Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Kirchenrechtliche Anmerkungen

Dr. Gero P. Weishaupt

zu den zu erwartenden allgemeinen Ausführungsbestimmungen der deutschen Bischöfe zum Motu proprio Summorum Pontificum

In seinem Begleitbrief zum Motu proprio Summorum Pontificum, das am 7. Juli 2007 promulgiert und am 14. September in Kraft getreten ist, erinnert Papst Benedikt XVI. die Bischöfe an ihr Recht, in ihren Diözesen die Liturgie zu ordnen: „Abschließend, liebe Brüder, liegt mir daran zu betonen, dass diese neuen Bestimmungen in keiner Weise Eure Autorität und Verantwortlichkeit schmälern, weder hinsichtlich der Liturgie noch was die Seelsorge an Euren Gläubigen anbelangt. In der Tat steht jedem Bischof das Recht zu, in der eigenen Diözese die Liturgie zu ordnen. ... Nichts wird folglich der Autorität des Bischofs weggenommen, dessen Aufgabe in jedem Fall jene bleibt, darüber zu wachen, dass alles friedlich und sachlich geschieht“. Der Papst zitiert in diesem Zusammenhang Nr. 22 der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium. Das kirchliche Gesetztbuch von 1983 (CIC/1983) hat diese Stelle wörtlich in can. 838 § 1 übernommen, wo es heißt: „Die Regelung der heiligen Liturgie steht allein der kirchlichen Autoriät zu: sie liegt beim Apostolischen Stuhl und, nach Maßgabe des Rechts, beim Diözesanbischof“.

Ein Motu proprio ist eine Form päpstlicher Gesetzgebung. Dabei handelt es sich um ein „auf eigenem Antrieb in Briefform, aber ohne Anrede, ergehender Erlaß des Papstes, der vielfach den Charakter eines Gesetzes hat, aber auch Anordnungen anderer Art bringe kann...“1. Als päpstlicher Erlaß schafft Summorum Pontificum für die Gesamtkirche des lateinischen Ritus verbindliches Recht. Can. 392 § 1 CIC/1983 verplichtet die Bischöfe im Blick auf die Einheit der Gesamtkirche, „die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche zu fördern und deshalb auf die Einhaltung aller kirchlichen Gesetze zu drängen“. § 2 ergänzt: Der Bischof „hat darauf zu achten, daß sich kein Mißbrauch in die kirchliche Ordnung einschleicht, vor allem in bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen sowie in bezug auf die Vermögensverwaltung“. Wenngleich jedem Bischof das Recht zusteht, die Liturgie in seiner Diözese zu ordnen, so kann er das nur tun in Einheit mit dem Papst. Das heißt, seine diözesanen Gesetze und eventuelle Ausführungsbestimmungen, womit universales und partikulares Recht urgiert und konkretisiert wird, müssen mit dem universalen übergeordneten Recht konform sein.

Um die „gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche“ und die „Einhaltung aller kirchlichen Gesetze“ zu gewährleisten, hat jeder Diözesanbischof das Recht, für seine Diözese sogenannte „allgemeine Ausführungsbestimmungen“ (decreta generalia executoria) nach den cann. 31 bis 33 CIC/1983 zu erlassen. Dem Vernehmen nach wollen die deutschen Bischöfe im Zusammenhang mit der Umsetzung des Motu proprio Summorum Pontificum von diesem Recht Gebrauch machen. Auch die Bischofskonferenz hat im Grunde das Recht, solche allgemeinen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Allerdings gilt dieses Recht für die Bischofskonferenz nur beschränkt, nämlich in den vom Gesetzbuch selbst vorgesehenen Fällen bzw. aufgrund einer besonderen Anordnung des Apostolischen Stuhls aus eigenem Antrieb oder auf Bitten der Bischofkonferenz selber (vgl. can. 455 § 1). Die Regelung des Motu propio fällt nicht unter die vom Gesetzbuch vorgesehenen Fälle, eine besondere Anordnung des Apostolischen Stuhles aus eigenem Antrieb ist weder aus dem Text des Motu propio noch aus dem Begleitbrief des Papstes erkennbar. Über eine Bitte seitens der deutschen Bischofskonferenz ist ebensowenig bekannt.

Tatsächlich weist alles darauf hin, daß die vom 24. bis 27. September 2007 in Fulda tagende Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz keine allgemeine Ausführungsbestimmungen im Sinne der cann. 31-33/CIC/1983 erlassen wird, sondern lediglich „Leitlinien“ zur Umsetzung des Motu proprio. Wie der Vorsitzende Karl Kardinal Lehmann betont hat, seien bereits Leitlinien erarbeitet worden, die von den Oberhirten auf der Vollversammlung in Fulda verabschiedet werden sollen. Diese Leitlinien habe keine rechtlich bindende Wirkung, sie verpflichten weder die Bischöfe noch die Gläubigen, sondern dienen als Orientierungshilfe für eventuelle allgemeine Ausführungsdekrete der Bischöfe in den einzelnen Diözesen. Demnach ist es nicht die Bischofskonferenz, die Ausführungsbesstimmungen erläßt, sondern es liegt in der freien Entscheidung jedes einzelnen Bischofs, ausgehend von den Leitlinien für seine Diözese Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

Was sind nun allgemeine Ausführungsbestimmungen bzw. -dekrete? „Unter allgemeinen Ausführungsdekreten (decreta genralia exsecutoria) versteht der Codex von Verwaltungsorganen erlassene ... allgemeine Anordnungen ..., die dazu dienen, den Anwendungsmodus von Gesetzen ... genauer festzulegen“2. Mit den Ausführungsbestimmungen zum Motu Proprio Summorum Pontificum wollen die Bischöfe demnach die Weise der Anwendung bzw. Umsetzung der Bestimmungen des Motu proprio genauer bestimmen und deren Beachtung einschärfen. Dabei ist zu beachten, daß solche Ausführungsbestimmungen selber keine Gesetze darstellen, sondern selber von den Vorgaben des Gesetzes, hier des Motu proprio, abhängig sind. Ausführungsbestimmungen schaffen weder neue Normen noch sind sie autonom. Das bedeutet, daß die Ausführungsbestimmungen rechtswidrig und damit nichtig wären wenn sie etwas verbieten würden, was das Motu proprio erlaubt, oder Befugnisse einschränken würden, die durch das Motu propio verliehen bzw. gewährt werden 3. Entsprechend sagt der kanonische Gesetzgeber in can. 33 § 1: Allgemeine Ausführungsdekrete ... heben Gesetze nicht auf, und soweit ihre Vorschriften Gesetzen widersprechen, entbehren sie jeglicher Rechtskraft“. Die (allgemeinen) Ausführungsbestimmungen der (deutschen) Bischöfe müssen demnach mit den Bestimmungen des Motu propio konform sein. Sind sie das nicht, dann sie nichtig. „Diese Rechtsfolge tritt von selbst ein und kann erforderlichenfalls amtlich festgestellt werden“4.

Nach can. 221 § 15 haben die Gläubigen den moralisch und rechtlich anerkannten Anspruch auf Verteidigung und Schutz ihrer Rechte auch gegenüber Maßnahmen der vollziehenden Gewalt, die die Bischöfe mit den allgemeinen Ausfühungsbestimmungen zum Motu proprio ausüben. Wenn diese nicht gesetzeskonform sind, d. h. dem Motu proprio widesprechen, dann steht jedem Gläubigen das Recht zu, Beschwerde einzulegen bei der nächsthöheren kirchlichen Verwaltungsbehörde. Gegen allgemeine Ausführungsbestimmungen von Bischöfen wird überlicherweise Beschwerde bei der Kongregation für die Bischöfe in Rom eingelegt, die die Beschwerde gegebenfalls weiterleitet an die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei. Da jedoch der Heilige Vater im Motu proprio Summorum Pontificum in Artikel 12 der Kommission Ecclesia Dei ausdrücklich die Vollmacht erteilt, „über die Beachtung und Anwendung dieser Anordnungen“ zu wachen, werden bei Widerspruch der allgemeinen Ausführungsbestimmungen der Bischöfe zum Motu proprio Beschwerden direkt an diese Päpstliche Kommission Ecclesia Dei zu ergehen haben.

Dr. Gero P. Weishaupt (26. 9. 2007)


1 E. Eichendorf – Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1, Paderborn 1949, 36 f.

2 H. Socha, Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, 31/2.

3 So geht meines Erachtens die Bestimmung, daß die Mindestzahl der an einer im sog. Tridentinischen Ritus gefeierten Messe teilnehmenden Gläubigen 25 betragen muß, über den Worlaut des Art. 5 § 1 des Motu Propio sowie seinem Geist hinaus. Das Motu proprio legt sich auf keine Mindestzahl fest. Zudem widerspricht es dem großzügigen Geist, der diesem Motu proprio eigen ist. Die Einschränkungen der „Indultperiode“ im Pontifikat Johannes Pauls II. soll gerade mit diesem Motu proprio Benedikts XVI. behoben werden.

Auch die Begrenzung der Gläubigen auf nur solche, die der eigenen Pfarrei angehören, entspricht nicht dem Worlaut dieses Artikels, der nur von einer „Gruppe von Gläubigen“ (coetus fidelium) spricht und nicht „Pfarrmitgliedern“. Der Begriff „fideles“ ist breiter und umfaßt auch Gläubige, die nicht der Pfarrei angehören.

Deutlich scheint mir auch die Bestimmung des Art. 5 § 4 von Summorum Pontificum. Demnach sollen die Priester „idonei“ (geeignet) sein. Das kann im Zusammenhang des Motu proprio nur zweierlei besagen: Die Priester sollen den Ritus kennen und zelebrieren können, und sie müssen über ausreichende Lateinkenntnisse verfügen. Hier sind die Bischöfe mit ihren Ausführungsdekreten zur Umsetzung dieser Bestimmung in die Pflicht genommen und aufgerufen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und Schulungen zu organisieren. Allerdings widerspräche es wiederum dem großzügigen Geist des Motu proprio, wollte man perfekte Lateinkenntnisse von den Priestern als Voraussetzung für die Zelebration erwarten. Alle Bestimmungen und Maßnahmen, die die Normen des Motu prorpio einschränken, sind mit ihm nicht konform.

4 H. Socha, loc. cit. 33/7.

5Can. 221 § 1: Den Gläubigen steht es zu, ihre Rechte, die sie in der Kirche besitzen, rechtmäßig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor dem zuständigen Gericht zu verteidigen.

Wir haben dieses Gutachten der Website „Introibo.net“ entnommen, wo Sie es im PDF-Format vorfinden.