmäßig geweihten Bischöfe der chinesischen Nationalkirche aufhob. Um diese Absicht des Papstes zu bekämpfen, ja sie gar in einem diabolischen Morast versinken zu lassen, haben es nun einige nicht gescheut, die "Sache" der "Alten Messe" und der damit verbundenen gewünschten und notwendigen historischen, liturgischen und theologischen Auseinandersetzung in die Nähe der Verleugnung der Shoah zu rücken. Und das Schlimme und Wuterregende ist: dies wurde dadurch möglich gemacht, weil zuständige Behörden im Vatikan ihre Hausaufgaben nicht gemacht und so dem Papst Schaden zugefügt haben.

Benedikt XVI. will die Einheit der Kirche. Pflicht seines Petrusamtes ist es, alles Mögliche zu tun, damit vom Leib der Kirche abgebrochene Äste diesem wieder eingefügt werden können. Er tut dies, gerade weil er das II. Vatikanische Konzil als ökumenisches Konzil der Kirche ernst nimmt, das als solches keine "Revolution" oder Abkehr von der Tradition beinhaltet oder beabsichtigt. Die jetzige Hetze gegen den Papst als Umkehrer der Geschichte, als Verleugner des Konzils, die so gern von progressistischen Kreisen von "Wir sind Kirche" bis hinein in die Episkopate vorgebracht wird, ist nichts anderes als die Kehrseite eines unkirchlichen und selbstgefälligen Traditionalismus, der meint, Rom "bekehren" zu müssen. Die Gegensätze verschmelzen und werden gemeinsam Handlanger des "diá-bolos", desjenigen, der die Kirche zerrütten will und dabei vor keinem Mittel zurückschreckt - auch nicht vor der Instrumentalisierung der Shoah.

Fazit: Im Vatikan mussten wir bei einer doppelten Katastrophe zusehen: der Katastrophe der Kommunikation und der Katastrophe im Bereich der "governance" auf verschiedenen Ebenen - dies nicht zuletzt deshalb, weil es nicht leicht ist, einem großen Papst und Kirchenlehrer wie Benedikt XVI. in angemessener Weise zu dienen. Dies hat auch zur Folge, dass der Papst sehr alleine ist. Gleichzeitig konstruierten gewisse Interessengruppen, unterstützt von den Medien, die - angeekelt vom "Erfolg" Benedikts XVI. - nur auf diese Gelegenheit warteten und wahrscheinlich bewusst oder unbewusst auf Löcher innerhalb des vatikanischen Gefüges hofften - ihren Fall, der das Amt des Papstes, seine Person und das Ansehen der Kirche kompromittieren sollte. "Ein deutscher Papst blamiert die katholische Kirche" - so schrie es der "Spiegel" von seinem Titelblatt in der ersten Februarwoche. Selbstsicher diagnostizieren die Hamburger Propheten: "So herum oder so herum - ‚Benedetto' wird nie wieder das, was er noch vor kurzem war: ein Heiliger Vater zum Anfassen, dem sogar Jugendliche zujubeln, die sonst nur bei Auftritten der Jungs von Tokio Hotel ausrasten, ein Intellektueller, der auch Vorlesungen über Philosophie halten kann, ein Mann des Ausgleichs und des Dialogs."

Sie täuschen sich. Die Geschichte wird zeigen, wer sich wirklich blamiert hat. Sie wird zeigen, welcher Art von Vernunft die Menschheit ihr Schicksal überantworten will. Zweifellos stellte dieses Debakel gerade auch für die "Treuen" einen emotionalen Schock dar, der sie zeitweise gleichsam in eine lähmende Sprachlosigkeit, Tatenlosigkeit - ja Resignation stürzen ließ. Wäre dies durch eine kluge und umsichtige Handlungsweise vermieden worden, so wäre gewiss auch dieses Ausmaß der medialen Dauerhetze nicht möglich gewesen. Für die aufrichtigen Katholiken und all jene, die seit langen Jahrzehnten für eine liturgische und kirchliche Erneuerung im Geist der universalen Tradition der Kirche arbeiten, ist es nun härter geworden. Aber es ist verheißen: "cum Petro et sub Petro - non prævalebunt" (vgl. Mt 16,18).

Der Autor hat uns diesen Text als „Vorabdruck“ aus der nächsten Nummer des Magazins "KOMMA" zur verfügung gestellt.