„Wir sind Kirche“ - aber wer sind „Wir“?
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- 19. April 2012
Vom heiligen Römischen Konzil, deutscher Nation
Von Franz Norbert Otterbeck, Köln-Deutz
Angesichts der aktuellen Spekulationen um eine Rückkehr der Piusbruderschaft in die Einheit mit dem Papst mögen die Konzilsgedanken, die mir „nach Assisi“ (2011) in den Sinn kamen, nochmals etwas zuzuspitzen sein. Sie fallen wiederum sehr fragmentarisch aus, da der Verfasser weder Theologe ist noch Konzilsexperte, anders als Kardinal Becker SJ, der uns dazu noch Kurzmemoiren schenken könnte. Von der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe verlautete teils Erfreuliches, teils enttäuschte sie. Wir sind Kirche? Wer? Je nach Standpunkt des Beobachters. Über den Dialogprozess ließe sich respektvoll schweigen, aber derselbe soll in einen verordneten Konzilsjubel einmünden. Bekommen wir dann wieder zu hören: „Wir sind uns einig, dass ‚der da‘ den Diakonat der Frau einführen soll…“? Noch nicht einmal Subsidiarität wäre das, wenn Unzuständige den vielleicht Zuständigen zu Unmöglichem zwingen wollen. Ist die Kirche in Deutschland mehr als nur noch ein Geflecht aus selbstreferenziellen Beschäftigungsverhältnissen? Die Kirche beschreibt Lumen gentium anders. Wesentliche Teile ihrer Arbeitszeit, ob noch besoldet oder schon im Ehrenamt, scheinen manche „Notleidende“ unter bischöflicher Stabführung mit bitteren Klagen über den mangelnden „Aufbruch“ dortselbst zu verbringen. Wer das Heiligtum aufbrechen will, der sollte zuerst Petrus um den Schlüsseldienst bitten. Das spart Ärger und Kosten. Schlüsselworte finden sich beispielsweise im YOUCAT oder auch in jüngeren Enzykliken, nicht erst seit 1968.
Anlässlich seiner spontanen Rede vor Seminaristen in Freiburg sagte Benedikt XVI. uns übrigens auch wie „Wir sind Kirche“ zu verstehen sei. Schon vergessen? Das ‚bonmot‘ ist übrigens ein Zitat von Pius XII. (Ansprache vom 20.02.1946; Utz-Groner (1954) n. 4080-4111, hier 4094 / 4105f.), ja, auf die Laien gemünzt: „Wir sind die Kirche“, in erster Linie. Der geistliche Dienst der Hierarchie ist das Subsidium, aber notwendig. Im Lehramt des großen Römers waren schon beinahe alle wesentlichen Züge der Lehren des jüngsten Konzils enthalten, bisweilen im Entwurf, teils nur skizziert. Konzil aber heißt „heute“ Aufbruch, vulgo „Selbsterfahrung? Deren Dynamik aber ist, so die Lehre aller Konzilien, keine Offenbarungsquelle. Denn die Heilsgeschichte begann anders. „Gott sprach zu Abraham.“ Ohne das historische Faktum seines Gehorsams auch keine Heilszeichen für uns, unter der Gestalt von Brot und Wein (vgl. Gen 14,18). Aber damit greife ich, Hobbyliturgiker, über den doch längst fest verabredeten Rahmen des Dialogs hinaus. Vom Sakrament will man in unserer einig Gaucknation „unter dem Wort“ (diverser Rednerinnen und Redner; auch „Gähn“ Lammert gehört gern dazu) nichts hören, sondern „mit links“ Rechte einklagen.
Fidel Castro hat seinen hohen Besuch gefragt, warum die Papstmessen auf Kuba, vom Pensionär im Fernsehen verfolgt, so anders seien als zu seiner Zeit als Jesuitenschüler. Wer nach den Rechten des einfachen Gläubigen fragt, der müsste zuerst antworten: Der Getaufte hat das Recht, dass die Kirche mit ihm die Sakramente so feiert, wie sie seiner Seele heilsdienlich sind. Dazu aber muss deren Feier zur Christusbegegnung führen, nicht zur Selbsterfahrung. Oder um ausnahmsweise das Konzil zu zitieren, Sacrosanctum Concilium, Nr. 14: „Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, "das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk" (1 Petr 2,9; … ) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist.“ Schon das ist eine schallende Ohrfeige für mindestens drei Viertel der Liturgiker deutscher Zunge. Aber es kommt noch schlimmer (und wurde schon bisweilen zitiert):
„Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof. (…) Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ (ebd., Nr. 22). Das Konzil ist sakrosankt? Dann hat die Kirche also immer noch Recht und Ordnung, nicht nur Arbeitsrecht und Unordnung. Wir zitieren jetzt nicht endlos, nur noch das: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben“ (vgl. ebd. Nr. 38). Eben.
In der heiligen Woche werden in Deutschland mehr Menschen als im Jahresdurchschnitt zu spüren bekommen, ob noch einzelne Worte oder Satzfetzen auf Latein zu vernehmen sind. „Amen“ ist hebräisch, „Halleluja“ auch, „Kyrie eleison“ ist griechisch. Das wird noch geduldet. Aber. „Dominus vobiscum?“ Benedicat vos omnipotens Deus? Das würde die YOUGEND von heute eher neugierig machen als abschrecken. Aber im Geltungsbereich der Beschlüsse derjenigen, die den Verband der deutschen Diözesen darstellen, gilt, ungeachtet der Ereignisse von 1989 ff., weiterhin das, was man zu Würzburg um 1975 als jugendgemäß einstufte, vom Forum einer hermetischen Synode herab.
Ich bin ein Befürworter der Liturgia instaurata, wie im Konzil umrissen. Aber ich frage mich immer heftiger, warum das Messbuch von Paul VI. eigentlich – seit Paul VI. – so gut wie nur vom Papst selber benutzt wird? Normiert es seine Privatmesse? Und ich musste im Laufe des Diskurses um Summorum pontificum auch erkennen, dass fast alle, die heute noch regelmäßig ihre Sonntagspflicht erfüllen, dies noch unter Geltung der „alten Messe“ und der alten Disziplin erlernt haben. Die Liturgiekreise meiner Jugend haben – nachweislich – niemanden an die Liturgie der Kirche herangeführt. Das bedeutet zwar ersichtlich nicht, dass die Alten heute in die „alte Messe“ gehen; aber manche junge Leute tun es „verbotenerweise“ doch.
Wer also überhaupt über das Konzil mitreden will, sei es im Jahr des Glaubens, sei es im Dialogprozess, der sollte bitte doch zuvor einen flüchtigen Blick in das erwähnte römische Dokument namens Sacrosanctum concilium werfen, gerade der deutsche Kritiker des deutschen Papstes. Auch dort begegnet, inmitten des Reformentwurfs, eine starke, heute schon fast konservative Sprache, die uns das Beten mitten in der Welt noch retten wird.