Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

40 Jahre Novus ordo missae

Liturgiereform per Einlegeblatt

Von Franz Norbert Otterbeck

2. 4. 2009

Bischof Otto Spülbeck (1907 - 1970) war nicht nur Konzilstheologe, sondern auch langjähriges reguläres Mitglied des Konsiliums zur Liturgiereform. Seine Ansichten über das, was die Reform wollte und sollte, haben Gewicht und können durchaus als authentische Interpretation genommen werden – ganz im Unterschied zu den Ideen von spin doctors wie etwa Emil Lengeling. Leider war es Spülbeck wegen der politischen Bedingungen im geteilten Deutschland nicht möglich, seine Vorstellungen auch im Westen ausreichend zur Geltung zu bringen, hier regierte und regiert die Hermeneutik des Bruches.

Bischof Spülbeck von Meißen

Der Bischof von Meißen, Otto Spülbeck, war Konzilstheologe und ein namhafter Liturgiker. Er fasste in einem kleinen Einlegeblatt für das Gebetbuch die Wirkungen der neuen Messe nach der Ordnung von 1969 in wenigen Sätzen zusammen. Übrigens hat die Liturgiereform in der "Ostzone", die dank gütiger Vorsehung keine Würzburger Synode durchleiden musste, kaum Kummer verursacht. Dort gab es freilich auch keinen zur Boykotthetze seit 68/73, der tausendmillionenjährigen "Ära Teilhard", allzeit bereiten Staats-Nachbarapparat namens "kirchlicher Dienst". Die Welt bewegt sich, die Liturgie zwar auch, aber ihr Dienst ist und bleibt im Wesentlichen der "antizyklische" Akt, im Blick nach oben, auf die Himmelstat.

Was steht also in den Hinweisen aus Meißen mit Imprimatur vom 8. Januar 1970? "Der Aufbau der heiligen Messe ist im Wesentlichen unverändert geblieben. Die neue Ordnung bringt für die Gemeinde nur wenige Änderungen, und zwar zu Beginn der Feier und im Kommunionteil nach dem Vaterunser." Dann wird die Eröffnung vorgestellt und der Bußakt mit den drei Formen, die das MR 1970 auch i.d.F. von 2002 noch so kennt. Es folgt die Bemerkung: "Der weitere Verlauf der Feier bringt für die Gemeinde bis zum Vaterunser keine Änderungen." Dann wird der Kommunionteil mit den neuen Texten dargestellt, insbesondere: "Alle beten gemeinsam mit dem Priester einmal: Herr ich bin nicht würdig..." Das Kurzlehrbuch in Sachen "NOM" schließt mit dem Ausblick: "Außer dem Gebet über die Gläubigen ... sind im kommenden Messbuch auch feierliche Segensformeln vorgesehen."

Das war's. Revolution? Nicht in der Lehre, allenfalls in der Erscheinung; und da wurde fraglos zu kräftig "gestaltet", übrigens auch nach 1970 noch zwanglos am Messbuch vorbei. Der "Bruch" erfolgte also nicht in den Texten, sondern im Leben, und zwar ziemlich genau 1964/65; Joseph Ratzinger antwortete darauf schon in Bamberg 1966. Trotzdem ist es frech, einfach zu sagen: Auch die "neue Messe" ist tridentinisch. Ihre Ordnung ist mit den Dekreten von Trient konform, weil das II. Vatikanum alle Dekrete der wichtigen Vorläuferkonzile konsequent beachtet hat. Es ordnet den Stoff freilich neu, überwiegend mit Erfolg. Die so genannte "Konzilsmehrheit" (als ob Das Gesetz zwar für "alle" gelte, nur nicht für Bolschewiki?) ärgert sich heute noch rotgelbgrün, dass der Papst und Ottaviani und Cicognani und Pericle Felici das Konzil genau dazu "gezwungen" haben. Noch nicht einmal die Verfügung aus Trient, dass der eigentliche Spender der Krankensalbung der Priester sei, wurde umgestoßen. Die "Rahnerschule" (oder doch nur Herder's Volksgeist?) hat daran noch bisweilen ein bisschen gerüttelt, weil eben "exemplarisch" ein altes Dekret fallen sollte. Aber es steht, während die Welt sich dreht.

Man darf den liturgischen "Bruch" im Leben der Kirche aber nicht mit zu billiger Farbe überpinseln. Die Apostolische Konstitution "Missale Romanum" vom 3. April 1969 stellt in der Schlussformel fest, dass alles aufgehoben sei, was am Inkrafttreten der neuen Ordnung für die altehrwürdige Messe nur hindert. Der Diözesandespot Debet-in-spe aka "Mussinghoff" hat daraus 2007 einen Molotowcocktail gegen "Summorum Pontificum" gebastelt. Sozusagen: Das "Verbot" gab es doch. "Da ist noch Klärungsbedarf!" Auweia, supersubsidär gebrüllt. Der Kuriendiplomat Montini war allerdings der bessere Kirchenjurist. Die vom Konzil angeordnete, begrenzte, von Anfang an nicht konfliktfreie Diskontinuität hat er fein säuberlich diesseits eines doktrinären Verbots angehalten. Wohlvorsätzlich. Es werden alle Hindernisse für die neue Ordnung außer Geltung gesetzt, aber die alte Ordnung wird bewusst nur disziplinarisch unterdrückt, nicht "abgeschafft". Das ist römische Schule. Wer "affektive Theologie" predigt, aber antirömisch affektierte Ideologie aus trüben Wäldern damit meint, der wird es nie und nimmer kapieren. Die Disziplinierung nahm dann angesichts der Folgekonflikte in manchen Gegenden hart "doktrinäre" Züge an. Das wollte das Gesetz zur Messverfassung von 1969 aber nicht bezwecken, Beweis: Der Wortlaut.

Paul VI. betont die Kontinuität. Einen Teil der Folgenöte konnte ihm auch sein Freund Jean Guitton aber nicht begreiflich machen. Die Angst vor dem Schisma überwog. Der Philosoph, Vermittler im Streit um St. Nicolas du Chardonnet (Paris) war, aus der Sicht von Lefebvre, ein Krypto-Modernist sui generis, aber ein Freund der "alten Messe" (und politisch "erzkonservativ"), der noch 1986 mit den französischen Bischöfen hart ins Gericht ging: "Silence sur l'essentiel" warf er dem Progressismus vor, Schweigen zum Wesentlichen. Derselbe durfte sich aber bereits am 23. Juli 1976 im OSSERVATORE ROMANO als Laie zum "Problem der Messe" äußern, darin ein Vorläufer von Dr. Charlier, Mosebach, Spaemann und "last but least" auch mir selber. Sonnenklar, dass er Spülbeck bestätigt: Die neue Messe ist so echt wie die alte. Aber: "Et c'est pourqoui je suis persuade que cette interdiction de la liturgie dite de saint Pie V, qui peut-être s'imposait en un temps de transition, est une interdiction provisoire." Er zeigte sich überzeugt, dass jene Untersagung der nach Pius V. benannten Liturgie, die sich vielleicht in einer Zeit des Übergangs aufdrängte, provisorisch bleibt. Dixit. Jetzt haben wir den Salade tridentine, usus antiquior.