Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

„Da wäre schon eine Entschuldigung fällig“

Interview von Brian Saint-Paul mit Thomas E. Woods über die Umsetzung von Summorum Pontificum

13. 6. 2008

Thomas E. Woods Jr. ist ein erfolgreicher amerikanischer Sachbuch-Autor, der sich vorzugsweise, aber nicht ausschließlich mit kirchlichen Themen beschäftigt. Er gehört seit vielen Jahren zu den Fürsprechern der alten Messe und schreibt außerdem für die Verteidigung des amerikanischen Verständnisses von Freier Wirtschaft - und gegen die militärische Machtpolitik der USA in der Welt. Das von Brian Saint-Paul geführte Interview erschien am 11. Juni in dem amerikanischen Web-Magazin insidecatholic.com.
Statt eines Literaturberichtes über die hoch interessanten Veröffentlichungen von Woods, zu dem unsere Kräfte nicht reichen, zeigen wir hier Abbildungen seiner im Internetbuchhandel erhältlichen Titel.

Thomas E. Woods Jr.

Frage: Wie ist das Motu Proprio weltweit aufgenommen worden?

Woods: Die Reaktionen waren unterschiedlich. Einige Bischöfe haben es begeistert aufgenommen – auch einige amerikanische Bischöfe, wie ich gerne hinzufüge. Große Überraschungen war nicht dabei - mit Erzbischof Raymond Burke zum Beispiel war zu rechnen. Von wem sonst sollte man auch erwarten, daß er eine neue Initiative des Papstes mit Begeisterung aufnimmt? Anderswo wurde das Motu Proprio demgegenüber eher wie die Wiederkehr des Wolfsmannes betrachtet.

Frage: Gibt es da einiges besonders Nennenswertes?

Woods: Nun ja, Bischof Rafaele Nogano in Italien hat seinen Priestern verboten, die alte Messe zu feiern – dazu war er nicht berechtigt. Ähnliches haben wir auch auf internationaler Ebene erlebt.

In den USA gibt es einige Bischöfe, die das Dokument absichtlich mißverstehen. Ich habe darüber letztes Jahr in Inside the Vatican geschrieben. Ich weiß, daß es eine schwerwiegende Anschuldigung ist, ihnen zu unterstellen, sie täten das absichtlich. Aber diese Dokumente sind so geschrieben, daß Laien sie verstehen können, und es gibt überhaupt keinen Anlaß, irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Außerdem gab es Bischöfe, die vorgeben, das Motu Proprio sei nur eine widerwilliges Entgegenkommen an alte Reaktionäre, die sich weigern, mit der Zeit zu gehen. Und dann gibt es Leute, die behaupten, der Papst wolle nur Lateinexperten die Feier der alten Messe zugestehen.

Frage: Ich habe besonders oft die Behauptung gehört, daß zur Feier der alten Messe eine stabile und dauerhafte Gruppe von Gläubigen in der Gemeinde erforderlich sei – und damit wären natürlich die meisten katholischen Gemeinden in den USA ausgeschlossen.

Woods: Ja. Das kommt vor allem daher, daß die meisten Gläubigen, die nach der alten Messe verlangen, inzwischen so sehr von ihren Gemeinden entfremdet sind, daß sie kaum eine Verbindung zu ihnen haben.

Frage: Also wird gerade der Umstand, der die Notwendigkeit des Motu Proprio begründet, dazu benutzt, es wirkungslos zu machen?

Woods: Fast seit dem Erscheinen des Dokuments ist auch davon die Rede, daß eine Erläuterung herauskommen soll. Soweit ich informiert bin, ist diese Erläuterung auch fertig, aber niemand weiß genau, wann sie herauskommen wird.

Allerdings hatten wir in der letzten Zeit einige bedeutsame Stellungnahmen, etwa von Kardinal Hoyos, dem Vorsitzenden der Kommission Ecclesia Dei und früheren Präfekten der Kleruskongregation. Er sagte, daß die Priester die außerordentliche Form (das ist der Terminus, mit dem Papst Benedikt die alte Messe vorzugsweise bezeichnet) auch dann anbieten sollten, wenn es keine Initiative dazu aus den Gemeinden gibt. Das widerspricht jedenfalls klar der Vorstellung, daß es eine bestimmte Zahl von Gläubigen geben müsse, die nach dieser Messe verlangen, damit sie stattfinden kann. Das leuchtet ein: Gehört diese Liturgie zum Reichtum der Kirche oder nicht? Wenn sie dazu gehört, dann sollten wir sie nicht, wie das einer meiner Freunde ausdrückte, wie ein Stück radioaktives Mondgestein behandeln. Das entspricht wohl nur dem gesunden Menschenverstand.

Frage: Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, daß die Rückkehr der alten Messe dazu beitragen könnte, die Piusbruderschaft zurückzubringen? Es wird zwar viel davon gesprochen, aber so weit ich sehen kann, haben sie einfach kein Interesse. Woods: Wissen Sie – jeder, der vorhersagen will, wie sich die Bruderschaft verhalten wird, macht sich etwas vor. Nur wenige Beobachter haben wirklich die Hand am Puls der Bruderschaft, es ist ein wenig wie bei Warentermingeschäften – entweder hat man ein Gefühl dafür, oder man hat es nicht. Ich habe sicher schon fünfmal oder öfter die bevorstehende Rückkehr der Bruderschaft vorhergesagt, ich werde mich dazu nicht mehr äußern.

Sie waren empört über die Veränderung des Karfreitagsgebetes. Andererseits haben sie die Nachricht vom Motu Proprio mit echter Freude aufgenommen, und ich denke, Bischof Fellay ist sich voll darüber im Klaren, wieviel Mut seine Veröffentlichung den Papst gekostet hat. Vor allem wenn man bedenkt, wie gering die Begeisterung dafür selbst unter seinen Freunden ist. Wir wußten ja, daß die Linke nichts davon halten würde. Aber auch seine Freunde zeigen wenig Interesse. Ich denke, die Bruderschaft weiß, was er hier alles aufs Spiel setzt.

Im übrigen weigere ich mich in der Chor derer einzustimmen, die alle verurteilen, die die Kapellen der Bruderschaft besuchen. Die meisten Gläubigen bei der Bruderschaft sind hochanständige Leute, die von ihren örtlichen Pfarreien etwas vorgesetzt bekommen, das man noch nicht einmal als Karikatur des katholischen Glaubens ansehen kann. Viele sind Eltern in jungen Familien, die versuchen, am Glauben fest zu halten, und die einfach nicht wollen, daß ihre Kinder in einer Atmosphäre institutionalisierter Ehrfurchtslosigkeit erzogen werden. Sie wissen nichts von den kanonischen Implikationen der Priesterweihen Erzbischofs Lefebvre und dergleichen. Sie wissen nur, daß sie dort den katholischen Glauben finden können. Daher war Rom auch stets viel entgegenkommender zu den Gläubigen der Bruderschaft als manche katholischen Zeitschriften. Man trifft in katholischen Publikationen auf Leute, die stolz auf ihre Rechtgläubigkeit sind und behaupten, daß die Besucher der Messen der Bruderschaft Schismatiker wären. Ich habe sogar die Behauptung gehört, ihre Messen wären ungültig – eine theologisch unsinnige Behauptung. Im schlimmsten Fall könnten diese Messen rechtswidrig sein, aber da rechte Form und Materie offensichtlich gegeben sind, sind diese Messen gültig.

Die Leute von der Bruderschaft begegnen einer Kälte, wie sie gegenüber Protestanten oder Moslems nie an den Tag gelegt wird. Man behandelt sie wie Leute vom Mars.

Frage: Wie Vormenschen, denen das eine oder andere Chromosom fehlt.

Woods: Genau. Und die meisten, die sie so unbarmherzig attackieren – und ohne zu beachten, was Rom und der Papst selbst zum Thema gesagt haben – beklagen sich dann bitter darüber, wie lieblos die Leute von der Bruderschaft aufträten. Arzt, heile dich selbst!

Frage: Wie Passt Papst Benedikt in dieses Bild?

Nun, ich bin sicher, daß Benedikt eine Regularisierung der Bruderschaft möchte. Er war einer der Architekten der Übereinkunft von 1988 (http://www.fssp.org/de/protoc5mai.htm), das das ganze Problem fast gelöst hätte. Man war übereingekommen, daß sie einen Bischof weihen lassen könnten, ihren Besitz behalten und weiterhin die traditionellen Sakramente spenden könnten – ziemlich genau das, was sie ohnehin schon taten, aber mit dem Segen Roms. Ich denke, es war eine gute Übereinkunft, aber in letzter Minute hat die Bruderschaft sie zurückgewiesen.

Ich weiß, daß Kardinal Ratzinger damals in Tränen ausgebrochen ist, als er die Nachricht von der Zurückweisung dieser Übereinkunft erhielt. Er ist in dieser Sache so sehr mit ganzem Herzen dabei, daß selbst die meisten seiner engsten Verbündeten ihm dabei nicht folgen können.

Einige Mitglieder der Bruderschaft glaubten damals, daß sie das Angebot Roms zu einer solchen Übereinkunft annehmen und es dem hl. Geist überlassen müßten, wie es ausgeht. Sie haben die Bruderschaft verlassen und sich von sich aus an Rom gewandt. So hat Papst Johannes Paul II dann die Priesterbruderschaft St. Petrus als eine Gemeinschaft gegründet, die sich der alten Messe verpflichtet sieht; später folgten noch andere Gemeinschaften dieser Art.

Frage: Sie gehören schon seit Jahren zu den Kreisen traditionsorientierter Katholiken. Ist Ihnen beim Schreiben ihres Buches „Sacred then and Sacred Now“ irgend etwas Neues oder Überraschendes begegnet?

Woods: Eigentlich wollte ich das Buch auf der Basis meiner bereitstehenden Kenntnisse verfassen. Ich war 11 Jahre lang als Redakteur von „The Latin Mass“ tätig und habe jeden Artikel, den wir jemals veröffentlicht haben, drei oder vier mal gelesen – da bleibt schon so einiges in einem Dickschädel hängen. Das meiste, was ich neu gelernt und erfahren habe, betraf den Papst selbst. Ich habe mich intensiv in seine liturgischen Schriften vertieft – darunter auch einiges eher entlegene Material von liturgischen Konferenzen überall in der Welt. Ich war überrascht, wie konsequent er seine Position über die Jahre hin beibehalten hat. Er hat sich seit vielen Jahren an dieser Debatte beteiligt, und ich konnte seine Hauptgedanken in einigen Kategorien zusammenfassen.

Eine Gruppe seiner Argumente befasst sich mit der Vorstellung, man könne einen Ritus abschaffen und durch einen neuen ersetzen. So etwas ist nach seinen Worten niemals zuvor in der Geschichte der Kirche geschehen. Und er ist sehr besorgt darüber, welche Auswirkungen das auf das Konzept von der Unwandelbarkeit der Glaubensinhalte hat.

Benedikt legt auch großen Wert darauf, das Heilige zu bewahren und jede Improvisation in der Messe zu vermeiden; er glaubt, daß die alte Messe in beiderlei Hinsicht eine große Rolle zu spielen hat.

Ich war auch überrascht, wie weit er sich mit einigen seiner Ausführungen aus dem Fenster gelehnt hatte. Einer Gruppe von Traditionalisten erklärte er, daß er die Gefühle, aus denen heraus sie sich zur alten Messe hingezogen fühlten, verstehe, denn „das sind zu einem gewissen Ausmaß auch meine Gefühle“. Wenn so etwas erst einmal gesagt ist, dann kann das nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Ich denke, daß einige von uns seitens derer, die uns jahrelang als illoyal bezeichnet haben, eine Entschuldigung verdient haben. Wem steht es zu, den Papst zu belehren? Wenn es jetzt richtig ist, daß er diese Dinge ausspricht – wie konnte es dann falsch sein, wenn wir das schon vor 10 Jahren gesagt haben?

Die katholische Kirche ist doch kein Orwellscher Roman, in der etwas an einem Tag hochgehalten und am nächsten Tag verdammt wird. Das ist eine protestantische Karikatur des Katholischen. Daher war ich sehr erfreut, daß die Worte des Papstes denen Rückhalt geben, die sich für die Rückgewinnung dieses großen Reichtums eingesetzt haben. Der Papst stimmt vielleicht nicht mit allem überein, was die Gläubigen, die sich für die alte Messe einsetzen, jemals gesagt haben, aber der Kern seiner Argumente ist der gleiche. Und das bedeutet für das Leben der Kirche geradezu eine seismische Verschiebung.

Frag:. Es ist immer wieder davon die Rede, daß die alte Messe eine besondere Anziehung für junge Leute und Konvertiten besitzt. Glauben sie, daß die traditionelle Liturgie eine Qualität der Verkündigung besitzt, die selbst in einer ehrfurchtsvoll gefeierten Messe nach dem Novus-Ordo nicht vorhanden ist? Woods: Ich denke doch. Und ich habe mich gefreut, daß der Papst das in seinem Brief an die Bischöfe auch so sieht. Erzbischof Burke hat sich ebenfalls in dieser Weise geäußert. Nach meiner Erfahrung enthält auch die typische „ehrfurchtsvolle Feier nach dem Novus Ordo“ – an der ich natürlich auch teilnähme, wenn keine andere Möglichkeit besteht – jede Menge Dinge, die man vor 50 Jahren noch für Verirrungen gehalten hätte.

Frage: Zum Beispiel?

Woods:Die bloße Anwesenheit von Laien im Altarraum läßt mich die Wände hochgehen. Was sind denn die Schlüsselelemente einer reifen Frömmigkeit, die unsere Welt am meisten benötigt? Staunen und Ehrfurcht. Plato hat gesagt, das Staunen ist der Beginn jeder Philosophie. Aber seit wir einen Mann auf den Mond geschickt und den Ipod erfunden haben, glauben wir, wir wären zu groß, vor Gott niederzuknieen.

Diese Selbstbezogenheit/Egozentrik herrscht in vielen Pfarreien, auch wenn die Menschen es nicht bemerken. Statt heiligen Dingen und Orten mit Ehrfurcht zu begegnen, herrscht die Haltung: Wenn mir der Sinn danach steht, im Altarraum herumzulaufen, dann tue ich das auch – schließlich bin ich ein Mensch.

Damit will ich übrigens nicht sagen, daß solche Motivation den meisten Leuten bewußt sind, die einen Dienst im Altarraum versehen – das sind vielfach anständige Katholiken, denen man in der Katechese vermittelt hat, so wäre es richtig. Aber früher galt der Altarraum als ein besonderer Ort, der denen vorbehalten war, die geweiht waren oder die den geweihten in einer Weise dienten, die selbst ganz natürlich auf eine eventuelle Weihe hin orientiert war. Und ich denke, indem wir diese Vorstellung aufgegeben haben, sind wir keine besseren Katholiken geworden.

Frage: Was noch?

Woods: Laien als Kommunionspender stellen ein Problem dar. Rom hat mehrfach Klarstellungen veröffentlicht, daß es sich dabei nicht um eine Regelung für den Normalfall handelt, und erst recht nicht um etwas, was im Pfarrbrief als „Dienstamt“ bezeichnet werden soll – aber diese Klarstellungen landen regelmäßig im Papierkorb. Warum um Himmelswillen bezeichnete man sie als „außerordentliche Kommunionspender“, wenn man sie als normalen Bestandteil des Pfarrlebens betrachtet hätte.

Die amerikanische Situation ist hier von einigen Besonderheiten gekennzeichnet. Zunächst einer sprachlichen: Wo hier oben „Dienstamt“ steht, schreibt der amerikanische Text „ministry“, und die Übersetzung „außerordentliche Kommunionspender“ gibt das Original „Extraordinary Ministers of the Eucharist“ (EME) nur unzureichend wieder. Im allgemeinen amerikanischen Sprachgebrauch, wie er durch die priesterlosen protestantischen Gemeinschaften geprägt ist, bezeichnet „ministry“ bzw. „minister“ eine Fülle von Ämtern bzw. ihrer jeweiligen Träger im gottesdienstlichen Raum oder in der allgemeinen Gemeindearbeit: Preaching Ministry, Music Ministry, Youth Ministry, Social Ministry, Liturgical Ministry. Wenn dazu im katholischen Bereich noch ein „priestly ministry“ (66000 Fundstellen bei Google) und der oder die „eucharistic minister“ (67000 Fundstellen) kommen, trägt das nicht unwesentlich zur Einebnung des unterschiedlichen Sakramentenverständnisses zwischen Katholiken und Protestanten und der Verwischung des priesterlichen Profils bei. Außerdem werden „eucharistic ministers“ in amerikanischen Gemeinden oft weitaus intensiver eingesetzt als in Deutschland: Zweistellige Zahlen im normalen Sonntagsgottesdienst mit vielleicht 300 Teilnehmern sind keine Seltenheit. Gemeindesoziologisch spielen die „EMEs“ oft eine Rolle wie (nur früher?) hierzulande der „Kirchenvorstand“. Sie gelten als die tonangebenden Mitglieder der Gemeinde und beanspruchen bevorzugte Plätze im Kirchenraum. Im praktischen Gemeindeleben der USA sind vielfach die EME die Träger der in Europa meist über andere Schienen laufenden Tendenz zur Herausbildung von „Laienpriestern“, wie man das in der österreichischen Diözese Linz unlängst so treffsicher genannt hat.

In meinem Buch zitiere ich Fr. James McLucas, früher Seelsorger am Christendom College. Er sagt, daß der Priester als zölibatär lebender Mann ja nicht das Bedürfnis nach Intimität mit anderen verliert, aber daß dieses Bedürfnis in eine einzigartige Beziehung mit Gott und zur Eucharistie umgeformt wird. Nur er kann die Eucharistie berühren und lebt so in einer einzigartigen monogamen Beziehung, wie sie kein Laie hat. Darauf beruht seine zölibatäre Hingabe. Wenn Laien den Altarraum bevölkern und sogar die hl. Kommunion spenden, nehmen sie ihm diese Sonderstellung und machen ihn zu einem bloßen Dienstleister, den man nicht mehr braucht, wenn die Konsekration erst einmal stattgefunden hat.

Überrascht es uns wirklich, wenn junge Männer das Priestertum nicht mehr als Geheimnis und Herausforderung empfinden, wenn Frau Müller das so ziemlich alles auch tun kann? Warum sollte man auf die exklusive Beziehung zu einem irdischen Partner verzichten, wenn man keine exklusive Art von Beziehung zu Gott in der Eucharistie mehr haben kann?

So erweisen sich auch diese Erscheinungen, die man als Bestandteile eines ehrfurchtsvoll gefeierten Novus Ordo betrachten kann, als hoch problematisch. Auch der ehrfurchtsvoll gefeierte Novus Ordo vermittelt mir ein Gefühl von Entfremdung, wenn ich bedenke, daß ein Heiliger der Vergangenheit, der sich in die Bank neben mir verirren würde, das meiste von dem, was da geschieht, gar nicht wieder erkennen würde - zum Beispiel das 2. Hochgebet. Natürlich gibt es auch im alten Ritus Teile, die jünger sind als andere, und es gab eine Entwicklung über die Jahrhunderte. Das ist mir durchaus bewußt. Aber wie der Papst festgestellt hat, gab es nie zuvor eine so radikale Veränderung wie 1969/1970. Und so erscheint mir der Gedanke, an einer Messe teilzunehmen, die mich von der Gemeinschaft der Heiligen trennt, nicht gerade glaubensfördernd.

Frage: Wie sehen Sie denn die praktischen Perspektiven für die Beziehung zwischen der alten und der neuen Form des römischen Ritus? Können sie gedeihlich nebeneinander bestehen? Und was wird geschehen, wenn Papst Benedikt einmal von uns geht?

Woods: Diese letzte Frage ist sehr schwer zu beantworten, vor allem, weil ich im Kardinalskollegium niemanden sehe, der an dieser Frage ebenso interessiert ist wie Benedikt. Daher weiß ich nicht, mit wieviel Nachdruck das dann noch vorangetrieben wird. Ich bin dafür, daß die beiden Formen des römischen Ritus ohne allzu eingreifende gegenseitige Beeinflussung nebeneinander bestehen. Aber ich denke, daß die außerordentliche Form einiges dazu beitragen kann, die reguläre Form zu verbessern.

Frage: Zum Beispiel?

Woods: Etwa die Praxis der Zelebration nach Osten. Wir wissen nun, daß das auch im Altertum so praktiziert wurde, auch wenn einige Wissenschaftler eine Zeit lang etwas anderes behauptet haben. Oder auch die Art, wie die alte Messe die kindische Vorstellung von „Improvisation“ im Novus Ordo in Frage stellen könnte. Das wäre sicher positiv. Aber ich möchte nicht, daß die beiden Formen sich in einer Weise beeinflussen, die noch mehr Probleme schafft. Koexistenz ist sicher der beste Weg, um mit den Liturgie-Kriegen in der Kirche fertig zu werden.

Warum soll der römische Ritus keine zwei Formen haben? Man denke nur daran, wie lange die Dominikaner eine eigene Liturgie hatten. Oder der ambrosianische Ritus, und all die östlichen Riten. Auf diesem Gebiet ist Verschiedenheit sicher zu begrüßen. Bei den alten Liturgien gab es sehr große Unterschiede, so wie es große Unterschiede in den Spiritualitäten oder zwischen den Ordengemeinschaften gibt. Das war nie der Grund für Spaltungen in der Kirche.